Seit 10. Jänner gelten in der EU die neuen – anlegerfreundlicheren – Regeln für European Long-Term Investment Funds (ELTIFs), mit denen die EU private Infrastrukturinvestments fördern will, zu denen sonst nur Großanleger Zugang haben. Bereits wenige Tage nach Inkrafttreten der EU-Verordnung war eine hohe Dynamik bei den Kapitalanlagegesellschaften zu sehen, die entweder gerade Produkte lancieren oder sich damit intensiv beschäftigen. Sollte der Schwung im Markt bleiben, wird es nicht lange dauern, bis ELTIFs zunehmend auch über den freien Vertrieb angeboten werden. Dieser jedoch muss sich dabei mit den Details befassen, wie sich zeigt.

Aus Sicht der gewerblichen Vermögensberatung in Österreich stellt sich vor jeder Beratung und Vermittlung die Frage der Ausgestaltung eines ELTIF. Diese Produkte können in einer offenen Form oder als geschlossene Fonds aufgelegt werden. Wie der auf den Kapitalmarkt spezialisierte Rechtsanwalt Martin Pichler (Kanzlei Akela) auf Nachfrage bestätigt, muss daher berücksichtigt werden, was auch sonst im Vertrieb alternativer Investmentfonds (AIF) gilt: Gewerbliche Vermögensberater nach § 136a GewO dürfen Veranlagungen (wozu geschlossene AIF zählen) beraten und vertreiben, wogegen man für Finanzinstrumente nach § 1 Z 7 lit c WAG 2018 (dazu zählen alle offenen Fonds) ein Haftungsdach braucht.

Haftungsdach für offene ELTIF
Nachdem die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) ihre FAQ zum Alternativen Investmentfonds Manager-Gesetz (AIFMG) nicht verändert hat, gehe er davon aus, dass diese Regelung auch bei den ELTIFs beibehalten werde, so Pichler. In den FAQ führe die FMA explizit aus, dass geschlossene AIF von gewerblichen Vermögensberaten vertrieben werden dürfen (externer Link). Soweit scheinen die Vertriebsvoraussetzungen geklärt.

Herausforderungen ergeben sich allerdings, weil die EU-ELTIF-Verordnung selbst nicht definiert, welche Produkte nun als offen oder geschlossen einzustufen sind. Wer rechtlich auf der sicheren Seite stehen will, muss hier im österreichischen AIFMG beziehungsweise in der EU-AIFM-Richtlinie nachblättern (ELTIFs sind AIF). Insbesondere sei die delegierte Verordnung (DelVO 694/2014) zu beachten, die das AIFMG ergänzt und die regelt, wann ein AIF offen oder geschlossen ist. "Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist, ob die AIF-Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase vom Anleger zurückgegeben werden können", so Pichler.

Offen oder geschlossen? Entscheidung im Einzelfall
Der Teufel liegt wie so oft im Detail: Standardmäßig sieht zwar Art 18 Abs 1 EU-ELTIF-VO vor, dass ein ELTIF geschlossen ist, wenn Anleger die Rücknahme ihrer Anteile vor dem Laufzeitende nicht beantragen können, so Pichler. "Allerdings sieht Art 18 Abs 2 ELTIF-VO Möglichkeiten vor, hiervon abzuweichen, sodass bei Vorliegen der Ausnahmen ein ELTIF offen sein kann", erklärt der Rechtsexperte. Es werde hierzu eine eigene delegierte Verordnung geben. Derzeit liege diese aber erst als "Final Report" der ESMA vor (externer Link).

Fazit zu Beratungs- und Vertriebsfragen bei ELTIFs: "Am ehesten können Fragen bei der Abgrenzung zwischen offenem und geschlossenem ELTIF auftreten, wobei dies bei jedem ELTIF individuell zu beurteilen ist", sagt Pichler. In Deutschland hat die Aufsicht Bafin bereits eine ähnliche Klarstellung zum ELTIF-Vertrieb herausgegeben (externer Link).

Alexander Kern, Fachverbandsgeschäftsführer der Finanzdienstleister, verweist auf einen Rechtsartikel des eigenen Hauses (externer Link), der ebenfalls die Merkmale offener oder geschlossener Produkte beschreibt. Beispiele für geschlossene Fonds wären unter anderem Investitionen direkt ins Eigenkapital von Unternehmen und stille Beteiligungen.

Neuer Anlauf
Die EU-Kommission hat ELTIFs bereits 2015 eingeführt. Ziel war es, dass mehr privates Geld in die Realwirtschaft fließt. Kleinanleger sollten einen Rechtsrahmen für langfristige Finanzierungen von Energie, Verkehr oder sozialer Infrastruktur bekommen. Unter anderem wollte die EU auf diese Weise den Green Deal vorantreiben. Die Vorschriften waren aber nicht ausreichend anlegerfreundlich ausgestaltet und in der Folge blieben ELTIFs weit unter den Erwartungen zurück. Laut EU-Kommission kamen sie im Jahr 2021 nur auf ein geschätztes Nettovermögen von rund 2,4 Milliarden Euro.

Nun gibt es aber berechtigte Hoffnung auf eine echte Marktbelebung. Bereits in den vergangenen zwei Jahren war – das neue EU-Regelwerk im Blick – eine erhöhte Emissionstätigkeit zu sehen. Und unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung ("ELTIF 2.0", externer Link) kam erneut Bewegung in den Markt. So legte die deutsche Union Investment im Jänner den Uni Privatmarkt Infrastruktur ELTIF auf, Swiss Life AM folgte etwas später mit einem Fonds, Moonfare konkretisierte vor wenigen Tagen ähnliche, bereits länger geplante Schritte, in Deutschland betonte der Berater-Infrastrukturanbieter Moventum, dass man sich mit Schroders intensiv auf den ELTIF-Vertrieb vorbereite, und in Österreich erklärte im Jänner eine Sprecherin von Erste Bank Private Banking, dass man nun den Kunden Veranlagungen in der ELTIF-Struktur ermögliche.

Neue Regeln
Mit der seit 10. Jänner gültigen Eltif-2.0-Verordnung und den dazugehörenden Technischen Standards (RTS) werden etliche Hürden aus der alten Vorschrift beseitigt. So können ELTIFs nun auch als offene AIFs aufgelegt werden. Zudem sind die Veranlagungsbedingungen weniger streng: Es darf etwa in Fintechs oder ausdrücklich auch in grüne Anleihen investiert werden; Projekte in Drittländern gelten in der Aktualisierung ebenfalls als ELTIF-fähig. Für Anleger wird die Mindestinvestitionsschwelle von 10.000 Euro und die bisherige Begrenzung von zehn Prozent des Gesamtportfolios aufgehoben. Außerdem fällt der ELTIF-spezifische Eignungstest, es gelten anstatt dessen die in der Mifid II festgelegten Regeln – es wird also ein unnötiger Mehraufwand beseitigt. (eml)