Der europäische Fondsverband EFAMA beschäftigt 16 Mitarbeiter in Brüssel. Sechs davon beschäftigen sich mit Regulierungsthemen – aus gutem Grund, schließlich bringen die EU-Behörden ein Gesetzesvorhaben nach dem anderen auf den Weg, und viele davon betreffen direkt oder indirekt die Asset-Management-Branche. Vincent Ingham, der Chef der EFAMA-Regulierungsabteilung, gibt im Interview mit FONDS professionell ONLINE einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Brüsseler Projekte.


Herr Ingham, derzeit liegen auf den Tischen der EU-Institutionen zahlreiche Regulierungsvorhaben, die die Fondsbranche betreffen. Lassen Sie uns mit einem recht überschaubaren Projekt anfangen, dem "Pan-European Personal Pension Product" (PEPP), der europaweiten privaten Altersvorsorge. Was halten Sie davon?

Vincent Ingham: Es war die EFAMA, die vor fast zehn Jahren die Idee zu PEPP hatte. Darum dürfte es Sie nicht verwundern, dass wir die Grundidee richtig finden. Die Europäer können zwar längst in jedem anderen Land der EU arbeiten, aber es ist kaum möglich, die Altersvorsorge mitzunehmen. Hier ist der Markt viel zu fragmentiert, was den Wettbewerb behindert und die Produktauswahl der Verbraucher beschränkt. Ein Arbeitnehmer, der in seinem Berufsleben einige Mal innerhalb der EU umzieht, sammelt so diverse Pensionspläne. PEPP löst dieses Problem, was eine wirklich gute Sache ist.

Wurden die Vorschläge der EFAMA denn eins zu eins umgesetzt?

Ingham: Nein, einige Punkte blieben in dem langen Prozess der Gesetzgebung auf der Strecke. Ursprünglich war beispielsweise vorgesehen, dass dem PEPP-Kunden, wenn er keine andere Wahl trifft, eine harte Kapitalgarantie angeboten wird. Diese Garantie ist jedoch mit Kosten verbunden und würde die Renditechancen unnötig schmälern. Besser wäre ein Lebenszyklusmodell, also ein Umschichten in weniger riskante Anlagen, je näher die Rente rückt. Wir setzen uns außerdem für flexible Auszahlungsoptionen ein, die zum Steuerregime der jeweiligen Mitgliedsstaaten passen.

Hat das PEPP denn eine Chance gegenüber nationalen Lösungen, die oft genug mit Steuervergünstigungen locken?

Ingham: Diese nationalen Steuervorteile müssten auch für PEPPs gelten. Im Fall eines Umzugs in ein anderes Steuerregime könnte das Geld in ein neues "Abteil" des PEPP fließen. So wäre sichergestellt, dass ein Arbeitnehmer in jedem Land die entsprechenden Vergünstigungen erhält.

Wann wird es die ersten PEPPs geben?

Ingham: Im Herbst finden die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Ministerrat und Parlament statt. 2019 dürfte das Paket verabschiedet werden. Bis das erste PEPP tatsächlich auf den Markt kommt, werden vermutlich zwei weitere Jahre vergehen.

PRIIPs ist schon Realität – leider, wenn es nach der Meinung vieler Beobachter geht. Für Fondspolicen sind die neuen Informationsblätter schon Pflicht. Für Ucits-Fonds gilt noch eine Ausnahme, aber die entsprechende Frist läuft Ende 2019 aus. Können Sie der Branche Hoffnung machen, dass ihr der neue Standard erspart bleibt?

Ingham: Wir können nur hoffen, dass die Frist nochmals verlängert und die Verordnung in der Zwischenzeit überarbeitet wird. Die Idee eines standardisierten Informationsblattes für alle verpackten Anlageprodukte ist prinzipiell gut, aber die Umsetzung bereitet uns in Teilen ernsthafte Sorgen. Da sind zum einen die Vorgaben zur Berechnung der Transaktionskosten. Die vorgeschriebene Methode kann zu negativen oder völlig erhöhten Werten führen. Das muss dringend repariert werden! Das gleiche gilt für die Performance-Szenarien, die zu absolut unrealistischen Ergebnissen führen können. Das führt so weit, dass die britische Finanzaufsicht FCA Anleger offiziell vor möglicherweise irreführenden Angaben warnt. Selbst die Verbraucherschützer unterstützen unsere Forderung, hier nachzuarbeiten.

Und warum ist dann immer noch nichts passiert? Die Bedenken gab es schon im vergangenen Jahr, und inzwischen werden schon seit einem halben Jahr PRIIPs-Blätter produziert.

Ingham: Da kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich denke, Kommission und Parlament haben Angst davor, dass die gesamte Diskussion neu eröffnet wird. Es war ein schmerzhafter Prozess, bis die PRIIPs-Verordnung endlich verabschiedet war.

