Fonds gibt es in schier unüberschaubarer Zahl. Österreichs Anleger können aus weit über 11.000 hierzulande zugelassenen ausländischen Fonds und über 2.000 Produkten von österreichischen Kapitalanlagegesellschaften wählen. Man sollte meinen, für jedes Bedürfnis ist ein Produkt zur Stelle. Dennoch bekommen Kunden in vielen Fällen nicht das, was sie wollen. Oft werden ihnen risikoreichere Produkte vermittelt oder Nachhaltigkeitswünsche werden aktiv zurückgewiesen.

Dieses Fazit ziehen die Analysten der Arbeiterkammer (AK) nach der Auswertung einer Mystery-Shopping-Tour im vergangenen Sommer. Im Zentrum stand unter anderem die Frage, wie weit Nachhaltigkeit im Vertrieb bereits verankert ist. Testkäufer nahmen dabei 93 Beratungstermine in elf Banken sowie bei 14 Direktvertrieben von Versicherungen, 15 Vermögensberatern und 14 gewerblichen Versicherungsvermittlern wahr, die nach Zufallsprinzip ausgewählt wurden, wie es heißt.

Unpopuläre Nachhaltigkeit
Das zentrale Ergebnis: Nachhaltigkeit ist in erstaunlich vielen Vertrieben extrem unpopulär. 90 Prozent der Berater machten nicht von selbst auf nachhaltige Optionen aufmerksam, sondern mussten von den Testkäuferinnen darauf angesprochen werden. Nur zwei Banken (Sparkasse Baden und Raiffeisenbank Baden) sowie zwei Vermögensberater boten den Kunden aktiv Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen an. Außerdem führten 40 Prozent der Getesteten die seit August 2022 gesetzlich vorgeschriebene Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen formal nicht durch.

Wobei die Vermögensberater besser abschnitten: Sie fragten die Nachhaltigkeitspräferenzen in zwölf von 15 Fällen bereits im Erstgespräch oder spätestens beim zweiten Beratungstermin strukturiert ab und dokumentierten diese. Bei den Versicherungen fragten ebenfalls nur drei die Nachhaltigkeitspräferenzen nicht strukturiert ab. Demgegenüber kam die Nachhaltigkeitspräferenz bei rund der Hälfte der gewerblichen Versicherungsvermittler nur mittels allgemein gehaltener Fragestellungen zur Sprache, ohne die Antworten verbindlich zu erfassen und festzuhalten, wie es heißt.

Keine Protokolle
In den meisten Fällen händigten die Berater nach der Anlageberatung außerdem keine detaillierte Dokumentation der besprochenen Nachhaltigkeitspräferenzen aus. Kein einziger getesteter gewerblicher Versicherungsvermittler händigte ein Beratungsprotokoll aus. Den besten Wert erzielten die Vermögensberater, wo dies 26 Prozent taten. Vereinzelt wurde zumindest das standardisierte Anlegerprofil in Papierform oder digital übermittelt. Einen separaten schriftlichen Beratungsnachweis zu den ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) lieferte hingegen eine kleine Minderheit. Ohne schriftliche Dokumentation bleibt die Überprüfbarkeit, ob die Kundenpräferenzen in die Anlagestrategie aufgenommen wurden, nur begrenzt, kritisiert die AK.

Sehr häufig rieten Berater außerdem aktiv von nachhaltigen Produkten ab: Ein Fünftel der Bankbetreuer und ein knappes Drittel bei den Vermögensberatern und Versicherungsvermittlern taten dies. Als Argument wurde eine angeblich schlechtere Performance angeführt oder etwa, dass langfristige Beobachtungen noch fehlen würden. Ersteres wird in langfristigen Untersuchungen widerlegt. Letzteres ist insofern erstaunlich, weil Fondsgesellschaften in der Regel betonen, dass sie schon seit Jahrzehnten nach nachhaltigen Kriterien veranlagen, die Produkte nur heute auch wirklich so heißen.

Umweltzeichen?
Erstaunlich ist auch, dass das staatliche Österreichische Umweltzeichen für Finanzprodukte (UZ49) in der Beratung fast ein Phantomleben führt – es ist weitgehend unbekannt, obwohl das Label zu den wichtigsten und strengsten in Europa zählt und eine Erwähnung des UZ49 nach Wahrnehmung der Redaktion bei kaum einer Beraterschulung fehlt. Dennoch konnten nur fünf der getesteten Vermittler in Banken (45 Prozent) dieses Siegel eindeutig erkennen und in Ansätzen beschreiben. Dem Direktvertrieb der Versicherungen war das UZ49 laut den Angaben sogar weitgehend unbekannt, aber immerhin konnten beim zweiten Termin oder nach einem Check beim Backoffice 43 Prozent das Siegel teils erklären. Bei den gewerblichen Versicherungsvermittlern konnte nur ein Drittel damit etwas anfangen. Am besten waren die Vermögensberater, die zur Hälfte Bescheid wussten.

Testkriterien
Die Testkäufer hatten vorgegeben, dass sie einen Einmalerlag von 20.000 Euro investieren wollen und optional voraussichtlich in den kommenden Jahren monatlich weitere 200 Euro ansparen können. Dabei verlangten die Mystery-Kunden eine Veranlagung im "mittleren Risikobereich" mit einer Kapitalbindung von sieben bis zehn Jahren. Sprachen die Berater Nachhaltigkeitsaspekte nicht von sich aus an, setzten die Testkunden die Initiative.

Die Tester zeigten sich insgesamt unzufrieden mit der Nachhaltigkeitsberatung. Nur eine Minderheit konnte die Produktvorauswahl gezielt auf Basis der individuellen Nachhaltigkeitswünsche der Kundschaft treffen. Vor- und Nachteile verschiedener Nachhaltigkeitsansätze konnten nur selten transparent erläutert werden, und auf Verständnisfragen wurde wenig eingegangen, heißt es.

Risikofragen
Zweifel an der Qualität der Beratung ergaben sich auch, weil die von den Testkäufern angegebene mittlere Risikostufe "in den überwiegenden Fällen erhöht wurde", wie Studien-Mitautor Christian Prantner erklärte. Als Begründung hätten die Berater wiederholt mit dem langen Anlagehorizont und einer größeren Produktauswahl bei einem ausgeweiteten Risikospektrum argumentiert. Grundsätzlich können höhere Risiken – worunter meist ein höherer Aktienanteil verstanden wird – für die Rendite deutlich besser sein. Aktien haben auf lange Sicht in den vergangenen Jahren stets Vorteile gebracht. Gleichzeitig geht es natürlich darum, dies den Kunden auch ausreichend zu erklären. Prantner sieht eine weitere Problemzone: Fonds mit höherem Aktienanteil sind in der Regel teurer; Banken hätten allein aus den höheren Rückvergütungen, die sie von den Anlagegesellschaften für die Vermittlung solcher Fonds erhalten, ein Eigeninteresse, eher diese Produkte als ein weniger risikoreiches zu verkaufen, wie er gegenüber der Redaktion betont.

Was die Transparenz betrifft, können viele Anbieter auch noch an der Offenlegung von Kosten bei fondsgebundenen Lebensversicherungen arbeiten: Die Erhebung habe gezeigt, dass die Testkunden "sehr häufig" nur unzureichende Informationen über die konkreten Vermittlungskosten erhielten – und das, obwohl sie ausdrücklich danach fragten. (eml)