Olgerd Eichler ist schon lange im Geschäft, der Manager des Mainfirst Top European Ideas Fund und des Mainfirst Germany Fund hat bereits viele Höhen und Tiefen an der Börse erlebt. Aber auch für einen erfahrenen Manager von Nebenwerten waren die vergangenen Jahre ungewöhnlich: Trotz steigender Aktienmärkte blieben Small Caps teils deutlich hinter den großen Standardwerten zurück. Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE nennt Eichler die Gründe für diese Diskrepanz in der Vergangenheit und erläutert, warum diese Phase bald enden sollte – und mit welchen Titeln er davon profitieren möchte.


Herr Eichler, der von Ihnen gemanagte Mainfirst Top European Ideas Fund hat mit seinem Schwerpunkt auf Small und Mid Caps über die vergangenen drei und fünf Jahre zwar ordentlich performt. Allerdings wären Anleger mit Standardwerten zum Teil erheblich besser gefahren. Woher kommen die Unterschiede?

Olgerd Eichler: Schon seit ziemlich genau zehn Jahren laufen die Aktienmärkte in den USA viel besser als die Märkte in Europa oder China. Das liegt vor allem an der enorm guten Entwicklung der Technologiewerte, die noch einmal in der Entwicklung der "Magnificent Seven" kulminiert. US-Werte machen mittlerweile über 60 Prozent des MSCI World aus – das ist die Erklärung. Analysiert man generell die Gründe, warum Small und Mid Caps zurücklagen, übrigens nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, wo der Russell 2000 viel schlechter als der S&P 500 lief, so stößt man auf die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre. 

Was meinen Sie genau?

Eichler: Wir haben auf der Welt viel Unsicherheit gesehen, Stichworte Ukraine, Inflation und vorher Corona. Daher haben viele Anleger auf Sicherheit gesetzt, die man eher bei den großen Standardwerten findet. Bei Portfoliomanagern kam Folgendes hinzu: Wenn Sie sich keine langfristige Meinung über die Märkte und Aktien zutrauen sowie in der Folge nur auf kurze Sicht ins Risiko gehen, dann kaufen Sie keine Small Caps, sondern Blue Chips. Diese sind liquider und man kann sie notfalls schneller abstoßen. Es gab bei den Nebenwerten tatsächlich viele Schwankungen und zum Teil heftige Ausschläge. Das resultierte in dem eklatanten Auseinanderdriften der Performance von Large und Small Caps in steigenden Märkten, was ungewöhnlich ist.

Nach der Retrospektive: Schauen wir nach vorne! Wie sind die Aussichten von Nebenwerten? 

Eichler: Genau kann ich nicht vorhersagen, wann und wie Nebenwerte die großen Tanker outperformen werden. Aber es könnte bald passieren. Dafür gibt es eine Reihe an guten Gründen, angefangen damit, dass Small und Mid Caps im Moment günstig sind, weil sie zuletzt schlechter performten. Kleinere Unternehmen sind in vielen Fällen auch dynamisch und innovativ und damit Entwickler vieler neuer Trends, Dienstleistungen und Produkte – mit dem Ergebnis, dass sie größer und erfolgreicher werden. Daher sind ihre Aktien, wenn man in Zeiträumen von fünf oder zehn Jahren denkt, sowohl gemäß Lehrbuch als auch in der Praxis die besseren Performer. Der Kapitalmarkt per se hat normalerweise eine gewisse Präferenz für kleinere, jüngere Firmen…

… außer, wenn die Zeiten unsicher sind. 

Eichler: Genau. Aber die Chancen stehen gut, dass sich die politische Weltlage in diesem Jahr ein Stück weit klärt. Ich sage nicht, dass wieder eine Friedenszeit anbricht, aber dass die Ungewissheiten weniger werden. Ein anderer Faktor ist, dass es zuletzt nur wenige Fusionen und Übernahmen gab, ebenso nur sehr wenige Börsengänge. Das muss nicht so bleiben. Wenn kleinere Firmen von den großen Platzhirschen übernommen werden, dann zahlt sich das für Small-Cap-Investoren in der Regel aus.