Sehen Sie mit Blick auf Mifid II ebenfalls Nachbesserungsbedarf? Gerade anfangs gab es laute Stimmen, die sich über den immer größer werdenden Papierberg beschwert haben, der jetzt bei jeder Anlageberatung anfällt.

Ingham: Für ein Urteil über Mifid II ist es denke ich noch zu früh. Alles in allem lief der Start recht gut, wenn man bedenkt, um welch komplexes Regelwerk es sich handelt. Akuten Handlungsbedarf sehe ich vor allem bei einem Punkt: Es muss eine einheitliche Definition der Transaktionskosten, die Teil des neuen Kostenausweises sind, gefunden werden.

Kaum ist das eine Megaprojekt vom Hof, stößt die EU-Kommission das nächste an: den Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen. Wie steht die EFAMA zu dem Vorhaben?

Ingham: Die Europäische Union ist ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, darum ist die Idee sehr gut. In einem ersten Schritt geht es darum, eine saubere Definition dafür zu finden, was unter dem Schlagwort Nachhaltigkeit im Finanzsektor eigentlich zu verstehen ist, um ein "Greenwashing" zu vermeiden. Darauf aufbauend ein EU-Siegel für Nachhaltigkeitsinvestments zu entwickeln, ist auch richtig. Wir finden es allerdings ambitioniert, dass die Kommission schon in sechs Monaten erste Ergebnisse liefern möchte. Wir sind gespannt, wie das funktionieren soll. Kritisch werten wir die Überlegungen, dass Asset Manager womöglich bei allen Investments Nachhaltigkeitskriterien in Betracht ziehen sollen. Die Entscheidung, ob solche Kriterien berücksichtigt werden oder nicht, sollte immer der Kunde treffen. Es ist schließlich sein Geld, das investiert wird.

Ein Thema in Brüssel ist auch der bessere grenzüberschreitende Vertrieb von Investmentfonds. Dieser ist zumindest mit Ucits-Fonds aber doch heute schon problemlos möglich, oder?

Ingham: Das stimmt, Ucits-Fonds sind das "Cross Border"-Produkt schlechthin. Aber auch hier gibt es einige Hürden. Beispielsweise verlangen derzeit noch einige Länder eine Zahlstelle vor Ort, die heutzutage nicht mehr nötig wäre. Wir begrüßen, dass solche Barrieren abgeschafft werden sollen – fürchten auf der anderen Seite aber, dass neue errichtet werden. Beispielsweise wenn es um die sogenannte "Pre-Marketing-Phase" vor der eigentlichen Markteinführung geht, in der ein Anbieter testet, ob sein Produkt überhaupt auf Interesse stößt. Das ist uns in der aktuellen Fassung noch zu unflexibel gestaltet. Ähnliches gilt für die Deregistrierung eines Produktes in einem Land. Nach den derzeitigen Plänen wäre es nicht möglich, einen Fonds vom Markt zu nehmen, solange eine gewisse Zahl von Anlegern oder ein bestimmtes Volumen aus dem jeweiligen Staat kommen. Auch hier muss eine flexiblere Lösung her.

Ein weiterer Dauerbrenner ist der Brexit. Fondsanbieter befürchten, dass sich das Portfoliomanagement künftig nicht mehr ohne weiteres in ein Nicht-EU-Land delegieren lässt. Das würde viele Investmenthäuser mit Fondsmanagern in London treffen, nicht nur britische Anbieter. Ist diese Angst begründet?

Ingham: Ja, das Risiko ist durchaus vorhanden, aber es hat zunächst einmal nichts mit dem Brexit zu tun. Es handelt sich um einen kleinen Baustein des sogenannten ESA-Review, in dem die Arbeit der drei EU-Aufsichtsbehörden ESMA, EBA und EIOPA evaluiert wird. Ein Vorschlag lautet, der ESMA mehr Macht einzuräumen. Der Hintergrund ist, dass die Arbeit der nationalen Aufsichtsbehörden harmonisiert werden soll. Bislang entscheidet die lokale Aufsichtsbehörde, bei einem deutschen Fonds beispielsweise die Bafin, ob ein Fonds das Portfoliomanagement an ein Unternehmen aus einem anderen Land auslagern darf. Künftig könnte die ESMA das Recht erhalten, diese Entscheidung zu revidieren. Doch das würde unnötige Unsicherheit in den Markt bringen. Da soll etwas repariert werden, was gar nicht kaputt ist – der Mechanismus funktioniert schon seit 30 Jahren. Außerdem ist er im Interesse des Anlegers: Wenn ich in einen Japan-Fonds investiere, ist mir es mir lieber, wenn der Fondsmanager in Tokio sitzt statt in Frankfurt.

Wann herrscht in dieser Frage Gewissheit?

Ingham: Der ESA-Review soll noch in der aktuellen Amtsperiode der EU-Kommission abgeschlossen sein. Diese endet im Juni kommenden Jahres.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)