Man kann rechtlich falsch liegen und in gewisser Hinsicht trotzdem Recht haben. Das illustriert momentan ein Disput über die gesetzlich neu eingeführte unbegrenzte Nachdeckung bei der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSH) für Versicherungsvermittler. Alle Makler und Agenten müssen sich heuer mit ihrer Berufshaftpflicht auseinandersetzen, aber es gibt grobe Unklarheiten: Der deutsche VSH-Anbieter "for broker" (Ratzke) informiert derzeit seine österreichischen Kunden: "Sofern Sie als Versicherungsvermittler und/oder gewerblicher Vermögensberater mit Lebens- und Unfallversicherungen registriert und versichert sind, muss in Ihrem Vertrag spätestens zum 28.01.2019 die unbegrenzte Nachhaftung inkludiert sein!"

Laut Gesetz: Nur Vermittler aber nicht Vermögensberater
Gesetzlich betrachtet stimmt das zumindest zweifach nicht. Zum einen sind künftig nur Versicherungsvermittler gemäß Gewerbeordnung (GewO) § 94 Z 76 verpflichtet, eine Haftpflicht mit unbegrenzter Nachdeckung zu haben: Laut der jüngsten GewO-Novelle ist für sie eine Begrenzung der Nachdeckung unzulässig (§ 137c Abs. 1). Z 76 beschreibt nur Versicherungsagenten, Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten.

Die bei for broker ebenfalls aufgerufenen Vermögensberater wären hingegen in Z 75 extra angeführt und sind daher nicht mitgemeint. Für sie gelten weiter die üblichen fünf Jahre Nachdeckung. Das bestätigt Dr. Klaus Koban, Leiter der Rechtsabteilung im Versicherungsmakler-Fachverband der Wirtschaftskammer (WKÖ), gegenüber FONDS professionell ONLINE.

Zum anderen muss auch der Druck relativiert werden, den for broker mit dem angegebenen Zeitpunkt 28. Jänner 2019 macht. Die GewO sieht nämlich für bestehende Verträge eine Übergangsfrist von einem Jahr vor. Zwar heißt es in Paragraf 382 Abs. 98, dass ab 28. Jänner 2019 eine unbegrenzte Nachdeckung erforderlich ist. Aber der Nachweis darüber muss erst bis spätestens zwölf Monate danach – also am 28. Jänner 2020 – erbracht werden (§ 376 (14)). Laut Koban bedeutet das verknappt gesagt, dass die Vermittler ihre VSH noch im Laufe des Jahres adaptieren können, jedoch müsse im Vertrag selbst dann als Beginn der unbegrenzten Nachdeckung der 28. Jänner 2019 festgeschrieben sein. Auf dieses Detail sollten jedenfalls alle Betroffenen achten.

Konkurrenz nicht erfreut über Verwirrung
Bei der österreichischen VSH-Konkurrenz sorgte die for broker-Information für großen Unmut. René Hompasz, Geschäftsführer des heimischen Marktführers Höher Insurance, hatte nach Eigenangaben alle Hände voll zu tun, den verunsicherten Kunden die Rechtslage zu erklären. Auch er legt das Gesetz so wie die WKÖ aus.   

Erzeugt for broker hier bewusst Druck, um nicht nur Makler, sondern auch eine weitere Kundenschicht zum Handeln zu bewegen? Die zuständige Fachfrau Uta Thiebel weist das zurück. Sie bleibt zwar bezüglich des Starttermins auf ihrem Standpunkt, jedoch wirft sie auf den betroffenen Personenkreis ein anderes Licht: Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Vermögensberater angesichts ihres weitreichenden Tätigkeitsfeldes von der unbegrenzten Nachdeckung ausgenommen seien.

"Gesetzliche Grauzone"
"Es stimmt, dass der Vermögensberater bei der unbegrenzten Nachdeckung nicht explizit im Gesetz steht. Aber es war in Österreich immer so, dass die rechtlichen Vorgaben für den Vermögensberater bei Leben und Unfall parallel zu den Vermittlern beurteilt wurden. Wir sehen das als gesetzliche Grauzone und haben uns daher an logische und historische Dimensionen gehalten", so Thiebel.

Aus dem Wirtschaftsministerium habe man auf die vorgebrachten Bedenken keine eindeutige Antwort erhalten, sagt Thiebel. Die for broker-Juristen hätten die Lage darauf hin als rechtlich nicht eindeutig eingestuft und sich entschieden, Vermögensberater, die Leben und Unfall vermitteln, als mitgemeint zu betrachten. Nicht zuletzt sei die Nachdeckung für den Markt einfach sinnvoll. Eine Einschätzung, die vermutlich viele – abseits der gesetzlichen Dimension – teilen.

"Lücke, die man schließen sollte"
Auch der Jurist Koban hält den Ausschluss der Vermögensberater grundsätzlich für unglücklich. "Persönlich sehe ich es als eine Lücke, die man schließen sollte. Eine begrenzte Nachhaftung ist ein Risiko sowohl für die Kunden als auch für den Vermögensberater selbst", so Koban, der auf existenzbedrohende Spätschäden verweist, die angemeldet werden können, wenn sich der Berater längst im Ruhestand befindet.

Interessantes Detail: Tatsächlich hätte die GewO-Novelle ursprünglich auch für die Vermögensberater eine unbegrenzte Nachhaftung vorgesehen. Dagegen sei von Interessensgruppen innerhalb der Kammer lobbyiert worden, sagen mit der Sache vertraute Personen. Die Novelle, die am 28. Dezember 2018 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, setzt die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD für den freien Vertrieb um.

Entzug der Gewerbeberechtigung droht
Fest steht nun, dass Vermittler, die ihre VSH nicht innerhalb der kommenden zwölf Monate um die unbegrenzte Nachdeckung erweitern, den Entzug der Gewerbeberechtigung riskieren. Die Behörde muss ein Verfahren "unverzüglich" einleiten (§ 137c Abs. 5 GewO). Die VSH-Versicherer sind verpflichtet, nicht gesetzeskonforme Verträge an die Bezirksverwaltungsbehörde zu melden. Diese würde also theoretisch ab Ende Jänner 2020 automatisch eine Unterdeckung bemerken.

Diese Anzeigenpflicht der VSH-Versicherer könnte aber angesichts der Diskussion, die der Anbieter for broker losgetreten hat, noch weitere Kreise ziehen: Wenn for broker bis Jahresende bei seiner Argumentation bleibt, dass man die Vermögensberater ebenfalls mit meint, hieße das konsequenterweise, dass man die Berater, die ihre Haftung nicht angepasst haben, melden müsste.

Mehrkosten überschaubar
Eine positive Anmerkung kann abseits aller Verwirrungen zum Schluss gemacht werden: Die unbegrenzte Nachdeckung muss keine großen Zusatzkosten verursachen. Koban verweist darauf, dass für die Makler, die den VSH-Rahmenvertrag der WKÖ in Anspruch nehmen, überhaupt keine Mehrprämien fällig werden. Die WKO hat diesen Vertrag jüngst mit der Uniqa und der Generali neu ausverhandelt. Bei Höher Insurance und for broker zahlen Kunden ungefähr zehn bis 15 Prozent mehr. Damit handelt es sich auf jeden Fall nicht um Summen, von denen sich die strittigen Vermögensberater von einer freiwilligen Aufstockung abschrecken lassen müssten. (eml)