Am 2. August dieses Jahres ist es so weit: In der Anlageberatung müssen Kunden auch zum Thema Nachhaltigkeit aufgeklärt werden. Im individuellen Anlegerprofil müssen künftig zusätzlich zu den Kenntnissen und Erfahrungen sowie den finanziellen Verhältnissen, den Anlagezielen und der Risikobereitschaft auch Nachhaltigkeitspräferenzen erfasst werden. Welche neuen Pflichten treffen also Anlage­berater in der Zukunft genau? Der Berater muss die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden ermitteln sowie Informationen ­darüber einholen, ­inwieweit der Kunde in nachhaltige Anlageprodukte investieren möchte. In einem nächsten Schritt muss er jene Finanzprodukte identifizieren, die – in Übereinstimmung mit den übrigen erforderlichen Kundenkriterien – die Präferenzen des Anlegers zum Thema Nachhaltigkeit erfüllen. Entspricht ein Finanzinstrument nicht den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden – das Instrument ist also für den Anleger nicht "geeignet" –, darf der Anlageberater es nicht empfehlen. Weiters müssen institutionelle Anleger und Vermögensverwalter offenlegen, inwieweit Nachhaltigkeitskriterien bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden. 

Zusätzlich werden neue organisatorische Anforderungen an Wertpapierfirmen gestellt. Anlageberater und andere Mitarbeiter müssen über sämtliche Nachhaltigkeits­themen angemessen geschult werden, sodass sie in weiterer Folge ihre Kunden darüber aufklären können, was unter einem nachhaltigen Finanzprodukt zu verstehen ist. 

Doch genau jene Fragen, welche Instrumente überhaupt als nachhaltig zu klassi­fizieren sind und wann ein Finanzinstrument die individuellen Nachhaltigkeits­präferenzen eines Anlegers erfüllt, waren lange Zeit umstritten. Die Europäische Kommission hat neue Maßnahmen ergriffen, die die Finanzunternehmen bei der praktischen Umsetzung der bevorstehenden Pflichten unterstützen sollen. Die Europäische Kommission hat am 6. April 2022 in Form einer Delegierten Verordnung die lang erwartete endgültige Fassung der technischen Regulierungs­standards (RTS) im Sinne der EU-Offen­legungsverordnung (SFDR) finalisiert. 

Neue Regulierungsstandards
Aus der seit März 2021 geltenden Offenlegungsverordnung erwächst eine Offen­legungspflicht für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater bezüglich Nachhaltigkeitsrisiken. Die nun vorhandenen insgesamt 13 technischen Regulierungsstandards umfassen neben dem Haupttext des Delegierten Rechtsaktes das Muster für die Erklärung über negative Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit und Vorlagen für die vorvertragliche und die regelmäßige Offenlegung von Finanzprodukten nach Artikel 8 und Artikel 9 der SFDR. 

Die Regulierungsstandards sollen eine Hilfestellung für Anlageberater sein, um die Nachhaltigkeitsleistung von Finanzprodukten zu bewerten. Im Mittelpunkt stehen hierbei Produkte, die ökologische oder soziale Merkmale (oder eine Kombination aus diesen) aufweisen (Artikel 8 SFDR), und jene, mit denen eine nachhaltige Investition angestrebt wird (Artikel 9 SFDR). Eine abschließende Definition enthalten auch diese Bestimmungen nicht. ­Allerdings stellen sie klar, dass etwa das ­Berücksichtigen der wichtigsten negativen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren relevant ist. Weiters beinhalten sie eine Liste von bestimmten Instrumenten, die jedenfalls nicht als Förderung der ökologischen oder sozialen Merkmale angesehen werden. Erfreulich ist die Klarstellung, dass ein Produkt weiterhin als nachhaltig ­eingestuft werden kann, auch wenn damit zum Teil nicht nachhaltige Investitionen getätigt werden, solange diese Investitionen nur nach sektorspezifischen Vorschriften erforderlich sind. Neben den bevorstehenden Beratungspflichten trifft Anlageberater die Pflicht, ­bestimmte Informationen auf ihrer Webpräsenz zu veröffentlichen. In dieser Erklärung müssen die Berater einerseits das ­Verfahren für die Auswahl von Finanzprodukten, zu denen sie beraten, erläutern. ­Andererseits ist die Frage zu beantworten, wie sie die von den Finanzmarktteilnehmern (wie etwa AIFM und OGAW-Verwaltungsgesellschaften) veröffentlichten Informationen nutzen.

Unbeantwortete Fragen
Die Vorlagen für die Offenlegung von Finanzprodukten nach Artikel 8 und Artikel 9 SFDR geben schon einige Anhaltspunkte für Finanzunternehmen und Anlageberater, welche Details bei der Unter­suchung von Finanzprodukten bezüglich diverser Nachhaltigkeitskriterien beachtet werden müssen, um eine entsprechende Klassifizierung als nachhaltiges Finanzinstrument vornehmen zu können. Offen bleibt dennoch die Frage, wann eine Investition – auf die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abgestimmt – tatsächlich als nachhaltig angesehen werden kann. Die RTS werden derzeit vom Europäischen Parlament und vom Rat geprüft. Da noch nicht einmal das Gesetz final abgestimmt ist, ist derzeit freilich noch ­offen, wie die Rechtsprechung mit dem Thema in Zukunft umgehen wird. Ungeachtet dessen haben sich in Deutschland bereits die ersten Gerichte damit beschäftigt, wobei die Entscheidungen aufzeigen, wohin die Reise gehen wird. 

Vorsicht bei Anpreisung
Das Landgericht Stuttgart musste sich in einer jüngeren Entscheidung vom 31.1.2022 (36 O 92/21 KfH) mit der Irreführungsgefahr im Bereich umweltbezogener Werbung auseinandersetzen. Beklagte Partei in der gegenständlichen Rechtssache war eine Gesellschaft, die AIF auflegt und vertreibt. Auf ihrer Website bewarb sie ­unter anderem einen AIF, der in konkrete Projekte investierte. Über Ökostrommengen sollte dabei das Ausmaß des vermiedenen CO2-Abdrucks nachvollziehbar sein. Daraus ergab sich eine Zielsetzung von mindestens 3,5 Tonnen CO2-Vermeidung pro 10.000 Euro Anlagesumme pro Jahr. Auf der Website der Beklagten konnte der Nutzer seinen persönlichen "CO2-Fußabdruck" ermitteln. Diesem Wert wurde dann ein durch das beworbene Investment avisierter "CO2-Ausgleich" gegenübergestellt (genaue Angabe in Tonnen CO2, abhängig vom Investitionsvolumen). (gp)


Den vollständigen Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe 2/2022 von FONDS professionell, die mittlerweile an die Leser ausgeliefert wurde oder im E-Magazin.