Anlageentscheidungen sollen möglichst rational gefällt werden. Die Spieltheorie beschäftigt sich indes mit Situationen, in denen eine individuell getroffene Entscheidung, auch wenn sie auf rationaler Erwägung basiert, nicht zur besten Lösung führt. Das kann insbesondere in interaktiven Kollektivsituationen der Fall sein. Anschaulich wird das im sogenannten Gefangenendilemma.

Eigeninteresse vs. Kooperation
Das Gefangenendilemma beschreibt die folgende Situation. Zwei Verdächtige werden verhaftet und getrennt voneinander verhört. Gegen sie liegen ausreichend Beweise für ein geringes Verbrechen vor, nicht aber, um sie für ein Hauptverbrechen einzubuchten. Beide bekommen folgenden Deal angeboten.

Wenn einer kooperiert und den anderen verrät, der andere jedoch schweigt, dann wird der Verräter freigelassen und der Schweigende erhält die volle Strafe, beispielsweise zehn Jahre Gefängnis. Verraten sich beide gegenseitig, bekommen beide eine mittlere Strafe, zum Beispiel fünf Jahre. Wenn aber beide schweigen, bekommen sie jeweils nur ein Jahr für das geringere Verbrechen.

Individuum vs. Kollektiv
Das Gefangenendilemma illustriert den Konflikt, in dem die Beteiligten stecken: Den anderen zu verraten, verringert auf jeden Fall die individuelle Strafe oder lässt sie ganz entfallen, führt aber nicht zum kollektiv besten Ergebnis (ein Jahr für beide). Schweigen hingegen kann dazu führen, für alles allein einstehen zu müssen oder das beste Ergebnis fürs Kollektiv zu erzielen.

Efonds überträgt nun diese Situation auf verschiedene Immobilieninvestmentstrategien und die Verhaltensmuster von Anlegern in offenen und geschlossenen Immobilienfonds sowie bei Direktinvestitionen und kommt zum Ergebnis, dass kooperatives Verhalten und langfristige Perspektiven dazu beitragen können, die Stabilität und Effizienz von Immobilieninvestments zu erhöhen.

Verraten vs. Schweigen – Kündigen vs. Behalten
Offene Immobilienfonds ermöglichen es ihren Anlegern, ihre Anteile relativ zeitnah (mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten) zurückzugeben. Möchten mehr Anleger ihre Anteile zurückgeben, als es die jeweils aktuelle Liquiditätslage des Fonds zulässt, bekommt der Fonds Probleme, und die Anleger, die noch nicht gekündigt haben, stehen vor der Entscheidung, ihre Anteile ebenfalls zu kündigen (= Verraten im Sinne des Gefangenendilemmas) oder sie zu behalten (= Schweigen im Sinne des Gefangenendilemmas).

Wenn zu viele Anleger kündigen, muss der offene Immobilienfonds auch unter ungünstigen Bedingungen Immobilien verkaufen, was nicht nur den Rücknahmepreis drückt, sondern auch zu einem Wertverlust für die verbleibenden Anleger führt. Die erwartete Verschlechterung der Lage kann zu einer "Rette sich, wer kann"-Situation führen. Der steigende Verkaufsdruck sorgt für eine weitere Verschlechterung der Bedingungen. Nicht nur der Vorteil des individuellen Ausstiegs verschwindet zunehmend, es rückt auch die bessere Kollektivlösung in unerreichbare Ferne.

Offene vs. geschlossene Immobilienfonds
Offene Immobilienfonds könnten in solchen Situationen die Rücknahme von Anteilen aussetzen, um "das kollektive Interesse zu wahren und die Stabilität des Fonds zu sichern", schreiben die beiden Efonds-Autoren Jürgen Schott und Andreas Mense.

Weil es bei geschlossenen Fonds keine Kündigungsmöglichkeit gibt, sind ihre Anleger nicht dem Gefangenendilemma ausgesetzt. "Anleger sind sich bewusst, dass ihr Kapital für eine bestimmte Zeit gebunden ist, was die Wahrscheinlichkeit panikartiger Reaktionen reduziert", schreiben Schott und Mense. Der Verkauf eines Anteils an einem geschlossenen Fonds über den Zweitmarkt hat anders als die Rückgabe eines Anteils bei einem offenen Immobilienfonds keine Auswirkung auf die Liquiditätssituation des Fonds und tangiert die verbleibenden Anleger nicht. Allerdings bestimmen hier Angebot und Nachfrage den erzielbaren Preis. Nimmt die Anzahl der Verkaufswilligen zu, sinkt der Preis, den sie erzielen können. Geschlossenen Fonds droht daher weniger eine "Rette sich, wer kann"-Situation, sondern gegebenenfalls eine "Mitgefangen, mitgehangen"-Situation, denn die fehlende Kündigungsmöglichkeit ist kein Garant für den Fondserfolg.

Fonds vs. Direktinvestments
Wer direkt in eine Immobilie investiert, ist von den Entscheidungen anderer weitgehend unabhängig. Daher wirkt sich das Gefangenendilemma für Direktinvestitionen in Immobilien nicht so sehr aus. Allenfalls im Hinblick auf ein marktweites Dilemma, wenn also reihenweise Immobilien verkauft werden und daraufhin die Preise verfallen, ist es vergleichbar. "Diese kollektiven Verhaltensweisen können zu Marktverwerfungen führen, die den Wert von Immobilien negativ beeinflussen. Eine langfristige Investitionsstrategie und Diversifikation (insbesondere in Bezug auf Liquidierbarkeit) können dazu beitragen, diese Risiken zu mindern", heißt es im White Paper von Efonds.

Die kurze, gut aufbereitete und amüsant zu lesende Efonds-Studie kommt zu folgendem Fazit: Die Risiken, die aus kollektivem Verhalten erwachsen können, sind bei offenen Immobilienfonds größer als bei geschlossenen und bei Direktinvestitionen. Allerdings um den Preis erschwerter Liquidierbarkeit. Daher empfiehlt Efonds für Immobilieninvestments eine Anlagedauer von mindestens zehn Jahren einzuplanen, unabhängig vom jeweiligen Investmentvehikel. So könnten Marktzyklen durchlaufen und kurzfristige Schwankungen ausgeglichen werden. (tw)