Branchenbeobachter rechnen damit, dass für viele Fonds die Einstufung gemäß Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung künftig nicht mehr haltbar sein wird – und zahlreichen Produkten daher eine Herabstufung auf Artikel 6 droht.

Hintergrund sind Pläne der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA, die an quantifizierbaren Vorgaben für ESG- und nachhaltige Investments arbeitet. Sie würden Asset Manager dazu zwingen, die Gestaltung und Vermarktung ihrer Artikel-8-Produkte zu überdenken. Nach Schätzungen von Morningstar erfüllen derzeit nur 18 Prozent der in Summe vier Billionen Euro schweren Artikel-8-Fonds die von der ESMA erwogenen Kriterien.

"Ein kalter Wind der Realität" wehe durch die Investmentbranche, aus Angst, mit den Bezeichnungen daneben zu liegen, meint Matt Townsend, Partner der Kanzlei Allen & Overy in London. Die US-Bank Jefferies ortet ein Gefühl der "Massenfrustration" bei Fondsanbietern, die mit den regulatorischen Entwicklungen kaum Schritt halten können.

Offenlegungsverordnung soll verschärft werden
Denn gerade erst haben die Investmentmanager zahlreiche Artikel-9-Fonds auf den etwas weniger strengen Artikel 8 heruntergestuft (FONDS professionell ONLINE berichtete). Würden die Produkte sogar noch ihre Artikel-8-Einstufung verlieren, dürften sie überhaupt nicht mehr als "ESG" oder "nachhaltig" vermarktet werden.

Doch genau das scheint das Ziel der europäischen Behörden zu sein. Sie sind entschlossen, strengere Standards festzulegen, was Fondsanbieter als nachhaltig bezeichnen dürfen. Deshalb aktualisieren sie kontinuierlich das Greenwashing-Regelwerk der EU, die seit März 2021 geltende Offenlegungsverordnung (englisch SFDR abgekürzt).

Gemäß SFDR müssen Artikel-9-Fonds ein ESG-Ziel "anstreben", zum Beispiel eine Reduktion von Emissionen. Artikel-8-Produkte hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ESG-"Merkmale" "bewerben". In der Branche ist vor diesem Hintergrund oft von "dunkelgrünen" und "hellgrünen" Fonds die Rede.

Wo Nachhaltigkeit draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein
Die jüngste Initiative der ESMA setzt an den Selbstbezeichnungen der Fonds an. Die Pariser Behörde schlägt vor, dass ein Fonds, der das Kürzel "ESG" in seinem Namen führt, künftig mindestens 80 Prozent seiner Investitionen in Bereichen halten muss, die seiner eigenen Strategiebeschreibung entsprechen. Wird im Fondsnamen mit Schlagworten wie "nachhaltig" oder ähnlichen Bezeichnungen geworben, soll die Hälfte dieses 80-Prozent-Anteils nicht nur der eigenen, sondern auch der EU-Definition von nachhaltigen Vermögenswerten entsprechen.

Laut ESMA-Chefin Verena Ross ist das Ziel der Behörde, "sicherzustellen, dass Anleger vor ungerechtfertigten oder übertriebenen Behauptungen zur Nachhaltigkeit geschützt werden". Dazu wolle die ESMA klare und messbare Kriterien an die Hand geben.

Fondsmanager, die diese Schwellenwerte nicht einhalten, werden entweder den Namen ihres Sondervermögens ändern oder ihr Portfolio umschichten müssen, erklärt Hortense Bioy, Leiterin des Nachhaltigkeitsresearch bei Morningstar. Von den mehr als 4.000 in der EU domizilierten Fonds, die sich selbst als ESG- oder Nachhaltigkeitsfonds oder mit einer Variante eines dieser Begriffe bezeichnen, waren laut ESMA im Juli etwa 65 Prozent auch als Artikel-8-Fonds registriert.

"Regulatorisch motiviertes Greenwashing"
Einige institutionelle Investoren begrüßen die jetzt vorgeschlagenen strengeren Standards. "Wir befürworten eine klar definierte Wesentlichkeitsschwelle für Artikel 8, um sicherzustellen, dass die SFDR nicht zu regulatorisch motiviertem Greenwashing führt", sagt Anastasios Pavlos vom Lobbyverband Pensions Europe, dessen Mitglieder rund sieben Billionen Euro an Pensionsfonds verwalten.

Auch Analysten, die die Fondsbranche beobachten, halten es für dringend erforderlich, dass sich die Asset Manager mit Blick auf ihre Werbung mäßigen. Es sei nicht immer klar, ob falsche ESG-Angaben "absichtlich oder unabsichtlich gemacht wurden, ob sie einfach nur konzeptlos und schlecht durchdacht sind", so Patrick Wood Uribe, Geschäftsführer des ESG-Datenanbieters Util. Aber die Klarstellungen und Neueinstufungen von Fonds seien jedenfalls wichtig.

Jefferies-Analyst Luke Sussams erwartet Herabstufungen von Artikel-8-Produkten auf Artikel 6, wenn die ESMA tatsächlich quantitative Schwellenwerte festlegt und von Managern verlangt, ihren Beitrag zu ESG zu quantifizieren. Viele "werden einen solchen Beitrag nicht quantifizieren wollen oder können", sagt er. (Bloomberg/bm)