Die Fondsbranche hat in den vergangenen Jahren einige Erfahrung darin sammeln müssen, große Regulierungsprojekte umzusetzen. Dieses Know-how ist nun wieder gefragt: Die Anbieter haben sich kaum mit der EU-Offenlegungsverordnung arrangiert, da prescht die deutsche Finanzaufsicht Bafin mit dem Plan voran, strengere Regeln für Nachhaltigkeitsfonds zu entwickeln. Der promovierte Rechtsanwalt Harald Glander, der als Partner der Kanzlei Simmons + Simmons unter anderem Asset Manager berät, nimmt im Interview mit FONDS professionell ONLINE zur aktuellen ESG-Regulierung Stellung.


Herr Glander, die Bafin arbeitet an Sonderregeln für "nachhaltige Investmentvermögen". Die Branche läuft dagegen Sturm und argumentiert, das würde dem Fondsstandort Deutschland schaden. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Harald Glander: Die Bafin argumentiert, dass die europäische ESG-Regulierung, allen voran die Offenlegungsverordnung, keine inhaltlichen Vorgaben für die Bezeichnung eines Fonds und die Anlagerichtlinien eines Fonds enthält. Diese Lücke möchte sie schließen, um zu vermeiden, dass Fonds als nachhaltig vermarktet werden, ohne wirklich nachhaltig zu investieren. Das Problem ist aber, dass die Regeln nur für deutsche Publikumsfonds gelten können, für Produkte aus anderen Fondsstandorten ist die Bafin schließlich nicht zuständig. Darum ist die Gefahr real, dass die Anbieter ihre ESG-Fonds an anderen Standorten, beispielsweise in Luxemburg oder Irland, auflegen, wo dann weniger strenge Regeln gelten würden. Finanzprodukte aus anderen EU-Ländern können bekanntlich über den EU-Pass problemlos hierzulande vertrieben werden. Den allermeisten Privatanlegern wird es wohl nicht bewusst sein, ob ihr Fonds eine deutsche, luxemburgische oder irische Wertpapierkennnummer trägt.

Die Bafin ist der Branche ein Stück weit entgegengekommen: Ursprünglich wollte sie vorschreiben, dass 90 Prozent der Assets nachhaltig investiert werden müssen, wenn ein Fonds entsprechend vermarktet werden soll. Im Entwurf, der nun konsultiert wurde, ist nur noch von 75 Prozent die Rede. Halten Sie es für realistisch, dass es der Branche vielleicht sogar gelingt, die geplanten Richtlinie komplett zu kippen?

Glander: Darauf würde ich nicht wetten. Ich denke schon, dass die Bafin an ihrem Vorhaben festhalten wird – ohne aber abschätzen zu können, wie die endgültigen Regeln dann genau aussehen werden. Wichtig ist aber, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt ist und sich daher die Auswirkungen für die Branche insgesamt wohl in Grenzen halten dürften. Die Richtlinie zielt nur auf Publikumsfonds ab und gerade nicht auf das institutionelle Geschäft. Außerdem sollen die Regeln nur für neue Fonds gelten. Vor der Konsultation genehmigte Investmentvermögen genießen Bestandsschutz.

Wenn die Bafin Greenwashing vermeiden möchte, hätte sie den Hebel doch statt bei den Produkten beim Vertrieb ansetzen können, etwa mit Vorgaben, was ein Fonds erfüllen muss, damit er einem Anleger als nachhaltig angepriesen werden darf.

Glander: Die Änderung der Mifid II, die eine Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen vorsieht, gilt erst ab August 2022, das ist noch eine Weile hin. Außerdem bezieht sich dieser Punkt nur auf die Anlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung, nicht aber auf das sogenannte beratungsfreie Geschäft. Bei einem Anleger, der bei seinem Online-Broker nach einem Nachhaltigkeitsfonds sucht, ist daher keine Nachhaltigkeitspräferenzprüfung vorgeschrieben.

Ausgangspunkt für die Bafin war wie erwähnt die Tatsache, dass die EU-Offenlegungsverordnung keine Vorgaben an die Anlagebedingungen für ESG-Fonds gibt. Die Zahlen scheinen die Befürchtung der Bafin zu bestätigen: Mittlerweile haben die Anbieter etwa 20 Prozent aller Sondervermögen als Nachhaltigkeitsfonds gemäß Artikel 8 der Verordnung eingestuft. Die können nicht alle wirklich "grün" sein.

Glander: Es ist allerdings wichtig zu wissen, dass Artikel 8 kein Gütesiegel ist. Die Verordnung schreibt für entsprechende Fonds ja keinerlei Unter- oder Obergrenzen für nachhaltige Investments vor, sondern sie verpflichtet die betroffenen Unternehmen lediglich – wie es der Name schon sagt – zur Offenlegung. Der Anleger erhält also mehr Informationen darüber, wie der Fonds beispielsweise mit Nachhaltigkeitsrisiken umgeht und auch gewisse Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Ob das Portfolio seinen eigenen ESG-Vorstellungen entspricht, kann er allein anhand der Einstufung nach der Offenlegungsverordnung aber nicht erkennen und muss schon genauer in die Produktdokumentation schauen. Ich hatte übrigens nicht erwartet, dass die Asset Manager so bestrebt sind, möglichst viele Fonds nach Artikel 8 einzustufen.

Warum das?

Glander: Die höheren Kategorien der Offenlegungsverordnung, also Artikel-8- und Artikel-9-Produkte, verpflichten die Anbieter zu zahlreichen zusätzlichen Angaben. Dabei können natürlich Fehler passieren, was ein potenzielles Haftungsrisiko darstellt.

Bei Artikel-9-Fonds, also den Impact-Produkten, die ein messbares Nachhaltigkeitsziel verfolgen, dürfte dieses Risiko noch deutlich größer sein als bei Artikel 8. Entsprechende Fonds sind beispielsweise dazu verpflichtet, den durchschnittlichen Gender-Pay-Gap ihrer Portfoliounternehmen offenzulegen. Wie soll diese Kennziffer ermittelt werden, wenn es die Daten von den Firmen noch gar nicht gibt?

Glander: Der Regulator kann niemanden verpflichten, Informationen zu veröffentlichen, die nicht zu bekommen sind. Aber – und in diesem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Wer einen Fonds nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung auflegt, muss sich wirklich bemühen, an die geforderten Informationen zu kommen. Außerdem wird sich die Datenlage mit der Zeit verbessern. Eine Fondsgesellschaft, die die entsprechenden Portfoliokennzahlen dann nicht liefern kann, dürfte sich Probleme einhandeln. Das ist meiner Meinung nach die generelle Stoßrichtung der Offenlegungsverordnung: Das, was ein Fonds seinen Anlegern verspricht, muss er auch einhalten.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)


Harald Glander studierte Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin und der University of Cape Town und promovierte an der Universität Bonn. Er arbeitet im Frankfurter Büro der international tätigen Kanzlei Simmons + Simmons und berät Kreditinstitute, Asset Manager und andere Finanzdienstleister.