Auch wenn die letzte Phase von hohen Kreditzinsen nicht lange zurückliegt – noch im Oktober 2008 lag der Drei-Monats-Euribor bei über fünf Prozent –, können sich jüngere Kreditnehmer häufig nur an die ab 2009 bestehende Niedrigzinsphase erinnern. Von März 2015 bis August 2022 kam es sogar zur ungewöhnlichen Situa­tion, dass der Drei-Monats-Euribor unter die Null-Prozent-Schwelle fiel. Die Zeit des "billigen Geldes" führte zu attraktiven Kreditangeboten. Viele Konsumenten, die sich möglicherweise sonst einen Kredit nicht leisten hätten können, waren so in der ­Lage, sich ihre Träume zu erfüllen. Spätestens seit Ende 2022 / Anfang 2023 ist es damit bis auf Weiteres vorbei.

Die Lage hat sich innerhalb kurzer Zeit dramatisch verändert. Heute zittern viele Kreditnehmer den regelmäßigen Sitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) entgegen und verfolgen aufmerksam die Berichterstattung über die Entscheidungen der EZB. Kreditnehmer, die sich für einen Kredit mit variablen Zinsen entschieden haben, sind schließlich von ­jeder Erhöhung des Leitzinses betroffen. ­Ihre Kredite werden teurer und in einigen ­Fällen nicht mehr leistbar. Mahnungen, Klagen der Banken bis zur Verwertung der Sicherheiten können die unangenehmen Folgen sein. 

Die erhobenen Vorwürfe
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Konsumentenschutzverbände, Anwälte und Prozesskostenfinanzierer auf diese ­Situation aufmerksam werden. Zwischenzeitig finden sich zahlreiche Angebote an die betroffenen Kreditnehmer, in denen Schadenersatzansprüche gegenüber Kreditvermittlern und Banken in Aussicht gestellt werden. Der Tenor dieser Angebote ist, dass die Kunden vor Vertragsabschluss deutlich auf die Risiken einer variablen Verzinsung und die Auswirkungen auf die monatliche Belastung anhand von Szenarienberechnungen hinzuweisen gewesen wären. Dabei wären die zukünftigen Entwicklungen zu berücksichtigen gewesen. Nach Ansicht der Verbrauchervertreter seien für die Banken und Vermittler die Zinserhöhungen erwart­bar gewesen.

Ein weiterer Vorwurf bezieht sich darauf, dass bei Kreditvergabe die ­Bonität des Kreditnehmers oft nur unzureichend geprüft worden sei. Erste Muster­klagen sollen nach Medienberichten bereits eingebracht worden sein. Ausgehend von einer Untersuchung der Agenda Austria vom November 2022, ­wonach 46 Prozent der Bestandverträge ­variabel, 48 Prozent gemischt und sechs Prozent langfristig fix verzinst sind, besteht ein großes Potenzial für solche Klagen. Diese könnten gegen den Kreditvermittler ­genauso gerichtet werden wie gegen die ­finanzierende Bank, je nachdem, wer von den beiden die Beratung zum Kreditvertrag durchgeführt hat. 

Erfolgsaussichten?
Obwohl es vergleichbare Zinsentwicklungen in der Vergangenheit bereits gegeben hat, liegt keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Umfang der Aufklärungspflichten bei Empfehlung eines variabel verzinsten Kredits vor. Setzt man sich jedoch mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen und mit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) in vergleichbaren Fällen – wie zum Beispiel zu den Fremdwährungskrediten und zu Anlageprodukten – auseinander, ist es möglich, sich der Frage nach den Erfolgsaussichten anzunähern.

Abhängig davon, wann der Kreditvertragsabschluss stattfand, waren unterschiedliche rechtliche Vorgaben einzuhalten. Bis zum Inkrafttreten des Verbraucherkredit­gesetzes (VKrG) am 11. Juni 2010 und des Hypothekar- und Immobilienkredit-Gesetzes (HIKrG) am 21. März 2016 galten die Grundsätze des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Spätestens seit einer Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2017 steht außerdem fest, dass die Wohlverhaltensregeln des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) auf die beschriebenen Sachverhalte nicht (auch nicht analog) anzuwenden sind.

Aus den allgemeinen Grundsätzen lassen sich einige konkrete Anhaltspunkte zum Umfang der Aufklärungspflichten ­ableiten. Tatsächlich hängt dieser von verschiedenen Umständen ab, wie insbesondere der Person des Kreditnehmers und dessen Vorerfahrungen. Hat der Kunde ­bereits davor Kreditverträge abgeschlossen oder ist er geschäftserfahren, so wird er in der Regel nicht über das Risiko eines ­va­riablen Zinssatzes aufzuklären sein.


Den vollständigen Artikel von Christian Lenz, Associated Partner bei Brandl Talos Rechtsanwälte, lesen Sie in der Heftausgabe 4/2023 von FONDS professionell ab Seite 252 oder nach Anmeldung hier im E-Magazin