Der Interessenverband der österreichischen Versicherungsagenten (IVVA) zeigte sich verwundert über die aktuelle Thematisierung des Rücktrittsrechts in der Lebensversicherung und fordert umgehend "eine umfassende Stellungnahme" vom Versicherungsverband (VVO) ein. Dieser war am Dienstag um Beruhigung bemüht: "Entgegen den aktuellen Mediendarstellungen gehen wir gemäß den uns diesbezüglich vorliegenden Informationen davon aus, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt, die seitens unserer Mitgliedsunternehmen selbstverständlich einer eingehenden Prüfung unterzogen werden."

Hintergrund ist, dass sich österreichische Lebensversicherungen seit Tagen mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, bei Millionen von Polizzen die Rücktrittbelehrung nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Konkret sollen anstatt der vorgeschriebenen 30 Tage nur zwei Wochen mitgeteilt worden sein. Dieses Fehlverhalten soll dem Vernehmen nach über einen Zeitraum von 1994 bis 2012 vorgefallen sein. "Eigentlich kann man es kaum glauben: Fast zwei Jahrzehnte soll dem Versicherungskunden das Rücktrittsrecht nicht ausreichend oder nicht richtig erklärt worden sein. Stimmt das wirklich? Oder sind das Einzelfälle?", richtete sich der IVVA an den VVO.

Laut VVO-Statement sei letzteres der Fall und damit die Darstellung in einigen Medien überzogen. Tatsächlich gab es in Österreich bisher nur ein Urteil im Zusammenhang mit der in Luxemburg situierten Atlanticlux Lebensversicherung. Dabei bezog sich der OGH auf eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2013 gegen die Allianz Versicherung. Die Allianz hat in diesem Zusammenhang bereits Ende 2014 Verfassungsbeschwerde gegen mehrere Urteile des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) zum "ewigen Widerrufsrecht" bei Lebens- und Rentenpolizzen eingelegt. Eine Klärung wird noch für dieses Jahr erwartet.

Prozessfinanzierer bereitet Sammelklage vor
Um sich einen Überblick über die Situation in Österreich zu verschaffen, sammelt der Verein für Konsumenteninformation (VKI) seit einiger Zeit Fälle. Der Prozessfinanzierer Advofin gab bekannt, dass er auf Basis des OGH-Urteils eine Sammelklage vorbereite. Der VVO empfiehlt Kunden währenddessen, die Situation gut zu prüfen und nicht voreilig zu handeln. "Die österreichische Versicherungswirtschaft ist jedenfalls bemüht, gemeinsam mit den betroffenen Kunden, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse, die beste Lösung zu finden." (dw)


Lesen Sie zu dem Thema auch den aktuellen Kommentar von FONDS professionell-Chefredakteur Georg Pankl "Versicherer: Unbefristetes Rücktrittsrecht als fatales Signal".