Die Firmeninsolvenzen sind im ersten Halbjahr um 121 Prozent auf 2.429 Verfahren gestiegen und erreichen annähernd das Vorkrisenniveau des Jahres 2019. Dies geht aus den jüngsten Zahlen des Gläubigerschutzverbandes Creditreform hervor. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um fast 100 Prozent auf 1.428 gestiegen. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen haben sich gar um 164 Prozent auf 1.001 erhöht. Die große Mehrheit der Insolvenzen hat Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 600 Millionen Euro; 7.000 Arbeitsplätze und über 17.300 Gläubiger waren betroffen.

"Einerseits sind die staatlichen Hilfen ausgelaufen und öffentliche Gläubiger (Finanz, GKK) stellen vermehrt Insolvenzanträge, andererseits sind die heimischen Unternehmen nach den Lockdowns von diversen Krisen gleichzeitig betroffen, die auf die Konjunktur drücken. Steigende Preise bei Materialien und Vorprodukten bei gleichzeitiger Unmöglichkeit die Preise eins zu eins an den Kunden weiterzugeben sowie steigende Löhne (infolge des Arbeitskräftemangels) führen zu sinkenden oder gar negativen Margen und bedeuten bei steigenden Zinsen dann das endgültige Aus für viele Firmen", erklärt Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform, die Gründe für die Insolvenzwelle.

Branchenvergleich: Starke Zuwächse überall
Am stärksten stiegen die Insolvenzen im Kredit- und Versicherungswesen mit einem Plus von 185,7 Prozent, gefolgt vom Handel (+131 %) und dem Transportwesen (Verkehr- und Nachrichtenübermittlung) mit einem Plus von 128,3 Prozent. Die meisten Insolvenzanträge verzeichneten der Handel (432), die Dienstleistungen (416, +114,4 %) sowie das Bauwesen (413, +52,4 %). Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Transportwesen mit fast 20 von 1.000 Branchenunternehmen. Damit wurde erstmals das Bauwesen als die am meisten gefährdete Branche abgelöst.

Insolvenzen erreichen Vor-Pandemie-Niveau
"Zurzeit stürzen zahlreiche Krisen zeitgleich auf die heimischen Unternehmen herein: Ukraine-Krieg, Preissteigerungen, Lieferkettenprobleme, steigende Zinsen, Arbeitskräftemangel und vieles mehr. Dadurch steigt die Verunsicherung und drückt auf die Konjunkturlage. Viele Klein- und Mittelunternehmen, die durch die Pandemie getragen wurden, haben nun keine Luft mehr und müssen aufgeben", erklärt Weinhofer die aktuelle Situation. Das Ende der Fahnenstange ist aber seiner Meinung nach noch nicht erreicht, da sich die "Corona-Blase" nur langsam auflöst. Wie Creditreform in seiner zuletzt veröffentlichten Studie mit Professor Walter Schwaiger von der TU Wien aufzeigte, sind zumindest 5.700 Unternehmen ausfallgefährdet. Das entspricht in etwa der Anzahl an "verhinderten" Insolvenzen während der beiden Pandemiejahre 2020 und 2021. Dazu können die noch nicht vorhersehbaren Auswirkungen eines Gaslieferstopps und anderer Folgen des Ukraine-Kriegs kommen. Die im Juli von der EZB eingeleitete Zinswende wird zudem zu vermehrten Problemen bei der Kreditaufnahme und Refinanzierung führen. (gp)