Seit der Insolvenz von Golending im Juli 2022 versuchen betroffene Anleger und deren Anwälte zu retten, was noch möglich ist. Da in der Masse fast kein Vermögen vorhanden ist, werden nun jene Sachverständigen belangt, die mit ihren Bestätigungsvermerken die Richtigkeit von Unternehmensunterlagen attestiert haben. Insbesondere die Nachrangdarlehenanleger hoffen, dass sie auf diesem Weg etwas von ihrem Geld wiedersehen können.

Golending betrieb nach eigenen Angaben ein Pfandleihgeschäft, dessen Erfolg das Unternehmen stets in den höchsten Tönen pries. Nun zeigt ein Blick in die Insolvenzmasse: Es sind momentan nur knapp 350.000 Euro da – verteilt auf alle, die derzeit von Golending Geld fordern, würde das bedeuten, dass jeder nur 1,8 Prozent seines Investments wiederbekommt. Denn die bisher angemeldeten Forderungen belaufen sich laut der Anleihenkuratorin Susi Pariasek auf rund 19,1 Millionen Euro – Geld, das Anleger dem Unternehmen geliehen und nicht zurückerhalten haben. Etliche Gläubiger dürften ihren Schaden gar nicht eingebracht haben. Die Wiener Kanzlei Aigner Lehner Zuschin verweist auf einen insgesamten Anlegerverlust von knapp 28 Millionen Euro.

Kleinanlegern droht der Totalverlust
Fix angemeldet sind jedenfalls rund 3,1 Millionen Euro an Nominal- und Zinsbeträgen aus einer Golending-Anleihe. Dazu kommen rund 16 Millionen Euro an "potenziellen" Forderungen jener Anleger, die auf Nachrangdarlehen sitzen. "Potenziell" deshalb, weil sie der Masseverwalter derzeit nicht anerkennt, da Nachrangdarlehen charakteristischerweise eben genau bei Insolvenz als letzte bedient werden (die Redaktion berichte). Mehrere Gerichtsverfahren zur Anerkennung der Nachrangdarlehen laufen; auch vor dem OGH. Es dürfte noch länger dauern, bis hier Entscheidungen fallen, und ob die Geschädigten dann wirklich Geld sehen, ist höchst ungewiss.

Bereits jetzt steht fest: Selbst die Investoren der Anleihe, die auf Rückflüsse aus der Konkursmasse hoffen können, werden aus dem vorhandenen Vermögen annähernd nichts zurückbekommen. Bei den Nachrangdarlehen, die im Unterschied zur Anleihe weitgehend von Klein- und Kleinstanlegern gezeichnet wurden, sind die Chancen auf Rückflüsse äußerst gering. "Aus Sicht der Darlehensgläubiger ist de facto von einem Totalausfall des Investments auszugehen", sagt der Wiener Rechtsanwalt Maximilian Weiser (Kanzlei Aigner Lehner Zuschin).

Ansprüche an Prospektkontrollor
Er hat den Fall in den vergangenen Monaten gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Jancuska aufgearbeitet und ist dabei auf zahlreiche fragwürdige Details gestoßen. Es gebe Ungereimtheiten, die Sachverständigen wie einem Prospektkontrollor auffallen hätten müssen, so Weiser gegenüber der Redaktion. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Weiser fordert nun Schadenersatz vom Kontrollor eines im Jahr 2015 erstellten Prospekts zu dem es einen Nachtrag aus dem Jahr 2018 gibt. Unter anderem habe der Fachmann nicht erkannt, dass Golending Kreditgeschäfte getätigt habe, ohne die dafür nötige Bankkonzession zu besitzen. Ganz generell sehen die Anwälte in den Bilanzen Tätigkeiten in Zeiträumen, in denen Golending nicht einmal irgendeine Gewerbeberechtigung besaß. Auch dies hätte der Kontrollor nach Ansicht der Juristen beanstanden müssen.

Zu rosige Wirtschaftslage, unklare Buchungen
Dazu komme, dass die Vermögenssituation im Prospekt ungerechtfertigt positiv dargestellt worden sei. Es geht um mehrere Aspekte. Einer davon sind enorme Provisionen, die in Bilanzzahlen das Dreifache dessen ausmachten, was rechnerisch aufgrund kommunizierter Angaben zu erwarten gewesen wäre. Wenn man nachrechnet, sei darüber hinaus die tatsächliche Kapitalmarktrentabilität um ein Vielfaches tiefer als die hoch zweistelligen Werte, die aus den Prospekten hervorgehen. Etliche weitere Kritikpunkte werden in einem Aufforderungsschreiben aufgeführt, das dem Prospektkontrollor übermittelt wurde.

Sowohl die Vermögensberater, die die Golending-Investments vermittelt haben, als auch deren Kunden seien auf Basis der Prospektangaben von einem rentablen Geschäftsmodell ausgegangen. De facto hätte ein Prüfer jedoch schon beim ersten Nachrangdarlehen 2015 mit Blick auf die Bilanzzahlen genauere Fragen stellen müssen. So sind dem Team Weiser in hohem Maß unklare Forderungsverbuchungen aufgefallen, darunter eine Doppelbuchung. Aus Sicht der Anwälte wäre etwa ohne die fragliche Doppelung schon damals eine Insolvenz im Raum gestanden. "Wären die zentralen Punkte des Geschäftsmodells und insbesondere die damit verbundenen Risiken in den Prospekten ordnungsgemäß offengelegt worden, hätte Golending im Jahr 2015 überhaupt keine Nachrangdarlehen mehr am Markt durch Vertriebspartner platzieren können", so Weiser.

