Nein, über ein "Großprojekt Mifid III" will Steven Maijoor vorerst nicht nachdenken. "Ich glaube, wir tun allen Beteiligten einen großen Gefallen, wenn wir darüber noch nicht sprechen", sagt der Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) im Interview mit FONDS professionell.

In der aktuellen Richtlinie seien für viele Bereiche bereits Evaluierungen vorgesehen. "Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass Mifid II im Lauf der Zeit angepasst wird", erklärt Maijoor. "Ich bin überzeugt davon, dass die neuen Regelungen Verbesserungen bringen werden." Auch die Umsetzung von Mifid I sei ein riesiges und kräftezehrendes Projekt gewesen. Aber im Rückblick sei zu erkennen, dass es sich gelohnt hat. "So wird es auch mit Mifid II sein", ist der ESMA-Chef überzeugt.

Seiner Behörde stehen bis zum Start von Mifid II am 3. Januar 2018 noch arbeitsintensive Monate bevor. "Für die Marktteilnehmer ist es wichtig, sich auf die neuen Regelungen so einzustellen, dass sie ab diesem Datum Mifid-II-konform arbeiten können", sagt Maijoor. Für die ESMA bedeute das, dass noch zahlreiche technische Standards, Guidelines und Frage- und Antwortkataloge (Q&As) zu verschiedenen Themen herausgegeben werden müssen. "Wir arbeiten derzeit auf viele Baustellen gleichzeitig", berichtet Maijoor.

Richtlinien sollen rechtzeitig zum Mifid-Start kommen
Die Finanzbranche wartet indes gespannt auf die finalen Guidelines zur Geeignetheitsprüfung in der Anlageberatung. "Den genauen Termin dafür kann ich noch nicht nennen, aber die endgültige Version sollte im vierten Quartal 2017 vorliegen", erklärt der ESMA-Vorsitzende. Stimmen aus der Branche, die davon sprechen, die endgültigen Rahmenrichtlinien würden eventuell erst im zweiten Quartal 2018 vorliegen, bestätigt er nicht. "Ich glaube nicht, dass wir so viel Zeit benötigen werden", erklärt Maijoor. Sollte dies doch der Fall sein, könnten die bisherigen Regelungen als Orientierung dienen.

Nach sechs Jahren an der Spitze der ESMA hat Maijoor viele heftige Debatten mit den nationalen Regulierern der EU-Mitgliedsstaaten erlebt. In der Diskussion um Mifid II war eines der ganz großen Themen generelles Provisionsverbot. "Es war eine politische Entscheidung der Europäischen Kommission, die unabhängige und die nicht unabhängige Anlageberatung nebeneinander bestehen zu lassen", erklärt Maijoor. "Das lag nicht in der Händen der ESMA."

"Nie eine Hintertür genutzt"
Es sei auch niemals das Ziel seiner Behörde gewesen, ein "Provisionsverbot durch die Hintertür" einzuführen. Dieser Vorwurf war im Mai 2014 laut geworden, nachdem die ESMA der EU-Kommission in einem Konsultationspapier empfehlen wollte, den Einbehalt von Provisionen unter Mifid II sehr strikt zu regeln. "Die Entscheidung, Provisionen in der unabhängigen Beratung zu verbieten und in der nicht unabhängigen Beratung unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin zuzulassen, wurde wie gesagt auf Level I getroffen", macht Maijoor klar. "Wir haben keine 'Hintertür' genutzt, und wir hatten auch keinerlei Absichten, dies zu tun."

Die schärferen Regelungen für die Provisionsberatung könnten künftig möglicherweise aber dazu führen, dass Verbraucher diese seltener in Anspruch nehmen, glaubt Maijoor. "Das wäre die Konsequenz daraus, dass Endkunden erkennen, wie teuer Provisionsberatung in Relation zu den Erträgen ist", sagt er. "Damit ist das Geschäftsmodell der Provisionsberatung aber nicht am Ende", erklärt der ESMA-Chef. "Die Berater müssen ihre Kosten senken, etwa indem sie Prozesse stärker standardisieren oder vermehrt IT-Tools einsetzen. "In Großbritannien oder den Niederlanden machen die Honorarberater vor, wie es funktionieren kann." (am)


Das vollständige Interview mit dem ESMA-Chef Steven Maijoor lesen Sie in der Heftausgabe 3/2017 von FONDS professionell, die Abonnenten in diesen Tagen zugestellt wird.