Die beiden Gründer und Inhaber der Fondsboutique Gané, Uwe Rathausky und J. Henrik Muhle, arbeiten nicht nur in Zeiten von Corona dezentral. Rathausky managt den Mischfonds Acatis Gané Value Event von München aus, Muhle hat seinen Sitz in Aschaffenburg. Als die beiden Value-Investoren den Fonds im Dezember 2008 auflegten, belief sich sein Volumen gerade einmal auf eine Million Euro, heute ist er über drei Milliarden Euro schwer. Die Corona-Krise hat den Kurs des Bestsellers seit Jahresbeginn um 18 Prozent absacken lassen. Wie das Fondsberater-Duo den Acatis Gané Value Event wieder auf Vordermann bringen will, erklärt Uwe Rathausky FONDS professionell ONLINE im Exklusiv-Interview.


Herr Rathausky, Value-Investoren nutzen Einbrüche an den Märkten, um langfristig attraktive Aktien und Anleihen zu günstigen Preisen zu kaufen. Bietet der jüngste Absturz also auch Chancen, oder ist die aktuelle Krise ganz anders als alle vorherigen?

Uwe Rathausky: Beides. Als Value-Investoren bleiben wir unserem Anlagestil treu und nutzen auch die aktuelle Krise, um Titel guter Unternehmen günstig zu kaufen. Mein Kollege Henrik Muhle und ich sind der Überzeugung, dass es an den Märkten wieder nach oben gehen wird, spätestens wenn die Corona-Krise überwunden ist, wann immer das auch sein wird. Dafür spricht, dass wir bereits eine extreme geldpolitische und fiskalische Stimulierung durch die Notenbanken und Regierungen sehen. Das ist gut so. Gleichzeitig bedeutet dies, dass wir nach dem Ausnahmezustand, in dem wir uns jetzt befinden, in einer Welt noch höherer Schulden leben werden. Daher wird es den Notenbanken lange Zeit nicht möglich sein, die Zinsen zu erhöhen. Anlegern wird also weiterhin gar nichts anderes übrigbleiben, als ihr Geld an der Börse zu investieren, wenn sie Kapital erhalten und Rendite erzielen möchten. Daher: Ja, wir nutzen jetzt die Chancen, die sich bieten. Trotzdem ist diese Krise anders als alle, die wir zuvor erlebt haben.

Inwiefern?

Rathausky: Wir haben es diesmal sozusagen mit einer dreifachen Krise zu tun – mit einer gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Krise. Da fehlt jegliche Greifbarkeit. Man weiß nicht, wie man mit dieser Situation umgehen soll, auch nicht, wie lange sie dauern wird. Jeder Einzelne fragt sich, welche gesundheitlichen, sozialen und beruflichen Effekte diese Krise für ihn hat. So etwas löst Panik aus, und so haben wir auch den schnellsten und dramatischsten Börsenabsturz der Geschichte erlebt. Darunter hat unser Fonds gelitten, und damit müssen wir jetzt umgehen.

Ihr Mischfonds, der Acatis Gané Value Event, hat seit Jahresbeginn einen Kursverlust von 18 Prozent verzeichnet. Zwischenzeitlich hat der Fonds über ein Viertel seines Wertes eingebüßt, mehr als der durchschnittliche Wettbewerber. Haben Sie die Krise unterschätzt?

