Henning Gebhardt, seit Januar 2017 Leiter Wealth and Asset Management bei Berenberg und seit genau einem Jahr in Personalunion Chef-Navigator des Berenberg Aktien-Strategie Deutschland, ist ein Freund klarer Worte – und Optimist. Für deutsche Aktien sieht er dank solide wachsender Unternehmensgewinne weiter Potenzial. Dem Dax traut er bis Jahresende einen Stand von 13.700, auf Sicht von zwölf Monaten sogar von 14.200 Punkten zu.

Im Interview mit FONDS professionell ONLINE erklärt Gebhardt, mit welcher Taktik er an dieser Entwicklung teilhaben will, wie er zum Thema "Künstliche Intelligenz" steht und weshalb er von reinen Größenkategorien bei der Aktienauswahl wenig hält.


Herr Gebhardt, der Berenberg Aktien-Strategie Deutschland hat, seit Sie ihn managen, eine Performance von rund elf Prozent erzielt, seit Jahresbeginn sind es knapp sechs Prozent. Sind Sie zufrieden?

Henning Gebhardt: Wenn Sie den Markthintergrund sehen: Auf jeden Fall! Wir liegen circa fünf Prozent vor dem Vergleichsindex. Gemessen an unseren Wettbewerbern sind wir in den Top Ten. Das ist doch nicht schlecht und entspricht darüber hinaus unserem Anspruch. Ein bisschen mehr Performance kann es zwar immer sein, aber im Großen und Ganzen ist es in letzter Zeit gut gelaufen.

Sie haben den ehemals von Ihnen verantworteten DWS Aktienstrategie Deutschland, der nun von Tim Albrecht gemanagt wird, seit Mitte Juni 2017 um eine Nasenlänge outperformt. Freut Sie das? 

Gebhardt: Ich würde lügen, wenn ich nicht sage: Ja, natürlich! Spaß beiseite: Das hat weniger etwas damit zu tun, dass das mein alter Fonds ist. Tim Albrecht ist ein sehr guter Fondsmanager, ich habe immer gerne mit ihm zusammengearbeitet und schätze ihn auch sehr. Meine Freude kommt viel eher daher, dass wir es bei Berenberg in so kurzer Zeit geschafft haben, einen der besten Deutschlandfonds aufzulegen, den es auf dem Markt gibt.  

Haben Sie den anlagestrategischen Ansatz Ihres alten DWS-Fonds abgewandelt?

Gebhardt: Nein, es gibt nur ein paar Facetten, die mein Team und ich anders machen, aber ansonsten ist es das bewährte Konzept. 

Heißt konkret?

Gebhardt: Das heißt: Wir haben keine Vorurteile und schließen keine einzige deutsche Aktie aus. Wir schauen uns auch wirklich die kleinsten Werte an und suchen nach Geschäftsmodellen, die langfristig von strukturellen Veränderungen profitieren. 

Und wo finden Sie die? 

Gebhardt: Ein solches Wachstum gibt es in fast allen Nischen und Sektoren. Daher ist der Fonds auch als All-Cap-Fonds und nicht als reines Nebenwerte-Portfolio angelegt. Er besteht zwar zu 60 Prozent aus größeren Aktien, allerdings spielt die Musik schon seit Längerem in den 40 Prozent Nebenwerten, die wir im Portfolio haben. Dieses Jahr haben wir auch im IPO-Umfeld einige Firmen entdeckt, die positiv zur Entwicklung des Fonds beigetragen haben und auch mittelfristig ein wichtiger Bestandteil bleiben werden. 

40 Prozent Nebenwerte ist allerdings viel, wenn man bedenkt, dass diese Aktien bei einem Marktrücksetzer in der Regel am meisten verlieren. Wie gehen Sie angesichts der fragilen Börsensituation damit um?

Gebhardt: Das beschäftigt mich wenig. Man sollte nicht versuchen, den Markt zu timen, sondern investiert bleiben und lieber mal eine Delle durchstehen. Meine Erfahrung ist: Langfristig kommt die Performance zurück. Zudem ist der Fonds wegen der Nebenwerte einfach sportlicher unterwegs. Ein Rücksetzer ist da halt schwer abzufedern, das sollten Anleger daher auch nicht erwarten. 

