Des einen Leid, wird bekanntlich oft zur Freud eines anderen. So scheint es auch bei der Kreditinstitute lmmobilienfinanzierungsmaßnahmenverordnung (KIM-VO) zu sein, die seit August Österreichs Banken und Bürgern bei der Wohnimmobilienfinanzierung ein enges Korsett anlegt. Während ab August in Österreich das Geschäft eingebrochen ist, dürften Bürger ins benachbarte Deutschland ausweichen, um sich dort einen Kredit zu besorgen. Davor warnt der Wiener Rechtsanwalt Roland Weinrauch.

Den deutschen Banken stehe per Gesetz ein größerer Spielraum zu. Es bestehe die "direkte Gefahr, dass österreichische Kreditinstitute künftig Kundschaft an deutsche Mitbewerber verlieren". Seit dem Inkrafttreten der KIM-Verordnung drängten deutsche Banken im Wege der Dienstleistungsfreiheit zusehends in den österreichischen Markt, so der Rechtsanwalt. Zahlen gibt es auf Nachfrage keine. Man höre jedoch wiederholt von Finanzierern, insbesondere aus Westösterreich, dass diese Entwicklung im Gange sei.

Einschränkungen für Banken, nicht für Kunden
Deutschland habe die Kontrolle der systemischen Risiken aus der Immobilienkreditvergabe gesetzlich anders organisiert – nämlich so, dass es keine direkten Einschränkungen für Kunden gibt, sondern für die Banken, so Weinrauch. Im Nachbarland wurde mit April 2022 für Kredite, die mit Wohnimmobilien besichert sind, ein sektoraler Systemrisikopuffer in Höhe von zwei Prozent vorgeschrieben. Soll also heißen, dass eine Besicherung durch eine Hypothek nicht ausreicht, damit die Bank den Kredit risikoreduzierend ansetzen kann; sie muss die Position in ihren Eigenmitteln eben mit dem zusätzlichen Risikopuffer unterlegen.

Damit werde die Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland in erster Linie für die Banken teurer. "Im Gegensatz zum österreichischen Modell hat die deutsche Regelung aber keine direkten Auswirkungen auf die Beleihungsquote, die Schuldentilgungsquote oder die Kreditlaufzeit für den Endkunden – und fällt somit für Kreditnehmer in vielerlei Hinsicht milder aus", so Weinrauch.

KIM-VO in der Kritik
In der ab August geltenden KIM-VO ist vorgesehen, dass die Banken Wohnfinanzierungen ab 50.000 Euro nur noch vergeben dürfen, wenn bei den Kunden folgende Voraussetzungen zutreffen: eine Beleihungsquote von maximal 90 Prozent (beziehungsweise umgekehrt, inklusive Nebenkosten ein Eigenmittelanteil von mindestens 20 Prozent), eine Schuldendienstquote von höchstens 40 Prozent vom Haushaltsnettoeinkommen sowie eine Laufzeit von nicht mehr als 35 Jahren. Es gibt zwar gewisse Ausnahmekontingente, aber die sind oft bereits durch Zwischenfinanzierungen ausgeschöpft.

Eine Überarbeitung der Regeln durch die FMA wurde nach breiter Kritik an der Verordnung kürzlich angestoßen. Wenn man Deutschland und Österreich vergleicht, ist aber zu erwähnen, dass sich die Qualität der Kreditportfolios deutlich unterscheidet. Österreich hat einen enormen Anteil variabel verzinster Kredite, was die Aufseher angesichts der steigenden EZB-Zinsen sorgt. Wenn sich die monatlichen Kreditraten zu stark verteuern, könnte das zum Leistbarkeitsproblem für die Kreditnehmer werden; es steht die Angst vor Ausfällen im Raum.

Unterschiede bei Kreditportfolios der Banken
Während in Österreich momentan weit über 40 Prozent der Kredite variabel verzinst vergeben werden (vor rund zehn Jahren waren es sogar über 80 Prozent), haben die deutschen Kreditnehmer ein diesbezüglich weniger riskantes Kreditvolumen angehäuft: Im Nachbarland werden laut Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) nur um die 15 Prozent der Neuvergabevolumina variabel verzinst; in den vergangenen 20 Jahren lag der Wert meist im niederen zweistelligen Bereich, mit Spitzen von um die 25 Prozent im Jahr 2004. (eml)