Rathausky: Tatsächlich ist das der größte Einbruch, den wir seit Auflage des Fonds im Jahr 2008 hatten. In anderen Jahren, in denen es an den Börsen stark nach unten ging, haben wir uns im Vergleich zum Dax oder zum MSCI World immer gut bis sehr gut geschlagen, aber 2020 leider nicht. Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass uns die Krise in ihrer Dramatik und Brutalität wirklich überrascht hat. Wir hatten zu Jahresbeginn die Aktienquote von über 70 Prozent reduziert. Per Ende Februar lag sie bei 67 Prozent, 33 Prozent waren in Liquidität und Anleihen investiert, davon ein Großteil in Geldmarktersatzanleihen. Wir waren also relativ umsichtig positioniert, aber für die Entwicklung, die dann kam, waren wir doch etwas zu stark in Aktien engagiert. Außerdem haben unsere Geldmarktersatzanleihen in norwegischen Kronen ihren Zweck nicht erfüllt und fast drei Prozent Rendite gekostet. Die Anleihen wurden von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Europäischen Investitionsbank begeben. Sie sind alle AAA gerated und absolut "rock-solid". Dass aber die Währung eines faktisch schuldenfreien Landes wie Norwegen kurzfristig 30 Prozent zum Euro verliert, das hatten wir nicht erwartet. Verantwortlich dafür sind eher crashbedingte Kapitalströme als fundamentale Daten.

Wie haben Sie auf den Absturz reagiert und Ihr Portfolio jetzt aufgestellt?

Rathausky: Wir haben die Liquidität zum Arbeiten gebracht und unsere Aktienquote antizyklisch auf 84 Prozent erhöht. Das Timing hätte zwar besser sein können, das ist der dritte Grund für unseren Drawdown, aber mit der jetzigen Positionierung sind wir sehr zufrieden. Ins Portfolio neu aufgenommen oder zugekauft haben wir Unternehmen, die von der durch die Corona-Krise sicherlich noch beschleunigten Digitalisierung stark profitieren werden wie Amazon, Microsoft, Apple, SAP oder Wix.com. Zudem haben wir die Gelegenheit genutzt, um sogenannte Dividenden-Aristokraten zu erwerben oder entsprechende Positionen auszubauen. Dazu zählen wir Allianz und Münchner Rück, die von der Krise nur mäßig betroffen, aber völlig übertrieben im Kurs gefallen sind. Aber auch BASF und Bayer, die unterhalb ihres bilanziellen Eigenkapitalwerts notieren. Sie liefern uns attraktive und stabile Dividendenrenditen zwischen sechs und acht Prozent. Die Corona-Krise wird vorübergehen, und wir positionieren unser Portfolio jetzt bereits für das Jahr 2021 und darüber hinaus.

Was wäre für Sie der "Worst Case", was der beste aller möglichen Fälle bei der Bewältigung der Corona-Krise?

Rathausky: Schlimm wäre es zum Beispiel, wenn das Virus mutieren und dies zu noch höheren Sterblichkeitsraten führen würde. Oder wenn die Notenbanken und die Politik nicht mehr bereit wären, alles zu tun, um die Wirtschaft mit Liquidität, Hilfskrediten und anderen Maßnahmen zu unterstützen. Es wäre auch schlimm, wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt auseinanderbrechen würde. Das könnte ich mir vorstellen, sollte der Shutdown zu lange anhalten. Der beste Fall wäre sicherlich, wenn die Gesundheitssysteme die schweren Krankheitsfälle auffangen könnten, der Shutdown bald zu Ende wäre, wir in Kürze einen Impfstoff hätten und die Konjunktur sich zügig erholen würde.

Und wie reagieren Ihre Anleger auf die aktuelle Entwicklung?

Rathausky: Dankenswerterweise sehr besonnen. Wir haben natürlich viele Nachfragen, es gibt aktuell aber keine größeren Mittelabflüsse. Manche nutzen sogar die Einstiegsgelegenheit. Ich denke, es zahlt sich nun aus, dass wir unsere Anleger immer sehr gut betreut und transparent informiert haben, sie verstehen unsere Strategie und unser Handeln. Deswegen sind sie auch nicht überrascht, dass wir das Portfolio nun so ausgerichtet haben, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen und von den Kursanstiegen in den nächsten Jahren zu profitieren. Für langfristig orientierte Investoren gibt es jetzt wieder große Chancen am Kapitalmarkt.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)