Wohl selten war ein umweltpolitisches Vorhaben innerhalb der Europäischen Union so umstritten wie die letzten Details zur Taxonomie, jenem Klassifizierungssystem also, mit dem die EU-Kommission definiert, welche Wirtschaftsaktivitäten künftig als klima- und umweltfreundlich gelten. Wichtig ist das unter anderem für die Frage, welche Fonds als nachhaltig vermarktet werden dürfen.

Schon im April 2021 hatte die Brüsseler Behörde einen entsprechenden "delegierten Rechtsakt" vorgelegt. Die heikle Frage aber, wie Investitionen in Erdgas- und Kernkraftwerke einzustufen sind, musste seinerzeit ausgeklammert werden – zu groß war die Uneinigkeit unter den Mitgliedsstaaten. Während die einen diese Form der Energiegewinnung unter keinen Umständen als nachhaltig einstufen wollen, sehen andere sie als nötige Übergangstechnologie, ohne die ein Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität niemals gelingen kann.

Ein in der Silvesternacht vorgelegter Entwurf zeigte, wie der Kompromiss aussah, den die EU-Kommission sich vorstellte: Demnach gelten Erdgaskraftwerke als nachhaltige "Übergangsaktivität", wenn sie Kohlemeiler ersetzen und der Betreiber zusichert, bis 2035 auf klimafreundliche Brennstoffe wie Wasserstoff oder Biogas umzusteigen. Atomkraft ist in Ordnung, wenn das Kraftwerk neuesten Standards entspricht und die Endlagerfrage geklärt ist.

Umfrage unter Finanzberatern
Die Protestnoten, die unter anderem die Berliner und die Wiener Regierung in Brüssel einreichten, konnten kaum etwas bewirken: Am Mittwoch (2.2.) wurde der Rechtsakt ohne wesentliche Änderungen veröffentlicht. Jetzt können nur noch das Europäische Parlament oder der EU-Ministerrat die Taxonomie stoppen, was allerdings als unwahrscheinlich gilt. Österreich und Luxemburg wollen zudem vor dem EU-Gericht gegen das Klassifizierungssystem in seiner aktuellen Fassung vorgehen – mit eher dürftigen Erfolgsaussichten.

Realistisch betrachtet läuft also alles darauf hinaus, dass Nachhaltigkeitsfonds künftig auch Aktien und Anleihen von Gas- und Atomkonzernen enthalten dürfen, aber natürlich nicht enthalten müssen. Was bedeutet das Ihrer Ansicht nach für die ökologische Geldanlage? Sie als Finanzberater sind aufgerufen, an unserer kurzen Umfrage teilzunehmen – Ihre Meinung interessiert uns! (bm)