Die Wiener Plattform Dagobertinvest, die Immobilienprojektträger und Anleger zusammenbringt, ist bei der Crowd-Finanzierung in eine neue Liga eingestiegen. Sie darf europaweit grenzüberschreitend nach einheitlichem EU-Standard arbeiten und dabei Wertpapiere und Kredite (sonst Banken vorbehalten) vermitteln. Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat Dagobertinvest vergangene Woche eine Lizenz "ohne Bedingungen und ohne Auflagen" erteilt, um als Schwarmfinanzierungsdienstleister auf Basis der ECSP-Verordnung (EU-Schwarmfinanzierungs-Verordnung) tätig zu werden. Es handelt sich laut dem Anbieter um die erste entsprechende Erlaubnis für einen Anbieter aus dem deutschsprachigen Raum.

"Damit kommen wir aus den qualifizierten Nachrangdarlehen heraus. Wir können jetzt besicherte Kredite und Wertpapiere mit unbedingtem Rückzahlungsanspruch vermitteln. Qualifizierte Nachrangdarlehen sind bei uns out. Wir bieten sie nicht mehr an", betonte Dagobertinvest-Gründer und Geschäftsführer Andreas Zederbauer bei einem Pressegespräch.

Ausbruch aus den AltFG-Regeln
Das qualifizierte Nachrangdarlehen ist das präferierte Vehikel aus dem 2015 eingeführten und 2018 novellierten AltFG (Alternativfinanzierungsgesetz), auf dessen Basis alle Crowd-Investing-Plattformen in Österreich, ausgenommen nun Dagobertinvest, arbeiten. In der Regel vermitteln Anbieter nach AltFG qualifizierte Nachrangdarlehen (wobei seit der Novelle auch Wertpapiere möglich wären). Diese Darlehen, bei denen die Gläubiger im Rang hinter allen anderen stehen, haben in der Vergangenheit zu etlichen hohen Anlegerverlusten geführt. Anders als beim Kredit gibt es beim qualifizierten Nachrang keine unbedingte Rückzahlungsverpflichtung; vielmehr darf ein Projektträger das Geld gar nicht zurückzahlen, wenn er in der Krise ist oder durch die Auszahlung seine Zahlungsfähigkeit gefährdet wäre.

Unter der EU-ECSP-Regulierung ist diese Produktform nun verboten. Eine Schwarmfinanzierung nach EU-Regeln kann ausschließlich durch Plattformen über Kredite und übertragbare Wertpapiere oder GmbH-Anteile erfolgen. Anleger haben einen unbedingten Rückzahlungsanspruch: Ein Projektträger muss einen Kredit zurückzahlen und kann sich nicht auf seine schwierige wirtschaftliche Lage berufen.

Garantien
Im Notfall könne die Projektgesellschaft in die Insolvenz geschickt werden, beziehungsweise hätten Anleger Anspruch auf die vertraglich zugesagten Garantien (die es bei qualifizierten Nachrängen nicht gibt). Als Sicherheit komme in dem neuen Modell nicht nur das Projekt selbst infrage. Anleger könnten ihr Geld im Umfeld, etwa bei Schwestergesellschaften oder beim wirtschaftlichen Eigentümer, einfordern, so Zederbauer.

Ab sofort würden in die Verträge Garantien der Projektträger aufgenommen. Dingliche Sicherheiten, etwa in Form einer Grundbucheintragung, kämen später dazu. Hier sei das Unternehmen in Abstimmung mit der FMA. "Wir rechnen damit, dass wir das in ein bis zwei Monaten ebenfalls machen können", so Zederbauer. Man müsse jedoch je nach Kreditstruktur des Projektes beurteilen, ob ein Grundbucheintrag Sinn macht: Die Bank steht weiter im ersten Rang, und eine Eintragung verursacht darüber hinaus Kosten.

Eigener Inkassodienstleister
Für die Regelung von Zahlungsverzügen der Projektgesellschaften hat Dagobertinvest ein eigenes Inkassobüro eingerichtet. "Für Anleger ist es sehr schwierig, kleinere Forderungen einzutreiben, weil der Aufwand zu groß ist", so Zederbauer. Anleger schließen künftig standardmäßig einen Servicevertrag mit dem Inkassobüro ab, das die Sicherheiten der Unternehmen gestaltet, verwaltet und einklagt, falls nötig. Die Kosten liegen bei 0,5 Prozent der Anlagesumme pro Jahr. Das Inkassobüro sei keine Vorschrift nach der ECSP-Verordnung. "Aus unserer Sicht können wir mit unbedingtem Rückzahlungsanspruch, Sicherheiten und dem Inkassobüro einen Anlegerschutz auf neuem Niveau bieten", so Zederbauer.

Zur Sicherheit kann auch noch erwähnt werden: Anbieter nach bisherigem AltFG-Standard werden von den Bezirksbehörden beaufsichtigt, für die ECSP ist die FMA zuständig. EU-Schwarmdienstleister dürfen bis zu fünf Millionen Euro in zwölf Monaten je Emittent finanzieren.

"Risikofinanzierung, kein Sparbuch"
Trotz der verbesserten Anlegersicherheit handle es sich bei den Produkten auf Dagobertinvest nach wie vor nicht um Sparbuchanlagen, wie der Geschäftsführer betonte. Angesprochen auf die Sicherheiten von Projektgesellschaften, die im Immobilienbereich oft in verschachtelten Konstruktionen stecken, sagte Zederbauer: "Es wird nicht alles eitel Wonne sein. Es gibt in jedem Immobilienprojekt Risiken. Gerade in einem Umfeld steigender Zinsen. Es gibt Einflussfaktoren, die wir nicht wegfiltern können. Über unsere Plattform stellen wir Risikokapital zur Verfügung, deshalb gibt es auch acht bis zwölf Prozent Zinsen."

Der Rahmen von acht bis zwölf Prozent wird sich je nach Sicherheit beziehungsweise Produkt (Fremdkapital/Eigenkapital) gestalten. Bei einem hypothekarisch besicherten Kredit gehe man aus heutiger Sicht von acht bis zehn Prozent für die Anleger aus, während bei schlechter besichertem Eigenkapital eher zehn bis zwölf Prozent drinnen sind.

Expansion
Die neue EU-weit gültige Schwarmfinanzierungslizenz dürfte auch die Expansionsbestrebungen unterstützen, für die sich Dagobertinvest heuer bereits am Aktienmarkt Kapital geholt hat. Man kann nun grenzüberschreitend nach einheitlichen EU-Vorgaben vorgehen und braucht nicht mehr die einzelnen nationalen Crowd-Investing-Regeln umsetzen. Eine enorme Erleichterung für das Unternehmen, das bis jetzt bereits in Deutschland und der Schweiz tätig war und weiter in acht Länder Südosteuropas expandieren will. In vier Wochen steht der Start in Tschechien auf dem Plan, wie Zederbauer sagte. Später sollen die Slowakei und Polen folgen. In den neuen Ländern wird das österreichische Unternehmen vorerst einmal hohe Marketinganstrengungen unternehmen müssen, um das Konzept vorzustellen. Crowd-Investing sei in diesen Märkten weitgehend unbekannt.

Dagobertinvest wurde 2015 gegründet und Ende 2021 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die auf Immobilien-Crowd-Investing spezialisierte Plattform vermittelt Bauträgern privates Kapital. Auf diesem Weg wurden bisher laut Unternehmensangaben 155 Millionen Euro an 323 Projekte vermittelt. Gut 60 Millionen Euro wurden bisher zurückbezahlt. (eml)