Der Markt für Börsenbarometer wächst. "Die Anzahl der Indizes ist allein im vergangenen Jahr um vier Prozent gestiegen", berichtet Christian Schmitt, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft, im Gespräch mit FONDS professionell. "Mittlerweile werden mehr als drei Millionen Indizes berechnet, rund die Hälfte davon auch täglich." Ein Grund für das Wachstum ist das Geschäft mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs).

Das in den Indexfolgern verwaltete Vermögen legt seit Jahren zu. Mit immer neuen Produktauflagen nimmt auch die Nachfrage nach Barometern zu, die den Fonds zugrunde liegen. Das befeuert die Umsätze von Indexanbietern wie MSCI, S&P Dow Jones oder FTSE Russell. Diese kletterten 2022 auf das Rekordhoch von 5,33 Milliarden US-Dollar, wie die Beratungsgesellschaft Burton-Taylor Consulting errechnete.

"Aktienindizes gleichen den Grundrechenarten"
Die zunehmende Zahl an Indizes entspringt zwei Bereichen: Nachhaltigkeit und Anleihen, berichtet Schmitt. "Aktienbarometer sind bereits gut vertreten. Rentenindizes sind dagegen stark im Kommen", erläutert der Finanzprofessor. Die Komposition der Barometer ist aber komplexer. "Aktienindizes gleichen ein wenig den Grundrechenarten", erläutert der Wirtschaftsingenieur. "Die Berechnung ist relativ simpel und läuft praktisch nebenher."


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Bei Anleihen sehe das schon wesentlich komplizierter aus. "Mehrere Faktoren spielen hier eine Rolle: Wie werden Anleihen bewertet? Wie lange laufen sie? Wie werden die Kupons einberechnet? Und welche Anleihe nimmt den Platz im Index ein, wenn eine fällig wird?", zählt Schmitt auf und warnt: "Investoren sollten bei Anleihen-Barometern genau aufpassen, was sich hinter einem Index verbirgt."

"Definition von Nachhaltigkeit noch offen"
Gleiches gilt Schmitt zufolge für das andere Wachstumsfeld. "Auch bei nachhaltigen Barometern sollten Investoren aufpassen, wie der Index definiert ist", so der Professor. "Viele Fragen bei der Definition von Nachhaltigkeit sind noch offen." Viele Indizes würden lediglich mit Ausschlusskriterien arbeiten, also einer Negativselektion. Andere wiederum wollen über die Gewichtung die Unternehmen fördern, die bei Nachhaltigkeit zu den Vorreitern zählen.

Noch viele Fragezeichen sieht Schmitt bei der Datenbasis von Barometern, die ökologische, soziale oder ethische Faktoren (ESG) aufgreifen. "Wie bei einem Eisberg läuft bei ESG-Ratings viel unter der Oberfläche ab. Bislang wird wenig überprüft", sagt der Indexexperte. Viele Daten würden die Unternehmen rein freiwillig melden. Oftmals sei unklar, wie die Ratinganbieter die Daten weiterverarbeiten. "Dieser Eisberg sollte langsam aus dem Wasser gehoben und eine größere Transparenz in die Daten gebracht werden", plädiert der Professor.

"Am Ende muss eine Regulierung her"
So kämen bei ESG-Ratings die verschiedenen Anbieter für ein und dasselbe Unternehmen häufig zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen. Bei den herkömmlichen, an Finanzkennzahlen ausgerichteten Bonitätsbewertungen fällen die drei großen Agenturen S&P Global Ratings, Moody's und Fitch dagegen eher ähnliche Noten. "Am Ende muss für die Definition von Nachhaltigkeit eine Regulierung her", fordert Schmitt. "Das kann nicht alleine dem Markt überlassen werden. Sonst würden wir vermutlich heute noch mit verbleitem Benzin fahren." (ert)