Seit dem 26. Juni 2021 gelten die EU-Richtlinie IFD und die Verordnung IFR, die die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen neu regeln. Die Verordnung ist seit diesem Tag anzuwenden, die Richtlinie hätte bis dahin in österreichisches Recht umgesetzt werden müssen. Aber: Ein offizieller Entwurf existiert noch nicht. Umso mehr wird über den möglichen Inhalt spekuliert. Wie die Redaktion erfuhr, könnte die nationale Umsetzung den hiesigen Wertpapierfirmen neue Befugnisse bringen.

Im Wesentlichen geht es bei IFD und IFR darum, dass sich die Eigenkapitalanforderungen für Wertpapierfirmen nicht mehr so stark wie bisher an den Regeln für Kreditinstitute orientieren müssen. Denn diese fokussieren sich auf Kreditvergabekapazitäten oder Einlagensicherheit. Bei WPF stehen bekanntlich ganz andere Risiken im Vordergrund. Daher werden Wertpapierfirmen nun auf Geheiß der EU in drei Klassen unterteilt. Abhängig von Aspekten wie Bilanzgröße, verwaltetem Vermögen oder Auftragswerten verlangen die Aufseher abgestufte Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen sowie Governance-, ­Offenlegungs- und Meldeverpflichtungen. Die Unternehmen müssen zum Beispiel regelmäßig Höhe und Zusammensetzung der tatsächlichen Eigenmittel und der Eigenmittelanforderungen melden.

Kein Klasse-1-WPF
In die "Königskategorie" (Klasse 1, Systemrelevanz, Bilanzsumme über 15 Milliarden Euro), in der ein WPF wie eine Bank beaufsichtigt würde, fällt kein österreichisches WPF. "Konzessionsträger dieser Größenordnung gibt es auf absehbare Zeit in Österreich nicht", heißt es beim Finanzministerium (BMF). Der allergrößte Teil dürfte in die niederschwelligste Aufsichtskategorie 3 eingestuft werden. Tatsächliche Zahlen wird es aufgrund von Meldefristen erst Anfang 2022 geben. In der zweiten Stufe erwartet ein befragter Experte nur ein bis zwei Unternehmen – es sei denn, es kommt zur Ausdehnung der Befugnisse, dann könnte die Aufsichtsstufe 2 besser gefüllt werden.

Zum Hintergrund: Österreichische WPF haben verglichen mit den EU-Mifid-Standards nur einen reduzierten Berechtigungsumfang. Insbesondere dürfen WPF hierzulande (bis jetzt) keine Kundengelder entgegennehmen oder Finanzinstrumente für Kunden halten. Der österreichische Gesetzgeber will mit diesem Goldplating die Gefahren am Finanzmarkt minimieren. Dem gegenüber steht jedoch, dass Austro-WPF Wettbewerbsnachteile haben: Sie dürfen im EWR-Raum mit österreichischer Genehmigung nur eingeschränkt tätig sein, während umgekehrt ausländische Konkurrenten, deren nationale Berechtigung umfassender ist, in Österreich breiter agieren können.

BMF will Ausweitung, FMA ist dagegen
Dem Vernehmen nach überlegt das BMF nun, diesen reduzierten österreichischen Erlaubnisumfang im Zuge der IFD/IFR-Umsetzung auszudehnen. Der Finanzmarktaufsicht FMA, der ein übersichtlicheres Feld lieber ist, soll das wiederum ein Graus sein, wie man von Marktteilnehmern hört – die Behörde selbst sagt dazu nichts.

Dass es die Idee einer Befugnis-Ausweitung gibt, bestätigt hingegen ein anderer Marktteilnehmer, von dem man sonst nur selten hört. Aus der Anlegerentschädigung für Wertpapierfirmen (AeW), heißt es, das BMF habe unter anderem bezüglich einer Kompetenzausweitung Kontakt aufgenommen. Man spreche etwa über Auswirkungen auf die Entschädigungseinrichtung und deren Gesellschafter, so AeW-Geschäftsführer Johannes Gotsmy.

Nachdenken über die Trennung von Firmen- und Kundengeldern
"Wir führen unter anderem eine Diskussion, wie man Firmen- und Kundengeld trennt", so Gotsmy. Er selbst betrachtet die Angelegenheit pragmatisch: "Das System hat bis jetzt gut funktioniert", sagt Gotsmy. Natürlich würde durch neue Befugnisse "eine Schranke aufgemacht." Andererseits arbeite die Branche professionell, und ein größerer Spielraum führe wohl nicht zwingend zu Problemen.

Eingerichtet wurde die AeW, die im Entschädigungsfall bis zu 20.000 Euro auszahlt, aufgrund von EU-rechtlichen Vorgaben. Nach Ansicht von Juristen, mit denen die Redaktion sprach, dürfte es das Konstrukt der AeW jedoch in Österreich eigentlich nicht geben, da die WPF ja wie erwähnt gar keine Finanzinstrumente von Kunden halten sollten. Kunden bekommen ihre Wertpapiere im Problemfall schlicht vom Masseverwalter ausgefolgert.

Folgen für die Anlegerentschädigung
Dennoch: Zum Erstaunen vieler Beobachter kam die Wertpapierentschädigung bereits zweimal zum Einsatz, nämlich bei den Skandalen AvW und Amis. Die Gerichte urteilten damals, dass die AeW auch konzessionswidriges Verhalten deckt – also wenn Firmen Geld ­annehmen, obwohl sie das gar nicht dürften. Über diese erweiterte Aus­legung war natürlich der redlich arbeitende Rest der WPF (die den AeW-Topf befüllen müssen) nicht erfreut. Viele ­waren daher sehr erleichtert, als im Zuge der Novelle des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) der Gesetzgeber anmerkte, dass die AeW für solche Fälle nicht gedacht ist.

Sollte es nun tatsächlich zu einer Erlaubnisausweitung kommen, würden wohl die AeW respektive ihre Mitglieder zu den ersten zählen, die sich erneut Gedanken über die Folgen machen müssten.

Wertpapierdienstleistungsunternehmen voraussichtlich nicht betroffen
Nicht der IFD/IFR unterliegen dürften aller Voraussicht nach die Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) ohne Portfolioverwaltung, wie aus WKO-Unterlagen hervorgeht. (eml)


Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 3/2021 von FONDS professionell ab Seite 254. Der Beitrag kann auch im E-Magazin nachgelesen werden.