Gibt es einen Sektor, der für Sie besonders interessant ist?

Gebhardt: Nein, im Moment haben wir ein starkes Übergewicht in IT- und Industrie-Werten. Das sind die Bereiche, in denen wir, auch historisch, die Firmen gefunden haben, die zum einen eine größere Wachstumsrate als der Markt hatten, und die sich auch vom Geschäftsmodell sehr gut entwickelt haben.

Wenn Sie tatsächlich, wie Sie sagen, vorurteilsfrei auf alle Werte schauen: Gilt das auch für den seit Kurzem börsennotierten Anteilschein Ihres Ex-Arbeitgebers DWS?

Gebhardt: Nein (lacht). Aber im Ernst: Natürlich haben wir auch auf die DWS-Aktie geschaut und wie deren Bewertung zum aktuellen Preis ist. Das geschieht aber wirklich vollkommen vorurteilsfrei. Das muss es ja auch, sonst wären wir schlechte Fondsmanager. 

Die Allianz-Aktie ist laut dem letzten Rechenschaftsbericht eine Top Holding in Ihrem Portfolio. Weshalb setzen Sie im Niedrigzinsumfeld ausgerechnet auf einen Versicherer

Gebhardt: Bei der Interpretation der Top-Holdings eines Fonds muss man immer differenzieren, denn die Angaben spiegeln nicht ganz die tatsächliche Allokation wieder, da wir auch Single-Stock-Futures zur Kursabsicherung einsetzen. Diese müssen Sie immer dazuzählen. Wenn Sie das bei dem von mir verantworteten Fonds tun, ist die SAP-Aktie die größte Position.

Dennoch: Zurück zur Allianz…

Gebhardt: Man muss konstatieren, dass der Konzern in der Vergangenheit vieles richtig gemacht hat, vor allem auf der Kostenseite. Zudem ist die Allianz nicht so stark vom Lebensversicherungsgeschäft und den niedrigzinsbedingten Problemen abhängig, weil sie der größte Sachversicherer ist. 

Sie betreiben klassisches Stockpicking mit persönlichen Vor-Ort-Besuchen der Firmen, die im Portfolio vertreten sind. Haben Sie dennoch mal überlegt, künstliche Intelligenz einzusetzen

Gebhardt: Künstliche Intelligenz oder kurz KI ist vielfach nur ein modisches Buzz-Wort. Wir setzen uns aber tatsächlich intensiv damit auseinander. Begleitend kann das sehr interessant sein. Es gibt viele brachliegende Informationen im Netz, die man auswerten kann, beispielsweise die Stellenausschreibungen auf der Homepage eines Unternehmens in Bezug auf eventuell anstehende Änderungen. Allerdings machen die KI-Systeme im Moment noch viele Fehler. Die Fonds, die zu 100 Prozent beim Management oder bei Handelsstrategien auf KI setzen, haben noch keine wirklich überzeugenden Resultate geliefert.

Das Volumen des Berenberg Aktien-Strategie Deutschland ist seit Ihrer Übernahme vor einem Jahr von neun auf knapp 100 Millionen Euro gestiegen. Können Sie sagen,  wie viel davon auf Mittelzuflüsse und nicht auf die Wertentwicklung zurückgeht?

Gebhardt: Von den gut 90 Millionen Wachstum sind etwa 78 Millionen neues Geld, der Rest kommt aus der Performance. Ohne nennenswerte Vertriebsaktivität dahin zu kommen, finde ich ziemlich respektabel. Natürlich wäre mehr schöner, aber die Branche funktioniert nach dem "Henne-Ei-Phänomen"

Was meinen Sie damit? 

Gebhardt: Es gibt bei vielen Kunden die Regel, dass ein Fonds zunächst 100 Millionen Euro und drei Jahre Track-Record braucht, bevor man sich damit als Investment beschäftigt. Jetzt haben wir schon mal die 100 Millionen. Den Vertrieb für diesen Bereich haben wir gerade erst aufgebaut, ein weiterer Mitarbeiter kommt noch im Juli, eine weitere Kollegin im September. Ich sage nur so viel: Lassen Sie sich überraschen!

Wir danken Ihnen für das Gespräch. (jb)