Barbara Claus leitet das Research-Team für Publikumsfonds beim Analysehaus Scope. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE erklärt sie, warum zahlreiche Fonds auf Absicherungen gegen Marktschocks setzen und warum es auf mehr als den Schutz vor Kursrückschlägen ankommt, um wirklich auf lange Sicht Mehrwert für Anleger zu erzielen.


Frau Claus, wie verbreitet sind Absicherungen mit Derivaten in Publikumsfonds und wo liegen die besonderen Herausforderungen beim Einsatz solcher Instrumente?

Barbara Claus: Der Einsatz von Derivaten zur Absicherung ist bei Fonds weit verbreitet. Solche Absicherungen können helfen, das Portfolio vor Kursverlusten zu schützen. Wenn das Timing richtig war und Rückgänge vermieden werden, hat die Absicherung die Performance gesteigert. Auf der anderen Seite kann eine Absicherung zur falschen Zeit Rendite kosten.

Was meinen Sie mit falschem Zeitpunkt?

Claus: Zum falschen Zeitpunkt erfolgt die Absicherung vor allem dann, wenn es nicht zu einer Marktschwäche kommt. Was im Übrigen immer zu Buche schlägt, sind die Kosten der Absicherung.

Unterscheiden sich diese Kosten je nach Art der eingesetzten Derivate?

Claus: Ja, sogar deutlich: zum einen nach der Art der Derivate und dann auch nach dem Marktumfeld. Bei Optionen wird eine Optionsprämie fällig, deren Höhe variieren kann. Ein wichtiger Faktor ist dabei die von den Marktteilnehmern erwartete Schwankungsanfälligkeit der Märkte. Genau dann, wenn viele Marktteilnehmer fallende – also volatile – Märkte erwarten, wird die Absicherung durch Optionen besonders teuer. Der Grund liegt darin, dass bei den Optionspreisen neben weiteren Faktoren auch die erwartete, implizite Volatilität eine wichtige Rolle spielt. Der Einsatz von Futures ist dagegen erst einmal sehr günstig, da lediglich geringe Handelskosten anfallen. Die Futures-Position kann jedoch Performance kosten, wenn sich der Preis des Basiswertes in die falsche Richtung entwickelt, etwa wenn die Märkte steigen statt zu fallen.

Dann kommt es also auch beim Absichern auf die richtige Markteinschätzung an?

Claus: Ja, letzten Endes ist es mit der Absicherung wie mit anderen Investments auch: Wenn sich die damit verbundenen Erwartungen des Fondsmanagements erfüllen, bringt die Absicherung etwas. Ansonsten belastet sie die Wertentwicklung. In der Praxis zeigt sich regelmäßig, dass es für Investoren schwierig ist, Marktbewegungen vorherzusehen, und das Timing der Absicherungen ist daher oft suboptimal. Meist ist es für langfristig orientierte Anleger lukrativer, zwischen Volatilität und Verlustrisiken zu differenzieren und Marktschwankungen einfach auszusitzen. Risikoaverse Anleger sind mit der Absicherung, was die Abwärtsbewegungen angeht, zwar größtenteils auf der sicheren Seite, müssen dafür jedoch oft erhebliche Anteile an der Performance abgeben. 

Worauf ist bei derivativen Instrumente wie Optionen, Futures, Forwards zu achten?

Claus: Es gibt zwei wichtige Dimensionen: Die Standardisierung und das Risikoprofil. Die fortlaufende Handelbarkeit ist sowohl bei Futures als auch bei standardisierten Optionen ein Vorteil, da dadurch laufend ein Marktpreis ermittelt wird und die Positionen auch während der Laufzeit geöffnet und geschlossen werden können. Einen Vorteil gibt es jedoch auch bei den nicht-börsengehandelten Derivaten: Die Kontrakte sind nicht standardisiert und können daher individuell ausgestaltet werden, etwa auf Basiswerte, für die es keine standardisierten Optionen oder Futures gibt oder hinsichtlich der Vertragsbedingungen.

Und beim Risikoprofil?

Claus: Während Futures und Forwards ein symmetrisches Risikoprofil aufweisen, ist das Risikoprofil bei Optionen asymmetrisch. In der Praxis heißt das, dass durch den Kauf oder Verkauf eines Futures oder Forwards bei entsprechenden Kursbewegungen in gleicher Höhe Gewinne oder Verluste entstehen können. Bei Optionen unterscheidet man zwischen Kauf- und Verkaufsoptionen sowie Long- und Shortpositionen. Bei der Verkaufsoption, die gerne als Absicherungsinstrument eingesetzt wird, beschränkt der Käufer sein Verlustrisiko auf die Höhe der Optionsprämie, die der Verkäufer vereinnahmt, dafür jedoch im Extremfall das Totalverlustrisiko des Basiswertes trägt.

Unterscheidet sich der Nutzen von Derivaten zu Absicherungszwecken grundsätzlich vom Nutzen von Derivaten zur Performancesteigerung?

Claus: Vom Grundprinzip her ist für beide Einsatzmöglichkeiten ein potenzieller Nutzen gegeben. Dessen Höhe hängt jedoch stark von der Risikopräferenz des Anlegers ab. Derivate zur Performancesteigerung erhöhen das Portfoliorisiko insgesamt, während Derivate zur Absicherung das Portfoliorisiko senken – je nach Umfang des Derivateeinsatzes erheblich. Ein Vorteil bei der Absicherung ist psychologischer Natur: Wenn Fondskunden auch in Korrekturphasen investiert bleiben, vermeiden sie ein prozyklisches Kauf- und Verkaufsverhalten. Entscheidend ist aber die langfristige Fähigkeit des Fondsmanagements, einen Mehrwert für Anleger zu schaffen – idealerweise, indem es in fallenden Märkten absichert und in einem steigenden Marktumfeld überdurchschnittliche Performance erzielt.

Vielen Dank für das Gespräch. (jh)