Gerade hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) wieder zwei Kryptowährungsunternehmen angezeigt: Die Behörde hat bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung zu www.trustinbitcoin.at und www.bitclubnetwork.com eingebracht. Der Eindruck, dass dieser vergleichsweise kleine Sektor bei den Behörden viel Staub aufwirbelt, trügt nicht.

Whistleblower-System oder Anruf
Ein FMA-Sprecher sagte zu FONDS professionell ONLINE, dass mittlerweile jede zweite Anzeige der Aufsicht ein Kryptowährungsunternehmen betrifft – Insgesamt hat die Behörde laut Geschäftsbericht im Vorjahr 119 Mal eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. Ebenso sei jede zweite Meldung, die über das Whistleblower-System der FMA eingehe, dem Krypto-Bereich zuzuordnen. "Insider, etwa Vertriebsleute, nutzen eher das Whistleblower-System, während sich Anleger, die sich geschädigt fühlen, oft per Mail oder Telefon direkt an die Behörde wenden", so der Sprecher.

Dass dieses Thema einen derart großen Anteil in dieser Statistik hat, ist schon allein deshalb beachtlich, weil die FMA an sich nicht für die Überwachung von Kryptowährungsunternehmen zuständig ist; sie muss lediglich Anzeige erstatten, wenn sie begründeten Verdacht hat. Offenbar sind die hohe Bekanntheit der Behörde und das einfach zu erreichende Whistleblower-Portal auf der FMA-Homepage ausschlaggebend dafür, dass sich betroffene Anleger oder Insider hier melden.

Früher Schifffonds, heute Kryptowährungen
Kurioserweise ist damit die (nicht zuständige) FMA auch die einzige Behörde, die zu Problemen bei Kryptowährungsunternehmen zumindest ungefähre Zahlen liefern kann. Beim Bundeskriminalamt heißt es, dass in der polizeilichen Kriminalstatistik beziehungsweise in der Cybercrimestatistik sowie bei Interpol oder Europol der Anlagebetrug mit Kryptowährungen nicht gesondert herausgestellt werde.

Für die Ermittler bedeutet das Schlagwort Kryptowährungen am Ende wohl kaum mehr als ein Bausteinwechsel in einem altbekannten Spiel: "Einmal sind es Schiffsfonds, dann Gold, Pennystocks oder Börsenbriefe; das können Sie heute alles nicht mehr verkaufen. Heute sind es Kryptowährungen", sagt Claus P. Kahn, Leiter der Abteilung für Betrug, Fälschung und Wirtschaftskriminalität im Bundeskriminalamt.

205 Fälle von Anlagebetrug
Insgesamt gab es in Österreich im Vorjahr 55.308 Anzeigen wegen Wirtschaftskriminalität, darunter fallen Betrugs-, Fälschungs- und Wirtschaftsdelikte. 205 Fälle waren 2017 dem Anlagebetrug zuzurechnen, wie Zahlen des Bundeskriminalamts zeigen (Mehrfachanzeigen wurden hier auf einen Fall zusammengezogen).

Ein vordergründig kleiner Wert; dahinter stehen aber mitunter große Dramen mit hohem finanziellem Volumen. Gerade im Kryptowährungsbereich sieht man, dass einzelne Firmen gleich zehntausende Anleger anziehen, die nicht selten ihr ganzes Erspartes einbringen. Allein über die heuer zusammengebrochene Plattform Optioment könnten Anleger zig-, wenn nicht über hundert Millionen Euro verloren haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.   

Betrug oder nicht?
Wer am Ende Schuld ist an derartigen Verlusten, ist oft schwer festzustellen. Betrug (§ 146 StPO) setzt den Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, voraus. Es muss eine Täuschung über Tatsachen stattfinden und ein Vermögensschaden eintreten. "Ein Betrug wie Pyramidenspiel kommt erst spät zur Anzeige, wenn der erste Dominostein umfällt. Wenn es läuft, ist es schwer, den Betrug festzustellen. Ich brauche den Vermögensschaden", so Kahn vom Bundeskriminalamt.

Die Grenzen zwischen Betrug und einem üblichen und legalen Multilevel-Marketing à la Tupperware sind nicht immer leicht zu erkennen. Schwierig zu beantworten ist auch die Frage, ob es sich einfach um reguläre Anlageverluste handelt, die in einem spekulativen Segment eben auftreten, oder ob wirklich schädigende Absichten dahinter stehen. Und zu guter Letzt zeigen selbst Anleger, die bereits hohe Verluste erlitten haben, das oft gar nicht an, nicht nur aus Scham, sondern auch aufgrund strafrechtlicher Bedenken: gerade bei Kryptowährungsportalen, die im Stile eines Pyramidenspiels funktionieren, ist gar nicht so klar, ob ein Opfer nicht gleichzeitig auch ein Täter ist. 

Ermittlungen in Eisenstadt eingestellt
Wo es keine genaueren Zahlen gibt, bleibt vorerst nur die warnende Einschätzung, dass Investments in Kryptowährungsunternehmen für die Anleger zunehmend zur Gefahrenquelle werden. Der Plattform Bitclub Network, die nun von der FMA angezeigt wurde, widmet die aktuelle Ausgabe der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" einen umfangreichen Artikel. Darin heißt es, dass Anleger den Bitclub-Verantwortlichen über eine Milliarde Dollar anvertraut hätten. Es steht der Vorwurf eines Schneeballsystems und des Betrugs im Raum, es ist von Problemen und Warnungen in mehreren Ländern die Rede und davon, dass sich etliche Anleger betrogen fühlen, zum Beispiel weil die laufenden Erträge schleichend immer geringer wurden. Ein Verantwortlicher weist den Vorwurf zurück, dass es eine betrügerische Absicht gab. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wie es in diesem Artikel auch heißt, hat die Staatsanwaltschaft Eisenstadt (Burgenland) bereits Ermittlungen gegen Bitclub Network geführt, aber diese eingestellt. Nach der jüngsten FMA-Anzeige muss sich nun die Staatsanwaltschaft Wien mit dem Unternehmen beschäftigen. (eml)