Die Redaktion, der die Unterlagen zu den Vorwürfen vorliegen, hat den Prospektkontrollor um Stellungnahme zu den konkreten Punkten gebeten. Das Unternehmen beruft sich auf seine Verschwiegenheitspflicht als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Auch Golending-Geschäftsführer Dirk Morina wurde kontaktiert. Mails und Anrufe liefen jedoch ins Leere. Anfragen an das direkte Umfeld Morinas blieben ebenso unbeantwortet. Mit der Sache befasste Experten geben gegenüber der Redaktion an, dass auch sie Morina nicht erreichen können. Es gilt bei allen Genannten die Unschuldsvermutung.

Wo sind die Pfandhäuser?
Im Fall Golending zeigt ein Blick in die Jahresabschlüsse und Bilanzen, dass an vielen Stellen nicht klar ist, wohin das Geld genau floss. Zum Beispiel betont das Unternehmen in den Prospekten seine Zusammenarbeit mit zahlreichen Pfandhäusern europaweit. Wer diese sind, bleibt weitgehend offen, denn Namen findet man kaum. Prominent ist einzig das angebliche Salzburger "Pfandhaus Mielke". Gegenüber Mielke wurden im Verlauf der Jahre hohe Forderungen aufgebaut. Bereits in der Bilanz 2014 waren es knapp 1,6 Millionen Euro und damit mehr als 61 Prozent der gesamten damaligen Bilanzsumme. Der verliehene Betrag steigerte sich auf fast acht Millionen im Jahr 2018, wo er erneut der größte einzelne Forderungenposten war.

Mielke hat nach Prospektangaben mit dem Geld von Golending Pfandleihegeschäft betrieben. Bei den hohen Umsätzen, die aus den Golending-Angaben abzuleiten sind, hätte das Unternehmen vermutlich rechnungslegungspflichtig sein müssen. Davon geht auch Anwalt Weiser aus. Im amtlichen österreichischen Firmenbuch existiert der Name Mielke jedoch selbst unter den gelöschten Firmen nicht.

Pfandleiher, Matratzenreinigung, Feuerlöscherwartung
Nach Auskunft der Gewerbebehörden in Salzburg gab es mit der Gewerbeberechtigung "Pfandleiher" nur Michael Alexander Mielke und zwar im Zeitraum von 24.02.2012 bis 29.03.2018. Exakt im selben Zeitraum hatte Mielke zwei weitere Gewerbe angemeldet, nämlich zur Tiefenreinigung von Matratzen, Teppichen und Polstermöbeln sowie zur Wartung von Handfeuerlöschern. In Salzburg kannte man Mielke nicht, sagte eine örtliche Sprecherin der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer, zu denen die Pfandleiher gehören. Mielke habe sich auch nicht im Verteiler der Finanzdienstleister befunden. Der Weg Mielkes in Österreich verliert sich nach Deutschland, nachdem der KSV1870 im März 2018 eine Insolvenz meldet. Der Gläubigerantrag wurde mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. 

Die Gläubiger von Golending versuchen unterdessen ebenfalls, das Puzzle der Geldflüsse zusammenzusetzen. "Warum ist von all den Millionen nichts mehr da?", sagte einer gegenüber der Redaktion. Die Betroffenen beklagen nach Kenntnis der Unterlagen insbesondere, dass kurz vor der Insolvenz noch hohe Geldbeträge aus dem Unternehmen abgeflossen sind. Auch geht aus den Aufarbeitungen hervor, dass Golending insbesondere zum Schluss die Pfandgegenstände nicht mehr sachgemäß belehnt hat. So wurde etwa nur der Typenschein anstatt (wie gesetzlich nötig) das Auto an sich übernommen.

Großteil des Geldes ist nicht einbringlich
Dass das Geschäft nicht nachhaltig betrieben wurde, zeigt sich auch daran, dass der allergrößte Teil des Geldes, das Golending den Pfandkreditkunden gegen Ende lieh, schlicht und einfach hinfällig ist. Von insgesamt rund 7,5 Millionen Euro gelten laut dem jüngsten Bericht von Anleihenkuratorin Susi Pariasek sechs Millionen Euro bereits als nicht einbringlich. Die Kunden, an die Golending das Geld vergab, gehen der Reihe nach pleite.

Der Masseverwalter, Michael Ludwig Lang, hat Müh und Not, die Forderungen im In- und Ausland einzutreiben. Auch er muss sich unter anderem mit der fehlerhaften Verbuchung von Forderungen herumschlagen, wie dem Bericht der Anleihenkuratorin zu entnehmen ist.

Weitere Schadenersatzforderungen an Fachpersonen
Neben der Verantwortung der Prospektkontrollore prüft die Kanzlei Aigner Lehner Zuschin soeben die Rolle weiterer Fachpersonen. Juristen, die bei der Prospektgestaltung involviert waren, könnten ebenso belangt werden wie Steuerberater, die für Golending die Jahresabschlüsse erstellt haben. Die Kanzlei vertritt nach eigenen Angaben über 150 Geschädigte. (eml)