Apropos Ungewissheiten: Ein großes Fragezeichen steht hinter der Zinspolitik der Notenbanken. Welche Entwicklung erwarten Sie – und was würde das für die Nebenwerte bedeuten?

Eichler: Ich gehe davon, dass die Notenbanken die Leitzinsen senken werden. Dann kann man in der Regel mit einer Anleihe nicht mehr so viel Geld verdienen, also werden sich Anleger wieder nach Alternativen umschauen und dabei sicher auch wieder auf Nebenwerte schauen, die wie erwähnt ja zudem günstig bewertet sind. 

Das ist ein sehr optimistischer Ausblick. Aber was ist mit den vielen Problemen? Um nur ein paar Stichworte zu nennen: Fachkräftemangel, Demografie, IT-Sicherheit, Energiekosten, politische Risiken,…

Eichler: Diese Probleme betreffen alle, auch die großen Unternehmen. Zudem ist keine Firma wie die andere, jedes Geschäftsmodell und vor allem die operative Umsetzung ist anders. Ich möchte nicht banal klingen, aber erfolgreiche Firmen setzen sich durch. Sprich: Man muss diejenigen im Portfolio haben, die schon in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie mit vielen Herausforderungen zurechtgekommen sind.

Und die haben Sie?

Eichler: Ja, man muss nur genau hinschauen. Nehmen Sie den Autovermieter Sixt, der auf Kunden setzt, die Automobile der gehobenen Kategorie leihen möchten. Oft für ein verlängertes Wochenende oder um einfach ein neues Modell zu testen. Beim Händler kann es sechs Monate dauern, bis dieser sie bekommt, Sixt hat sie nach einer Woche. Zudem stößt Sixt die Wagen nach rund einem Jahr wieder ab, Kunden bekommen also immer neue Fahrzeuge. Der Kundenservice ist auch schnell und gut. Dafür zahlen die Kunden gerne mehr, auch in den USA, wo Sixt gerade auf dem sehr großen Markt für Leihwagen expandiert. Das hat ferner den Vorteil, dass sich das Unternehmen von der schlechteren wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland unabhängiger macht. Außerdem gibt es Firmen, die von den genannten Problemen profitieren.

Welche?

Eichler: Ein Beispiel ist die Zeitarbeitsfirma Amadeus Fire, die wir im Portfolio haben. Wenn Sie eine Fachkraft etwa für die Buchhaltung oder IT benötigen, dann bekommen Sie über Amadeus Fire schnell eine. Nach rund 14 Tagen wissen Sie, was die Person leistet – wenn es passt, dann machen Sie ihr ein Jobangebot. Glauben Sie mir, fast alle Zeitarbeiter benutzen die Zeitarbeit als Sprungbrett, um Festanstellungen zu bekommen. Ein anderes Beispiel für ein Investment, das die Probleme der heutigen Zeit angeht, ist die Medacta. Wenn ich das kurz erläutern darf?

Nur zu…

Eichler: Die Alterspyramide steht auf dem Kopf und wird da auch bleiben. Die Menschen werden zudem fettleibiger, sodass der Gelenkverschleiß in der westlichen Welt immer weiter zunimmt. Probleme mit den Knien gab es vor 40 Jahren kaum. Heute dagegen sind künstliche Knie oder Hüften schon bei Menschen Ende 50 keine Seltenheit mehr. Medacta fertigt Hüft- und Knieprothesen sowie alle Geräte, die für eine schnelle Operation nötig sind. Das Unternehmen ist im Moment noch vergleichsweise klein, der weltweite Marktanteil liegt bei nur zwei Prozent. Dafür ist die Firma aber sehr innovativ und auch familiengeführt. Das ist ein großer Vorteil, auch von anderen Small Caps: Dass jemand die Firma managt, der sich wirklich drum kümmert und für diese brennt, weil er sie entweder selbst gegründet hat oder weiterführt.

Wir danken für das Gespräch. (jb)