Das österreichische Bundeskriminalamt (BK) hat einen großen Schlag gegen die organisierte Internetkriminalität bekanntgegeben. Einem Täterring wird vorgeworfen, mit Finanzprodukten wie binären Optionen, Forex oder Kryptowährungen europaweit mehrere tausend Personen um jährlich etwa 100 Millionen Euro pro Jahr betrogen zu haben. Die Produkte wurden über etliche manipulierte Online-Trading-Plattformen verkauft, wie das BK mitteilt. Nun wurde einer der Hauptverdächtigen festgenommen.

Das Büro für Finanzermittlungen des Bundeskriminalamtes ermittelte bereits seit September 2017 gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Niederösterreich (LKA) unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Feldkirch (Vorarlberg). Die Täter gingen so vor, dass sie die Opfer mit Sicherheitsversprechen köderten. Eine Auszahlung war aber nie geplant, wie die Ermittler feststellten.

"Kaum Risiko" – zumindest für die Hintermänner
Suggeriert wurde, dass kaum Risiken bestehen: Ab gewissen Summen würden Versicherungen gegen Kapitalverluste einsetzen. Nach den ersten Einzahlungen wuchs das virtuelle Depot durch mehrere vermeintlich "gewonnene Transaktionen" rasant an, beschreibt das BK die Strategie. Call-Center-Mitarbeiter wurden angewiesen, den Kunden eine Auszahlung der Erträge auszureden – beziehungsweise, nach einem inszenierten Totalverlust – die Anleger zu neuerlichen Einzahlungen zu verleiten, um die erlittenen Verluste wieder auszugleichen. Dabei konnten die Täter laut den BK-Angaben die Kurse der einzelnen Trades beeinflussen. "Diese Softwarelösungen wurden ebenfalls durch Firmen im Besitz der Tätergruppierung entwickelt und an Interessenten für kriminelle Machenschaften verkauft", heißt es.

Was die Kunden nicht wissen konnten: Das einbezahlte Geld befand sich längst "in einem aus Tarn- und Scheinfirmen bestehenden, aufwändig konstruierten Geldwäschereinetzwerk“. Guthaben seien nicht ausbezahlt, sondern als Verlust ohne Legitimierung des Accountinhabers durchgeführt worden. "Dies führte unweigerlich zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Hinweise auf Rücklagen für mögliche Gewinnauszahlungen konnten im gesamten Ermittlungsverfahren keine gefunden werden", so das BK.

Länderübergreifendes Netzwerk
Laut den Angaben wurden die Opfer hauptsächlich über soziale Netzwerke, Anrufe aus eigens geschaffenen Call-Centern oder Massenmails angeworben. Die Tätergruppierungen haben "mit unzähligen Tarn- und Scheinfirmen eine konzernähnliche Struktur geschaffen, in der Aufgaben wie Marketing, Call-Center-Betrieb, Softwareentwicklung und Geldwäscherei unabhängig voneinander unter einer Führung arbeitsteilig erledigt wurden".

Nachdem die österreichischen Ermittler die Spur aufgenommen hatten, folgte eine Zusammenarbeit mit deutschen Behörden, und es wurde eine gemeinsame Ermittlungsgruppe eingerichtet. Auch Verbindungsbeamte in Bulgarien und Tschechien lieferten wesentliche Beiträge; in diesen Ländern hatten die Tatverdächtigen große Teile ihrer Infrastruktur wie Call-Center, Softwareentwicklung und Firmenkonten angesiedelt.

Schadenssummen dürften noch steigen
Das BK listet auf seiner Homepage etliche Trading Plattformen auf, die der Tätergruppe zugerechnet werden. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wurde allein über diese Plattformen ein Umsatz von zumindest 66 Millionen Euro erwirtschaftet. Davon entfallen elf Millionen Euro auf Einzahlungen aus Deutschland und Österreich. Die österreichischen Behörden gehen jedoch davon aus, "dass sich diese Summen nach genauer Auswertung der sichergestellten Daten noch um ein Vielfaches erhöhen".

Es gab europaweit Durchsuchungen in 21 Firmen sowie an vier Privatadressen von Verdächtigen. Dabei wurden "einige Terabyte Daten, Geschäftsunterlagen und ein sechsstelliger Geldbetrag sichergestellt". Außerdem wurden insgesamt 14 Konten sichergestellt und ein Hauptverdächtiger festgenommen. Dieser befindet sich in Auslieferungshaft in Bulgarien. (eml)