Anfang Juli hat die Europäische Kommission technische Regulierungsstandards (RTS) für die Produktinformationsblätter von verpackten Anlageprodukten (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products, kurz: Priip) verabschiedet. Unter die Priip-Verordnung, die am 31. Dezember 2016 in Kraft treten soll, fallen auch Fonds und Fondspolicen. Die RTS definieren unter anderem, wie Fondskosten sowie Performance-Szenarien künftig berechnet und dargestellt werden müssen.
 
Nun regt sich in Brüssel Widerstand. EU-Politiker verschiedener Parteien wehren sich gegen die geplanten Regeln. Ihr Argument: Sie führten Privatanleger in die Irre. Einer, der von dem Regulierungsstandard in der aktuellen Form gar nichts hält, ist Sven Giegold. Er ist Mitglied der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament und des Wirtschafts- und Währungsausschusses. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE erläutert Giegold, warum die RTS inakzeptabel sind – und wie sie den Terminplan für Priip durcheinander bringen.
 
Herr Giegold, Sie sprechen sich klar gegen die technischen
Regelungen zur Berechnung von Fondskosten und Performance-Szenarien aus, wie sie die EU-Kommission vorsieht. Warum?

 
Sven Giegold: Die Grünen im Europaparlament werden diesen technischen Standard ablehnen, weil die Performance-Szenarien irreführend sind. Bei einem klassischen Aktienfonds etwa wird selbst im ungünstigen Szenario nicht sichtbar, dass Anleger nach einer Haltedauer von fünf Jahren Geld verlieren können. Vielmehr werden praktisch alle von uns untersuchten Fonds als "im Geld" dargestellt. Die in den wesentlichen Anlegerinformationen, kurz KID, auch zu veröffentlichenden Risikokategorien können das nicht ausgleichen. Denn sie bleiben im Vergleich zu Szenario-Grafiken in Euro und Cent abstrakt. Es ist unverantwortlich, wenn das KID als vom europäischen Gesetzgeber vorgeschriebene Verbraucherinformation Risiken nicht ehrlich zeigt.
 
Das KID soll aber nicht nur Risiken, sondern auch Chancen eines Finanzproduktes darstellen.
 
Giegold: Ja, das ist auch richtig. Es wird aufgezeigt, welche Chancen dadurch entstehen, dass der Anleger bestimmte Risiken eingeht. Das zumindest leistet der technische Standard. Aber auch bei der Berechnung von Gebühren gibt es Unzulänglichkeiten. So ist schwer einzusehen, dass zum Beispiel Kosten aus biometrischen Risiken bei Versicherungen in einem KID für Finanzprodukte auftauchen. Ebenso verwirrend ist, dass in Ausnahmefällen negative Kosten ausgewiesen werden, die es in der realen Welt gar nicht gibt.
 
Wie würden Sie das KID denn verändern?
 
Giegold: Wir haben die Angelegenheit mit der EU-Kommission gründlich diskutiert. Die irreführende Darstellung von Risiken kann leicht geheilt werden, indem man für die Formel der Berechnung des ungünstigen Szenarios die Risiken stärker berücksichtigt. Leider hat die EU-Kommission unsere Hinweise und Warnungen zwar freundlich zur Kenntnis genommen, aber letztlich ignoriert.
 
Auch Vertreter anderer Parteien sind der Ansicht, dass der Standard in seiner aktuellen Form Verbraucher in die Irre führt. Werden Sie parteiübergreifend dagegen vorgehen?
 
Giegold: Wir haben die EU-Kommission bereits in einem gemeinsamen Schreiben auf unsere Kritikpunkte hingewiesen. Aber auch dieser parteiübergreifende Brief wurde ignoriert. Die Kommission hat den mangelhaften technischen Standard einfach beschlossen. Deshalb ist die Ablehnung durch das Plenum des Europaparlaments zwingend. Selbstverständlich wird sich die Verhandlungsgruppe nun zusammensetzen und mit der EU-Kommission die Veränderungen besprechen, die notwendig sind, damit ein überarbeiteter Standard vom Europaparlament akzeptiert wird.
 
Damit wird Priip-Verordnung allerdings später als geplant verabschiedet, richtig?
 
Giegold: So ist es. Das ist natürlich bedauerlich. Aber irreführende Verbraucherinformationen sind inakzeptabel. Da muss Qualität vor Zeitplänen gehen. Außerdem gibt eine Verschiebung auch der Bundesregierung die Gelegenheit, ihre Pläne zur Umsetzung der Priip-Verordnung zu überdenken. Derzeit wird im Bundesfinanzministerium geplant, Riester- und Rürup-geförderten Finanzprodukte von Priip auszunehmen. Damit will sich die Versicherungswirtschaft dem vergleichenden Wettbewerb entziehen, den die Verordnung unter anderem zwischen Fonds und Versicherungsprodukten ermöglichen soll. Diese Pläne der Bundesregierung sind getrieben von der Versicherungslobby und schaden fairem Wettbewerb im Interesse der Anleger.
 
Kommen wir auf den Zeitplan zurück. Ist Ihrer Ansicht nach damit zu rechnen, dass Priip nicht am 31. Dezember 2016 in Kraft treten wird?
 
Giegold: Der weitere Zeitplan hängt von der Reaktion der EU-Kommission ab. Wenn sie schnell handelt, kann die Verzögerung in engen Grenzen bleiben. Jedenfalls bin ich strikt dagegen, den Priip-Gesetzestext selbst wieder aufzuschnüren. Es genügt, Änderungen am technischen Standard sowie einige andere Korrekturen vorzunehmen. Aber ja, ich bin der Meinung, dass der Termin Ende 2016 nicht zu halten ist.
 
Vielen Dank für das Gespräch. (am)