Bei der Übernahme eines börsennotierten Unternehmens sehen sich Käufer immer wieder mit renitenten Aktionären konfrontiert. Die widerspenstigen Anteilseigner fordern meist einen Nachschlag. Doch kaufwillige Konzerne standen zuletzt auch einer wachsenden Gruppe von Investoren gegenüber, die nicht auf ein aufgebessertes Angebot drängen – und dennoch ihre Aktien nicht zum Kauf anbieten.

Als überraschender Hemmschuh bei Transaktionen entpuppten sich vielmehr herkömmliche und börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Grund hierfür ist der sagenhafte Boom von Indexinvestments. So offenbart ein Blick auf den Streubesitz der im deutschen Leitindex Dax notierten Konzerne: Immerhin fast 24 Prozent des Investorenkapitals verfolgt hier eine passive Strategie.

Indexfonds in der Zwickmühle
Der zunehmende Anteil in den Händen passiver Investoren liegender Aktien kann zur Blockade einer Kaufofferte führen – ungewollt, wohlgemerkt. Denn die Indexfonds stecken in einem Dilemma. "Da ETFs die Wertentwicklung eines Index widerspiegeln müssen, dürfen sie ein Übernahmeangebot in der Regel so lange nicht annehmen, wie das Zielunternehmen im betreffenden Index gelistet ist", sagt Dirk Schmidbauer, Rechtsanwalt bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln.

Erst wenn sich die Zusammensetzung des Index ändert und das Zielunternehmen ausscheidet, darf der ETF die von ihm gehaltenen Aktien andienen. "Die von Indexfonds gehaltenen Aktien stehen für die Erreichung der Mindestannahmeschwelle bei Übernahmeangeboten somit zunächst nicht zur Verfügung", folgert Schmidbauer.

Zum Scheitern verurteilt
In der Regel laufen eine Übernahme und die folgende Indexumstellung in Etappen ab. "Ein Übernahmeangebot umfasst zwei Annahmefristen", erklärt der Anwalt. Bis zum ersten Termin müssen die Aktionäre des Kaufziels kundtun, ob sie die Offerte annehmen und ihre Aktien anbieten. Bei Dax-Unternehmen beispielsweise tauscht die Deutsche Börse die Aktien des Übernahmekandidaten gegen die – mit einer separaten Wertpapierkennnummer gekennzeichneten – angedienten Aktien erst aus, wenn die Schwelle von 50 Prozent überschritten ist.

"Wurden die erforderlichen Annahmeschwellen erreicht, können häufig auch Indexfonds ihre Aktien im Rahmen der zweiten Frist andienen", führt Schmidbauer aus. "Wie hoch die Quoten jeweils liegen, richtet sich nach den Richtlinien des Index", sagt der Jurist. "Im Einzelfall unterscheiden sich die Bedingungen, was Übernahmeverfahren komplizierter macht." Erlangt ein Bieter also bereits zur ersten Frist nicht genug Aktien, bleiben auch die von Indexfonds gehaltenen Titel aus – und die Transaktion droht insgesamt zu scheitern.

Unüberwindliches Hindernis
Neben den von den Indexbauern gesetzten Quoten rufen die Käufer zudem eigene Schwellen aus, die sie für eine erfolgreiche Übernahme anstreben. Immerhin wollen die Bieter ja eine Kontrollmehrheit erlangen. So galt eine Annahmequote von 75 Prozent als üblich. In Deutschland etwa ermöglicht diese Schwelle den Abschluss sogenannter Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge.

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Indexinvestoren entpuppen sich solche Schwellen jedoch immer häufiger als unüberwindliches Hindernis. Das Problem lässt sich auch nicht mit Geld lösen – anders als im Fall aktivistischer Investoren. Denn die Indexfolger dürfen das Angebot selbst dann nicht annehmen, wenn es den aktuellen Börsenkurs übersteigt und damit wirtschaftlich attraktiv ist. "Die Anlagebedingungen verpflichten die Fonds zur Abbildung eines Index und nicht dazu, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen", erläutert CMS-Experte Schmidbauer. So rutschen ETFs in die Rolle des Bremsers, obwohl sie Übernahmen oder Fusionen eigentlich gar nicht blockieren wollen.

"Dilemma ist lösbar"
Doch es gibt Auswege. "Das Dilemma der Indexfonds ist lösbar", meint Schmidbauer. Bieter können schlicht die Mindestannahmeschwellen heruntersetzen. So senkten die Finanzinvestoren Bain und Cinven noch während des ersten Anlaufs für den Erwerb des Pharmakonzerns Stada die Quote auf 67,5 Prozent. Beim zweiten Versuch ersuchten sie gar nur um eine Zustimmung von 63 Prozent, die sie letztendlich erhielten. "Nunmehr läuft es häufig auf eine Quote von 50 Prozent heraus", sagt der Anwalt. "Einzelne Stimmen empfehlen gar die Herabsetzung auf unter 50 Prozent." So werden Bieter bei ihren Offerten künftig den Anteilsbesitz von Indexfolgern genau einkalkulieren müssen. (ert)


Welche weiteren Auswege den Bietern offenstehen und warum Indexfonds aktivistischen Investoren Vorschub leisten, lesen Sie in der vollständigen Version des Artikels, der in der aktuellen Ausgabe 2/2023 von FONDS professionell erschienen ist. Nach Anmeldung ist der Text auch hier im E-Magazin zu finden.