Noch sind es vor allem institutionelle Investoren, die im europäischen Markt für Hochverzinsliche engagiert sind. Doch Henning Lenz, Fondsmanager des WestAM Compass Fund Euro High Yield Bond Fund, glaubt an weiteren Aufholbedarf auch bei den Privaten und erläutert die mögliche Rolle der High Yields innerhalb der Asset-Allocation.

 

Herr Lenz, in den vergangenen Jahren hat es in Europa bei hochverzinslichen Rentenpapieren, sogenannten High Yields, unglaubliche Wachstumsraten gegeben. War der Nachholbedarf so groß?

 

Sie müssen sehen, dass der Markt in Europa ja wirklich neu war und sich deshalb von einem sehr niedrigen Niveau aus entwickelte. Und auch nach den hohen Zuwächsen macht der Sektor in Europa, mit Euro- und Pfund-Papieren, nur etwa zehn Prozent des amerikanischen aus.

 

Ist die Aufholjagd damit vorbei oder wächst das Segment weiter?

 

Es gewinnt stetig an Bedeutung, gerade auch im laufenden Jahr gibt es enorme Zuflüsse. Zahlreiche Leveraged Buy Outs, auch LBO genannt, bei denen Investoren eine Firma übernehmen, wurden mit solchen Papieren refinanziert. Es sind zwar noch hauptsächlich institutionelle Investoren am Markt, aber auch für Privatanleger sind solche Titel interessant - wegen der stetigen Einnahme der hohen Zinsen.

 

Aber wenn der amerikanische Markt immer noch viel liquider und größer ist, warum beschränkt sich dann Ihr Portfolio auf Europa?

 

Mit einem weltweiten Portfolio haben Sie natürlich eine breitere Diversifikation. Wir wollen jedoch einen Mehrwert nicht nur durch Diversifikation, sondern vor allem durch Selektion erreichen. Wir beschränken uns deshalb auf rund 45 bis 50 Titel im Portfolio, womit bereits eine ausreichende Risikostreuung erreicht wird.

 

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Papier zum High-Yield-Sektor gehört?

 

Rein formal muss eine Anleihe bei den großen Ratingagenturen ein Rating unter BBB aufweisen, um dazuzugehören...

 

...und wie reagieren Sie bei Veränderungen der Ratings?

 

Ratingveränderungen haben bei den Hochverzinslichen nicht annähernd so starke Auswirkungen wie bei den Papieren mit Investmentgrade, also einem guten Rating. Wenn Papiere mit Investmentgrade umgestuft werden, können sich starke Kursänderungen ergeben. Der High Yield Markt hingegen ist davon relativ unabhängig, weil die Akteure normalerweise eigene Analysen erstellen, um die Papiere einschätzen zu können. Das Urteil der Ratingagenturen ist da nur eine zusätzliche Information. Sie sehen das zum Beispiel an einer Anleihe wie Rhodia. Sie wurde diese Tage gleich um drei Grade herabgestuft, der Kurs hingegen hat nur leicht nachgegeben.

 

Normalerweise bedeuten hohe Zinsen auch hohe Risiken. Wo sind diese Papiere im Rahmen der Vermögensaufteilung, der Asset-Allokation, einzuordnen?

 

Ich würde sie zu den sogenannten Alternativinvestments zählen, jedenfalls sind es keine Kern-Investments wie Aktien oder Staatsanleihen. Denn sie bieten Unabhängigkeit von Zinssteigerungseffekten: Wenn das Zinsniveau klettert, fallen die Kurse der Staatsanleihen, was zu deutlichen Verlusten führen kann. Hochverzinsliche jedoch sind hier nicht so abhängig und bilden damit unter anderem bei erwarteten höheren Zinsen die Alternative schlechthin.

 

In wie weit hängt die Entwicklung der Papiere von der anderer Anlageklassen ab?

 

Die Korrelation zu Staatsanleihen ist sehr gering. Sie liegt längerfristig bei etwa 0,5. Wobei 1 eine gleichlaufende Entwicklung und 0 Unabhängigkeit bedeutet. Kurzfristig gibt es sogar noch wesentlich unabhängigere Phasen. Dies hat zur Folge, dass die Gesamtvolatilität eines Portfolios mit einer High-Yield-Beimischung tiefer liegt, bei gleichzeitig höherer Gesamtrendite.

 

Welcher Anteil im Depot ist sinnvoll, um einen solchen Diversifikations- und Renditesteigerungseffekt zu erzielen?

 

Das hängt individuell von der Risikofreude ab, aber in strategischer Hinsicht würde ich sagen, 10 bis 15 Prozent. In einem konjunkturellen Aufschwung kann der Anteil auch höher sein, bis zu 25 Prozent. Während einer Rezession sollten High Yields hingegen auch unter der strategischen Quote liegen.

 

Dann muss sich also der Investor stets Gedanken machen, welche Zeiten konjunkturell auf ihn zukommen?

 

Ein institutioneller Investor analysiert regelmäßig solche Bedingungen. Ein privater Anleger sollte sich überlegen, was er über den gesamten Zyklus verdienen kann: In den USA hat sich der Sektor in den vergangenen 20 Jahren nur in drei Jahren negativ entwickelt. Den größten Verlust gab es 1990, es waren vier Prozent. Die obere Grenze bildet 1991, als rund 36 Prozent erreicht wurden.

 

Welche Strategien gibt es, Risiken zu minimieren?

 

Innerhalb des High Yield- Portfolios gilt es, über ausreichend viele Titel zu streuen. Privatanleger sollten sich keine Einzeltitel ins Portfolio legen, dies kann zu bösen Überraschungen führen. Der Fondsgedanke ist hier wirklich sinnvoll.

Entscheidend ist aber die Kreditanalyse. Wir kaufen kein Wertpapier, ohne ein internes Rating aufwändig zu erarbeiten.

 

Welche Rolle spielt Ihr Index, der Merrill Lynch Euro High Yield - bauen Sie diesen möglichst genau nach?

 

Der Index dient nur dem Vergleich der Wertentwicklung. Wir agieren vollständig unabhängig von der Indexstruktur und investieren beispielsweise auch in Anleihen, die auf Britisches Pfund lauten, wobei wir die Währungsrisiken beim Pfund generell absichern. Zusammengenommen sind das rund 200 Titel.

 

Warum, denken Sie, entwickelt sich der Sektor gerade jetzt so stürmisch?

 

Staatsanleihen sind derzeit sehr niedrig verzinst und erleiden Kursverluste, wenn die Zinsen steigen. Gerade institutionelle Anleger wie Versicherungen suchen Alternativen, die nicht so volatil wie Aktien sind und trotzdem Erträge bringen, um die eigenen Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. High Yields drängen sich hier geradezu auf.

 

In welchem Szenario entwickelt sich der Sektor am besten?

 

Während Rezessionen leiden diese Papiere natürlich mit, weil die Ausfallwahrscheinlichkeit steigt. Im vergangenen Jahr hatten wir in Europa Ausfallraten von bis zu 20 Prozent. Konjunkturelle Seitwärtsbewegungen jedoch lassen sich lange aushalten, weil die vergleichsweise hohen Zinszahlungen Kursverluste gut kompensieren. Geht es aufwärts mit der Konjunktur, geht es den Unternehmen auch finanziell besser, und die Kurse werden steigen.