Es war Anfang 2023, als die DWS mit einem sagenhaften Angebot auf Sabrina Reeh zukam: Sie soll den ältesten Aktienfonds des Hauses übernehmen, den DWS ESG Investa. Das Schwergewicht blickt auf eine mehr als 65-jährige Geschichte bei der DWS zurück. 1956 als DWS Investa aufgelegt und Anfang 2020 in DWS ESG Investa umgetauft, bringt der Aktienfonds heute rund 3,5 Milliarden Euro auf die Waage. Warum sich Sabrina Reeh der Herausforderung gestellt hat und worauf sie beim Investieren achtet, berichtet die 30-jährige Fondsmanagerin bei einem Spaziergang mit FONDS professionell in Frankfurt.


Frau Reeh, mit gerade mal 30 Jahren managen Sie den ältesten Aktienfonds der DWS, den 3,5 Milliarden schweren DWS ESG Investa. War das Ihr Ziel?

Sabrina Reeh: Es war mein Ziel, Portfoliomanagerin zu werden, aber ich habe nicht damit gerechnet, so früh in meinem Berufsleben einen Milliardenfonds zu lenken. Ich war ja auch noch gar nicht so lange im Unternehmen. Ich hatte erst im April 2021 von der UBS, wo ich insbesondere als Analystin für deutsche Aktien arbeitete, zur DWS gewechselt. Hier war ich zunächst als Analystin für europäische Industriewerte tätig und als Co-Managerin der beiden Industrial-Portfolios, die Marcus Poppe verantwortete. Außerdem bin ich zusammen mit elf anderen Fondsmanagerinnen für den DWS Invest ESG Women for Women zuständig. 

Wie kam es zu dem Angebot, den DWS ESG Investa zu managen?

Reeh: Als die DWS zu Jahresbeginn das deutsche mit dem europäischen Aktienteam vereinte, hat sie die Leitung des Teams bekanntlich an Marcus Poppe und Philipp Schweneke übertragen. Im Portfoliomanagement kam es zu mehreren Personalrochaden. Für den DWS ESG Investa haben Marcus und Philipp unabhängig voneinander mich als Fondsmanagerin gesehen.

Was haben Sie gedacht, als die beiden mit dem Vorschlag auf Sie zukamen?

Reeh: Als Marcus mir vorgeschlagen hat, den DWS ESG Investa zu managen, habe ich zuerst gesagt: "Das kann nicht dein Ernst sein!" Darüber musste ich zunächst eine Nacht schlafen. Ich hatte riesigen Respekt davor, ein Milliardenprodukt zu managen. Aber ich hatte auch Lust auf diese Herausforderung und habe rasch zugestimmt.

Können Sie sich daran erinnern, wann Sie begonnen haben, sich mit dem Thema Kapitalmärkte, Börsen und Investieren zu beschäftigen?

Reeh: Mein Interesse an Wirtschafts- und Finanzthemen habe ich während der Schulzeit entdeckt. Wir haben als Familie morgens immer zusammen indischen Chai getrunken, denn mein Vater ist Inder. Er hat dabei die "FAZ" gelesen. Als ich zwölf Jahre alt war, hat er angefangen, mir den Wirtschaftsteil hinzulegen. Wir haben uns über viele Themen unterhalten, einen unserer "Vater-Tochter-Tage" haben wir an der Frankfurter Börse verbracht. Das mag sich vielleicht seltsam anhören, aber ich fand das damals schon unglaublich spannend. Dass ich beruflich etwas mit Wirtschaft machen wollte, war mir schon früh klar.

Seit März managen Sie offiziell den DWS ESG Investa, der überwiegend in deutsche Standardwerte investiert. Was haben Sie denn seitdem verändert?

Reeh: Insgesamt habe ich an der Strategie nichts verändert. Ich habe den Fonds aber etwas defensiver aufgestellt. Der Dax, die Benchmark des Blend-Fonds, ist seit September vergangenen Jahres ja schon sehr stark gelaufen. Daher möchte ich lieber etwas mehr trockenes Pulver haben, um Investitionschancen nutzen zu können. Diese sehe ich künftig vor allem in den Bereichen Energieeffizienz, Elektrifizierung und Automatisierung. In Branchen, in denen ich zunächst weniger Expertise hatte, habe ich viele Unternehmen getroffen. Persönliche Treffen vor Ort, auf die ich mich immer sehr gründlich vorbereite, sind mir wichtig. Natürlich sind Kennzahlen und Analysen unverzichtbar, aber ich möchte den Managern eines Unternehmens auch in die Augen schauen, sie als Persönlichkeiten wahrnehmen.

Wie geht es Ihnen als junger Portfoliomanagerin inzwischen mit dem alten Milliardenfonds? 

Reeh: Das ist selbstverständlich eine große Verantwortung, aber ich komme damit gut zurecht. Natürlich belastet es mich, wenn Kurse fallen. Das habe ich im vergangenen Jahr mit den beiden Industriefonds erlebt, so etwas schlägt einem schon aufs Gemüt. Aber ich habe mir in Ruhe das Portfolio angeschaut und mir gesagt: "Okay, du hast deine Arbeit absolut gewissenhaft gemacht, mehr konntest du nicht tun." Ich denke, für eine gute Fondsmanagerin oder einen guten Fondsmanager ist es wichtig, sich eine gewisse Gelassenheit zu bewahren, damit man in schwierigen Situationen nicht blockiert ist. 

Welche Eigenschaften sind für diesen Beruf sonst noch wichtig?

Reeh: Eine schnelle Auffassungsgabe, sehr gute analytische Fähigkeiten und Flexibilität sehe ich als Voraussetzungen für den Erfolg. Aber es kommt auch auf Intuition und Menschenkenntnis an, das wird oft unterschätzt.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)


Ein Porträt von Sabrina Reeh finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 2/2023 von FONDS professionell ab Seite 100. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.