Vielen Wertpapiervermittlern und gewerblichen Vermögensberatern wird der Umstand, dass sie wegen einer Falschberatung direkt haften können, erst bewusst, wenn sie vom Gericht die Klage eines vermeintlich geschädigten, von ihnen in der Vergangenheit beratenen Anlegers erhalten. Eine solche Klage kommt für die meisten deshalb überraschend, weil sie sich jahrelang in Sicherheit gewogen haben, dass "ihr Haftungsdach" ohnedies den Kopf für die Beratungsfehler der Erfüllungsgehilfen hinhalten muss. Diese Überraschung ist zum Teil auch verständlich, gilt doch grundsätzlich, dass der Geschäftsherr (die Vertriebsorganisation, in deren Namen und auf deren Rechnung der ­Erfüllungsgehilfe tätig ist) für die Fehlleis­tungen all jener, deren Unterstützung er beim ­Erbringen seiner Leistungen in Anspruch nimmt, haftet. Freilich gilt auch hier die alte Regel, dass es überall dort, wo Regeln gelten, auch Ausnahmen gibt. Durch die unterschiedliche Rechtsstellung der Wertpapiervermittler und Vermögensberater wird die Situation zusätzlich kompliziert.

Wertpapiervermittler erbringen im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten (im Wesentlichen: Wertpapiere) Beratungs- und Vermittlungsleistungen gegenüber Anlegern und Kunden. Dabei führen sie die Beratung und Vermittlung jedoch nicht eigenständig durch, sondern im Namen und auf Rechnung eines Finanzdienstleistungsunternehmens. Sie sind somit (ausschließlich) als Erfüllungsgehilfen tätig und haften in der Regel nicht selbst ­gegenüber Anlegern. 

Bei „Gewerblichen Vermögensberatern“ ist die Beurteilung differenzierter: Wenn sie Wertpapiere vermitteln, sind auch sie im Namen des Konzessionsträgers (WPDLU oder Wertpapierfirma) tätig – erster Haftungsadressat ist daher das "Haftungsdach". Vermitteln sie andere Anlageprodukte, die nicht Wertpapierfirmen vorbehalten sind, etwa Kommanditbeteiligungen wie "geschlossene Fonds", machen sie dies grundsätzlich im eigenen ­Namen und auf eigene Rechnung – erster Haftungsadressat ist daher der gewerbliche Vermögensberater selbst. Tritt der gewerbliche Vermögensberater jedoch im Namen und auf Rechnung einer Vertriebsorganisation auf, deren Interesse es ist, durch die Tätigkeit ihrer Erfüllungsgehilfen Erträge zu generieren, so kommt als zusätzlicher Haftungsfonds auch die Vertriebsorganisation selbst infrage. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie der Berater gegenüber dem Kunden auftritt und in welcher Form die Zusammenarbeit zwischen Vermögensberater und Vertriebsorganisation bestand. 

Konkurs des Haftungsdachs
Für den Erfüllungsgehilfen, der sich auf sein Haftungsdach verlässt, kann die Lage dann dramatisch werden, wenn über das Vermögen der Vertriebsorganisation, für die er ­tätig war, das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In diesem Fall werden die Kunden des Finanzdienstleisters oft nur mit einer geringen Quote aus der noch vorhandenen Vermögensmasse befriedigt. Daher versuchen Anleger auch von anderen ihren Schaden ersetzt zu ­erhalten. In der Vergangenheit waren die Haftungsadressaten dabei regelmäßig die Republik als Träger der Aufsichtsbehörde, Wirtschaftsprüfer und die Anlegerentschädigungseinrichtung, etwa im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um "AvW" und "AMIS". Außerhalb der Zuständigkeit der Wertpapieraufsicht – ganz aktuell im Fall der Insolvenz von "Ertrag & Sicherheit" – rückt der Vermögensberater selbst ins Visier der geschädigten Anleger und deren Anwälte. Wann haften nun Erfüllungsgehilfen direkt? 

Direkte Haftung
Obwohl dies in der Regel nicht der Fall ist, kann das Verhältnis zwischen Anleger und ­Erfüllungsgehilfen so gestaltet sein, dass Wertpapiervermittler oder gewerbliche Vermögensberater direkt als Haftungsadressat herangezogen werden können. Dazu hat die Rechtsprechung einige Fallkonstellationen herausgearbeitet. Demnach haftet der Erfüllungs­gehilfe dann, wenn dieser...

  1. ein ausgeprägtes eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrags hatte 
  2. wenn bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maße persönliches Vertrauen  in Anspruch genommen wurde 
  3. wenn mit ihm zumindest schlüssig ein „Auskunftsvertrag“ nach § 1300 ABGB  zustande gekommen ist (siehe Kasten) oder
  4. wenn das Verhalten des Erfüllungsgehilfen keinem Geschäftsherrn zugerechnet werden kann. 

Den gesamten Artikel von Mag. Christian Lenz und Mag. David Zlabinger, beide Mitarbeiter der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte,  finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 4/2016 von FONDS professionell.