Die Wertpapier-KESt-Befreiung nach einer Behaltefrist, wie sie im Regierungsprogramm angekündigt ist, ist tot, sagen Involvierte in einem Artikel, der in voller Länge in der aktuellen FONDS-professionell-Printausgabe erscheint. Das im Raum stehende Vorsorgedepot halten viele für eine Schmalspurversion. Doch selbst bei dieser Variante stockt es. Die Grünen wollen von einer Umsetzung nichts wissen.

Das macht die grüne Finanzsprecherin Nina Tomaselli klar, die eine umfassende redaktionelle Anfrage zur KESt mit knappen Worten vom Tisch wischt: Nur zehn Prozent der Österreicher würden Aktien halten, und diese "gehören in der Regel zu den Reichsten". Die Grünen möchten lieber jene unterstützen, die unter der Teuerung und den vielen Krisen leiden. "Ein Aussetzen der KESt hilft bei dieser Zielerreichung nicht", argumentiert Tomaselli. Die Frage nach der Ablehnung einer KESt-Befreiung beantwortet sie mit einem konkreten "Ja".

"Zu viele Fragen offen"
Eine zeitnahe Einigung auf die versprochene Lösung scheint immer unwahrscheinlicher. Angesprochen darauf, ob in dieser Legislaturperiode noch ein Vorsorgedepot oder ähnliches kommt, meint Tomaselli, es seien "zu ­viele Fragen offen".

Auf der Gegenseite herrscht hörbar Unmut. Namentlich will sich niemand äußern. Inoffiziell klagen die von der Redaktion befragten involvierten Personen aus den Bereichen Fonds, Banken, Versicherungen: "Es gibt momentan keine politischen Gespräche." Die Grünen würden sich technisch nicht einbringen. Aus dem Finanzministerium (BMF) wird das nicht direkt bestätigt. Stattdessen heißt es, man dränge "weiter auf Fortschritte bei der Einführung der Behaltefrist".

Der aktuelle Vorschlag des BMF sieht ein Vorsorgedepot vor, das Steuerpflichtige bei ihrer Bank eröffnen können. In dieses darf jährlich ein Maximalbetrag einbezahlt und in Fonds, Anleihen oder Aktien investiert werden. Nach der Mindestlaufzeit soll eine Verlängerung möglich sein, heißt es beim BMF. Danach sind etwaige Wertsteigerungen (Substanzgewinne) steuerbefreit. Die laufenden Erträge hingegen – also Zinsen und Dividenden (bei Fonds "ordentliche Erträge") – müssen weiterhin "verkestet" werden. Vorzeitige Entnahmen müsste man also generell nachversteuern, auf laufende Erträge indes dürfte man voraussichtlich jederzeit zugreifen, da sie ja regulär versteuert sind.

Staffelung statt Einheitsfrist
Genaue Behaltefristen nennt das BMF nicht. Ein Branchenfachmann, der unter anderem auf interne Gespräche zwischen BMF und Bankensparte verweist, sagt jedoch, dass Überlegungen in Richtung einer Altersstaffelungsregelung gehen. So könnte etwa ein 30-jähriger Anleger eine Bindefrist von zehn Jahren bekommen, während ein 45-jähriger möglicherweise sein Geld bereits nach sieben Jahren KESt-frei entnehmen könnte. Frühere Pläne, wie eine zweijährige Frist oder später eine fünfjährige, scheinen rechtlich auf dem Abstellgleis.

Denn die Endbesteuerung von Veräußerungsgewinnen steht im Verfassungsrang; eine Änderung bräuchte eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Ausnahmen erlaubt das Gesetz nur für die Pensionsvorsorge, wie Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Steuerrechtlerin an der Universität Wien, bereits vor gut einem Jahr betonte. Bei zu kurzen Behaltefristen kann man nicht mit Pensionssparen argumentieren. Mit dem Kniff der Altersstaffelung könnte man hingegen der Verfassung gerecht werden, erklärt der Branchenfachmann gegenüber der Redaktion. All das ist jedoch ohne die Zustimmung der Grünen derzeit reines Wunschdenken. 

"Die KESt-Befreiung ist tot"
Fix ist bis jetzt eines: Die Wiedereinführung der Behaltefrist, wie es sie in Österreich bis Ende 2011 gab (und wie sie manche auf Basis des Regierungsprogramms erhofften), wird nicht kommen. Einst waren Wertsteigerungen nach einem Jahr Haltefrist steuerfrei. Die aktuelle Endbesteuerung in Höhe von 27,5 Prozent unabhängig von der Dauer des Investments gilt seit 2012. Und dabei soll es grundsätzlich bleiben. "Die KESt-Befreiung ist tot", sagt ein Vertreter der Bankenseite.

"Das Vorsorgedepot ist nur ein Puzzlestein in der Stärkung des Kapitalmarktes, aber kein Ersatz für die Behaltefrist", sagt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich. "Wir müssen in Österreich bis zum Jahr 2030 145 Milliarden Euro investieren, um die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Auch die Grünen müssten sehen, dass die Behaltefrist da ein viel größerer Hebel ­wäre", so Rudorfer.

Probleme bei zu kleinem Rahmen
Andere Marktteilnehmer wünschen sich ebenfalls umfassendere Lösungen. Sie haben oft Bedenken, dass ein Vorsorgedepot mit zu starken Einschränkungen am Markt floppt. Eine Sorge: zu tiefe Maximalbeträge. Erstens hätten Anleger dann keinen Anreiz. Zweitens könnten die Banken den Hut drauf werfen; sie müssen ja die KESt-Abfuhr an das Finanzamt bewerkstelligen. Eine Systemumstellung wegen Mickymaus-Beträgen ist für sie kaum attraktiv.

Thomas Wilhelm, Leiter Asset Management Tax bei EY, gibt ein Beispiel, welche Herausforderungen auf die Institute zukommen. So werden etwa bei Anleihen derzeit die Stückzinsen gesetzlich als Teil der Substanzgewinne (Wertzuwachs) betrachtet. "Das muss man wieder auseinanderdröseln", so Wilhelm. (eml)


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