Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Bawag P.S.K. (Bawag) geklagt. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob Banken während der gesetzlich angeordneten, pandemiebedingten Kreditstundung (Kreditmoratorium) Sollzinsen verlangen dürfen. Das Gesetz zu dem Kreditmoratorium nahm dazu nicht ausdrücklich Stellung. Diese Frage war seit Einführung des Gesetzes ein Streitpunkt zwischen der Bankenbranche und Konsumentenschützern, die der Oberste Gerichtshof (OGH) nun zu Gunsten der Verbraucher entschied. 

Zum Schutz der durch die Pandemie in finanzielle Not geratenen Verbraucher wurde mit 01.04.2020 eine gesetzliche Regelung eingeführt, die eine zehnmonatige Stundung der Ansprüche des Kreditgebers auf die Zinsen vorsah (2.COVID-19-JustizBegleitgesetz zum Kreditmoratorium). Zugute kam die Regelung Verbrauchern, die aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einkommensausfälle hatten, sodass ihnen die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar war. Diese gesetzliche Regelung nahm nicht ausdrücklich Bezug auf die Frage, ob die vertraglichen Sollzinsen im Stundungszeitraum weiterlaufen. Die Bawag informierte ihre Kreditnehmer dahingehend, dass sie die Sollzinsen während der Stundungszeitraums weiterhin dem Kreditkonto anlastet.

Dagegen brachte der VKI eine Klage ein. Der OGH gab nun der Klage des VKI statt: Sofern zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer keine anderslautende, einvernehmliche Regelung zustande kam, trat eine automatische Verlängerung der Laufzeit des Kreditvertrags um den zehnmonatigen Stundungszeitraum ein. Es sollte nach der Absicht des Gesetzgebers vermieden werden, dass mit Ablauf des Moratoriumszeitraums die bis dahin gesetzlich gestundeten Ansprüche und die nach diesem Zeitpunkt wieder regulär fällig werdenden Ansprüche parallel zu erfüllen sind. Durch die Verzögerung der Tilgung des Kredits um zehn Monate sollten Kreditnehmer, die durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten sind, vor dem Abgleiten in eine Überschuldung bewahrt werden.

Mit dieser Regelung – so der OGH – entschied der Gesetzgeber zu Gunsten der Kreditnehmer, dass die Kreditgeber nach einer Stundung das restliche Kapital erst zehn Monate später ohne Entgelt für die zusätzliche Kreditlaufzeit erhalten. Der von Verbrauchern aufgrund des Kreditvertrags zu zahlende Gesamtbetrag darf sich daher aufgrund der Stundung nicht erhöhen. Die Bawag darf laut Urteilspruch für die Zeit der Stundung dem Konto nicht weiterhin Sollzinsen anlasten oder erhöhte Raten von den Verbraucherinnen und Verbrauchern verlangen.

Für welche Kredite ist die Entscheidung relevant?
Die Entscheidung des OGH ist für alle Kredite von Konsument:innen relevant, die im Zeitraum 1.4.2020 bis 31.1.2021 gesetzlich gestundet wurden. Wenn mit der Bank eine vom Gesetz abweichende Zahlungserleichterung vereinbart wurde (z.B. eine Verringerung der Rate und Verlängerung der Laufzeit des Kredits; eine freiwillige Verlängerung der Stundung über den 31.1.2021 hinaus), ist die Entscheidung des OGH hingegen nicht maßgeblich.
Das Urteil ist zwar nur gegen die Bawag PSK ergangen, hat jedoch Auswirkungen auf sämtliche gesetzliche Kreditstundungen, da die Gesetzeslage für alle Banken gleich war und ist.

Was bedeutet das für die betroffenen Kredite?
Die Banken müssen nunmehr die während der Dauer der gesetzlichen Stundung zu Unrecht verrechneten Zinsen den Kreditnehmern wieder auf ihrem Kreditkonto rückwirkend gutschreiben oder – falls der Kredit bereits zurückgezahlt wurde – rückerstatten. Der Bawag PSK wurde dafür eine Frist von drei Monaten eingeräumt. (gp)