Eine halbe Milliarde Euro – so viel Geld muss die österreichische Einlagensicherung nach derzeitigem Stand wegen der Pleite der Commerzialbank lockermachen. Doch nicht nur im Burgenland wartet Arbeit auf die Einlagensicherung – auch die ehemalige Meinl-Bank hat den Einlagensicherungsfall ausgelöst, im Fall der insolventen AvW-Gruppe musste die Anlegerentschädigung einen zweistelligen Millionenbetrag auszahlen. Die Schutzeinrichtungen müssen daher finanziell gut ausgestattet sein. Doch wie finanzieren sich diese Schutzeinrichtungen, und wie unterscheiden sich die beiden voneinander? 

Zwei Sicherungssysteme
Der Schutzumfang der Einlagensicherung hat sich mittlerweile beinahe zum Stehsatz entwickelt: "100.000 Euro pro Anleger und pro Bank." Doch in Einzelfällen kann die Berechnung komplexer sein, als der erste Blick vermuten lässt: Primär sind zwar klassische Einlagen wie Guthaben auf Girokonten, Sparbücher etc. bis zu einem Wert von 100.000 Euro geschützt. Im Einzelfall sichert die Einlagensicherung sogar Guthaben bis zu 500.000 Euro, wie zum Beispiel bei bestimmten Immobilientransaktionen oder Auszahlungen aus Versicherungen. Unter dem Schirm der Einlagensicherung ist aber nicht für jeden Einleger Platz: Gebietskörperschaften sind ebenso wie andere Banken oder Versicherungsunternehmen ausgenommen.

Die Anlegerentschädigung hat im Ergebnis eine ähnliche Funktion wie die Einlagensicherung – auch sie soll Bankkunden im Pleitefall absichern. Die Anlegerentschädigung sichert aber keine klassischen Spareinlagen, sondern Forderungen aus bestimmten Wertpapierdienstleistungen, erfasst damit primär Wertpapierfirmen und hat eine eigene Sicherungseinrichtung. Die gesicherten Wertpapierdienstleistungen umfassen dabei die Portfolioverwaltung sowie die Annahme und Übermittlung von Aufträgen. Forderungen aus gesicherten Wertpapierdienstleistungen sind bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 Euro geschützt – der Schutzschirm der Einlagensicherung ist somit deutlich größer.

Während der klassische Fall der Einlagensicherung dann eintritt, wenn Bankkunden ihre Spareinlagen nicht mehr erlangen können, sieht das Paradebeispiel der Anlegerentschädigung ähnlich aus: Üblicherweise kommt diese zum Einsatz, wenn die Wertpapierfirma nicht mehr in der Lage ist, Gelder zurückzuzahlen oder Finanzinstrumente zurückzugeben. Die Anlegerentschädigung kann geschädigten Kunden aber immer nur den Geldwert (bis zu 20.000 Euro) ersetzen – die Wertpapiere selbst sichert die Anlegerentschädigung nicht. 

Das ist bereits deswegen naheliegend, weil Wertpapiere im Fall eines Konkurses aus der Konkursmasse ausgesondert werden können. Dividendenerträge und Verkaufserlöse könnten bei genauerem Betrachten sowohl unter die Einlagensicherung als auch unter die Anlegerentschädigung fallen. Denn primär sind das Forderungen, die aus gesicherten Wertpapierdienstleistungen entstehen. Wenn diese Erträge bzw. Erlöse in weiterer Folge auf ein Girokonto gebucht werden, das der Kunde bei der Bank hat, dann sind sie auch von der Einlagensicherung erfasst. Für diese Fälle ist gesetzlich ein Vorrang der Einlagensicherung vorgesehen. 

Historischer Hintergrund
Die österreichische Einlagensicherung hat schon einige Bankenpleiten miterlebt – denn der Gesetzgeber hat sie bereits im Jahr 1986 ins Leben gerufen. Beinahe unvorstellbar ist heute, dass damals kein Bankenzusammenbruch verantwortlich für die entsprechenden Gesetze war, sondern diese vielmehr als präventive Maßnahme vorgesehen wurde. Ursprünglich hatte die Einlagensicherung einen Höchstbetrag von 200.000 Schilling pro natürlicher Person gesichert. Heute wären das etwa 14.500 Euro. Der Anstieg der gesicherten Beträge kann dabei auf das verstärkte Bedürfnis nach gesicherten Einlagen zurückgeführt werden, daneben haben europäische Vorgaben die Erhöhung erforderlich gemacht. Waren es zunächst noch 50.000 Euro, mussten ab dem 1. Jänner 2011 schon die heute bekannten 100.000 Euro pro Einleger gesichert sein.

Die Anlegerentschädigung geht demgegenüber auf eine europäische Richtlinie aus dem Jahr 1998 zurück. Damals waren 20.000 ECU (European Currency Unit, Buchgeld-Vorgänger des Euro), in Österreich somit zirka 260.000 Schilling, gesichert. Auf freiwilliger Basis haben sich Kreditinstitute aber bereits deutlich vor den 80er-Jahren zu Einlagensicherungsgemeinschaften zusammengeschlossen. In Österreich wurde die erste Einlagensicherung 1937 gegründet, seit 1966 gibt es bundesweite Sicherungssysteme. Im internationalen Vergleich gehört Österreich damit zu den Vorreitern. Die Musterschüler waren hingegen die damalige Tschechoslowakei und die USA, die bereits 1933 eine Einlagensicherung einführten. 

Wie die Causa Commerzialbank jüngst zeigt, ist die Einlagensicherung auf stattliche Geldreserven angewiesen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer denn diese Mittel zur Verfügung stellt. Naheliegend wäre die Annahme, dass der Staat als "Retter der Sparstrümpfe" einspringt – womit letztlich der Steuerzahler Bankenausfälle zu tragen hätte. Das fand der österreichische Gesetzgeber schon in der Geburtsstunde der Einlagensicherung ungerecht – deshalb hat er vorgesehen, dass die Banken unmittelbar selbst die Mittel zur Verfügung stellen müssen: Banken, die wissen, dass die Republik beziehungsweise die Steuerzahler letzten Endes ein Sicherheitsnetz unter ihnen aufspannen, agieren anders, als wenn sie selbst ein solches Netz finanzieren müssen. Mit dem EU-Beitritt wäre eine staatliche Einlagensicherung noch undenkbarer geworden, denn durch eine staatliche Haftungsübernahme wären österreichische Banken im Vergleich zu Banken aus anderen Mitgliedsstaaten ungerechtfertigt bevorzugt worden. 


Den gesamten Artikel von Dr. Raphael Toman, Rechtsanwalt, und Florian Braunauer, LL.M., Rechtsanwaltsanwärter der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH, finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 3/2020 von FONDS professionell, die Ende September erscheint.