Crowdfunding ist endgültig in der Wirtschaft angekommen und hat sich als dynamische Finanzierungsoption für innovative Unternehmen etabliert", freute sich Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck Anfang September anlässlich des dreijährigen Bestehens des Alternativfinanzierungsgesetzes (AltFG). Es bildet für die Crowdfunding-Szene einen liberalen rechtlichen Rahmen, damit Klein- und Mittelbetriebe und Start-ups eine Alternative zum "restriktiven klassischen Kreditbereich haben", so Schramböck. Was sie dabei nicht sieht: Das meiste Crowdkapital fließt nicht in junge und innovative Unternehmen, sondern in Immobilienprojekte.

Seit der Novelle des AltFG und des Kapitalmarktgesetzes (KMG) im vergangenen Sommer dürfen Unternehmen ohne Auflage eines Prospekts vier Millionen Euro von Investoren einsammeln, zwischen vier und acht Millionen gilt eine vereinfachte Prospektpflicht. Für die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung geht die Liberalisierung nicht weit genug. Sie fürchten für heimische Betriebe Wettbewerbsnachteile gegenüber Ländern, die noch größere Freiheiten für die Kapitalbeschaffung haben.

Dabei dürften die Interessenvertreter nicht vor Augen haben, dass durch die Gesetzesänderung noch mehr Geld in Immobilien fließen dürfte. Der Kapitalbedarf in diesem Bereich ist riesig, weil die Projektvolumen nicht zuletzt wegen der steigenden Grundstücks- und Baukosten größer werden. Aus diesem Grund überrascht es nicht, dass die "Nachfrage und das Wissen insbesondere auf Emittentenseite stark gestiegen" sind. Das berichtet Philipp Hain, Geschäftsführer der auf Immobilien spezialisierten Crowdinvesting-Plattform Reval.

Immobilien in Führung
Immobiliengeschäfte haben der Crowdinvesting-Branche in den vergangenen drei Jahren zu ihrem kräftigen Umsatzwachstum verholfen. Es gibt mit Dagobertinvest, Home Rocket, Immofunding, Rendity und Reval gleich fünf Plattformen, die ausschließlich Kapital für Immobilienprojekte einsammeln. Und auch bei der auf Start-ups spezialisierten Plattform Conda werden hin und wieder größere Bauvorhaben finanziert – die neuen Stadien der Fußball-Bundesligisten Rapid Wien und Austria Wien inklusive.

2017 hatten Immobilien bereits einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Allein die auf dieses Thema spezialisierten Plattformen haben knapp 14 Millionen Euro umgesetzt. Den 15 größten Projekten stellten rund 4.000 Anleger etwa 7,9 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu zählt das Hotelprojekt der ehemaligen Skirennläufer Hermann Maier und Rainer Schönfelder, das über Conda sogar 1,2 Millionen Euro generierte.

"Im Gesamtmarkt entwickelt sich der Immobilienbereich mit der größten Dynamik", erläutert Wolfgang Deutschmann, Geschäftsführer der Rocket Holding. Branchenkollege Saša Radić, Geschäftsführer bei Conda, betont aber: "Nichtsdestotrotz erkennen wir auch weiterhin die Bereitschaft der Crowd, in spannende Start-ups sowie KMU zu investieren." Die Zahlen dazu sprechen eine deutliche Sprache: Im ersten Halbjahr 2018 hatten die Immobilien einen Marktanteil von 72 Prozent. In ihrem Schatten steht die Finanzierung von Start-ups und Projekten, was durchaus mit der Situation in Deutschland zu vergleichen ist. Auch im Nachbarland geben die Immobilienprojekte im Crowdinvesting-Markt den Ton an.

Neue Anlageformen
Die Crowdinvestoren beteiligen sich an den Projekten zumeist über Nachrangdarlehen. FONDS professionell hat bei den Plattformen nachgefragt, inwieweit die neuen gesetzlichen Freiheiten bei der Wahl der Anlageform ausgeschöpft werden sollen. Die ­Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Die steirische Rocket Holding, von der die Plattformen Green Rocket, Home Rocket und Lion Rocket betrieben werden, ist offen für Neues und will von der neuen Prospektverordnung Gebrauch machen. Das gilt gleichermaßen für Start-ups, etablierte Unternehmen und Immobilienprojekte.

In Deutschland stehen zurzeit Anleihen hoch im Kurs, die dort sogar bis zu einem Emissionsvolumen von acht Millionen Euro prospektfrei ausgegeben werden dürfen. Hierzulande zeichnet sich momentan Zurückhaltung ab. Deutschmann, dessen älteste Plattform Green Rocket im Jahr 2013 online ging, favorisiert zurzeit ein anderes Vehikel: "In der Unternehmensfinanzierung sind vor allem ­Aktienemissionen ein spannendes Thema. Durch die Änderung des Aktiengesetzes können kleine und mittlere Unternehmen an die Börse gehen, ohne in Bürokratie zu versinken und sich vor den Kosten fürchten zu müssen."

Sehr zurückhaltend bei Veränderungen ist die Plattform Dagobertinvest, was Geschäftsführer Andreas Zederbauer wie folgt begründet: "Wir werden weiter in hoher Frequenz Emissionen zwischen einer halben und einer Million Euro machen, weil das dem Crowd-Gedanken näher kommt und von ­unseren Anlegern geschätzt wird." Aus seiner Sicht ergeben größere Emissionen über ­Anleihen, die mitunter schwer zu verstehen seien, jedenfalls im Moment keinen Sinn. ­Dabei stellt sich die grundlegende Frage, ob die Crowd größere Investments überhaupt ­heben kann. "Denn Wertpapiere wie Anleihen bedingen ein höheres Volumen pro Projekt oder für ein Portfolio", erklärt der Immobilienexperte Hain. (ae/gp)


Den ausführlichen Bericht mit einer tabellarischen Darstellung  der größten Crowdprojekte in Österreich finden Sie in der neusten FONDS professionell-Ausgabe 4/2018. Angemeldete FONDS professionell KLUB-Mitglieder können den Beitrag auch hier im E-Magazin abrufen.