Täglich schlittern in Österreich rund 15 Unternehmen in die Pleite. 5.380 Insolvenzen waren es im Jahr 2023 – ein Plus von 13 Prozent zum Jahr davor. Und 2024 könnte es erneut zu einem Anstieg um bis zu gut elf Prozent kommen, wie der Datenkonzern KSV1870 schätzt. Denn die Unternehmen müssen nun ohne die großzügigen Covid-Förderungen der Regierung auskommen und werden gleichzeitig auch durch die schwächelnde Konjunktur belastet. Die Wiener Rechtsanwälte Felix Hörlsberger und Magdalena Nitsche (Kanzlei Dorda) mahnen, dass es für die Insolvenzanmeldung sehr kurze Fristen gibt. Geschäftsführer seien oft nicht ausreichend auf die Situation vorbereitet.

Rund jedes zweite Konkursverfahren werde verschleppt oder zu spät eingeleitet, wie Hörlsberger und Nitsche in einer Aussendung betonen. Sie berufen sich dabei auf eine Umfrage unter österreichischen Insolvenzverwaltern. Bei Sanierungsverfahren liege die Versäumnisquote bei etwa einem Drittel.

60 Tage Zeit
Der Grund liege an den engen Fristen, die für viele Betroffene offenbar überraschend kommen. "Liegt ein Insolvenzgrund vor, müssen Geschäftsführer spätestens binnen 60 Tagen einen Insolvenzantrag stellen", so Nitsche, die vor den Folgen der Nichteinhaltung warnt. Geschäftsführer könnten persönlich für Gläubigerschäden haften, die durch die Verzögerung entstehen, beziehungsweise haften sie zusätzlich für nach der Insolvenz erfolgte Zahlungen. Bei einem Fehlverhalten könne außerdem der Straftatbestand der fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen oder betrügerischen Krida erfüllt sein.

Frühes Reagieren könne in vielen Fällen ein Konkursverfahren verhindern, so die Anwälte. In Österreich habe sich abseits der öffentlichen und gerichtlichen Sanierungsverfahren der außergerichtliche Ausgleich bewährt, ein Vertrag zwischen Schuldner und Gläubigern, der den Unternehmen hohe Flexibilität einräume. "In der Regel werden höhere Quoten für die Gläubiger erzielt. Zudem erspart sich das Unternehmen die Gerichtskosten", so Hörlsberger.

Neue Restrukturierungsordnung bisher nicht relevant
Die Verfahrensmöglichkeiten bei einer Insolvenz sind vielfältig – zumindest theoretisch. In der Praxis wird die Rechtslage nicht ausgeschöpft: Seit Mitte Juli 2021 ist – auf Basis der EU-Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL) – die Restrukturierungsordnung (ReO) in Kraft. Sie ermögliche ein gerichtliches Verfahren, das nicht zwingend öffentlich ist und bei dem Eigenverwaltung vorgesehen ist, wie die Dorda-Anwälte betonen. Im Gegensatz zum außergerichtlichen Ausgleich müsse bei einem ReO-Verfahren der Restrukturierungsplan nur von der einfachen "Kopfmehrheit" der Gläubiger sowie zumindest 75 Prozent Summenmehrheit pro Gläubigerklasse und nicht von allen Gläubigern angenommen werden.

In Deutschland sei das Gesetz in rund 30 Fällen erfolgreich angewendet worden. In Österreich hingegen seien keine Anwendungsfälle bekannt. Die hiesige Umsetzung der EU-Richtlinie sei zu kompliziert. Zweitens sei die Richtlinie auf überschuldete Unternehmen zugeschnitten, deren Geschäftsmodell prinzipiell funktioniert. Das treffe eher auf große Unternehmen zu, von denen es in Deutschland mehr gibt. Drittens existieren in Österreich im Jahr 2015 von Banken und Beratern erstellte Grundsätze, die sich für außergerichtliche Sanierungen etabliert haben. Außergerichtliche Einigungen würden damit weiter einen hohen Stellenwert haben. Auch funktioniere das gerichtliche Sanierungsverfahren sehr gut, über welches sich Unternehmen, im besten Fall innerhalb von drei Monaten, sanieren können. (eml)