Bei den Kosten von Fonds kommt es nicht nur auf die ausgewiesene TER an, sondern auf zusätzliche Komponenten, die darin nicht enthalten sind. Alexander Romanski von der Kapitalverwaltungsgesellschaft R.I. Vermögensbetreuung und Gösta Jamin, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, haben 50 große deutsche Fonds im Hinblick auf ihre Kosten durchleuchtet. Im folgenden Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE stellen sie ihre Analyse vor.


Im Dreieck zwischen Anleger, Anlageberater und Fondsgesellschaft spielen die Kosten von Fonds eine zentrale Rolle. Dabei verfolgen die drei Parteien durchaus unterschiedliche und teilweise gegensätzliche Interessen: Anleger sind an möglichst geringen Gesamtkosten interessiert, um ihre Rendite nach Kosten zu maximieren. Anlageberater wollen für ihre Kunden eine möglichst gute Performance ausweisen, gleichzeitig aber einen angemessenen Anteil der Fondskosten als Kompensation für ihre Beratungsleistung erhalten. Fondsgesellschaften wollen in veröffentlichten Fondsrankings mit der erzielten Performance gut dastehen, gleichzeitig aber möglichst viel für die erbrachte Leistung des Portfoliomanagements vereinnahmen.

Für Anleger und Anlageberater ist es – im Unterschied zur Fondsgesellschaft – eine Herausforderung, sich vollständige Transparenz über die Kosten von Fonds zu verschaffen. Zwar wird durch den verpflichtenden Ausweis der Total Expense Ratio (TER) versucht, eine gewisse Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Fonds herzustellen. Allerdings enthält die TER nicht alle tatsächlich anfallenden Kosten. Nicht enthalten sind – neben dem Ausgabeaufschlag – erfolgsabhängige Vergütungen, Zinsen aus Kreditaufwendungen, Transaktionskosten, sonstige Aufwendungen und Kosten für Sicherungsgeschäfte. Diese werden zwar zum Teil in den Geschäftsberichten von Fonds ausgewiesen, nicht aber in die TER hineingerechnet.

50 der größten deutschen Fonds ausgewertet
Für Anleger und Anlageberater ist es wichtig, diese Gesamtkosten zu kennen, um ihre eigene Position im oben beschriebenen Dreieck mit der Fondsgesellschaft zu kennen. Vor diesem Hintergrund hat Alexander Romanski im Rahmen seiner Masterarbeit im MBA Digital Finance, Strategie und Accounting an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen die Gesamtkosten für 50 große Fonds in Deutschland für den Zeitraum von 2015 bis 2020 ausgewertet, für die vergleichbar auswertbare Daten vorliegen. Der Datensatz enthält sowohl aktive als auch passive Fonds mit einem Gesamtvolumen von nahezu 100 Milliarden Euro.

Die drei betrachteten Größen sind die ausgewiesene TER, die reale TER als Summe aus ausgewiesener TER sowie erfolgsabhängiger Vergütungen, Zinsen aus Kreditaufwendungen, Transaktionskosten und sonstigen Aufwendungen und der Spread als Differenz zwischen ausgewiesener und realer TER. Ausgabeaufschläge sowie Kosten für Sicherungsgeschäfte blieben in der Analyse unberücksichtigt. Ausgabeaufschläge fallen nicht innerhalb des Fonds an, sondern müssen bei Kauf eines Fondsanteils separat vom Anleger gezahlt werden. Kosten der Absicherung fallen zwar auf Ebene des jeweiligen Fonds an, sind aber anhand der Jahresberichte nicht zu identifizieren. Diese beiden Kostenarten konnten deshalb bei der Analyse nicht berücksichtigt werden.


Wie groß der Unterschied zwischen ausgewiesener und realer TER bei den größten deutschen Fonds und ETFs ist, erfahren Sie in der Grafikstrecke oben – einfach weiterklicken! Die gesamten Ergebnisse sind unter diesem Beitrag als Tabelle im PDF-Format abrufbar.


Folgende Schlussfolgerungen lassen sich aus der Analyse ableiten:

  • Der Spread zwischen ausgewiesener TER und realer TER spielt eine große Rolle. Im Durchschnitt über alle Fonds und den Gesamtzeitraum beträgt er 0,15 Prozentpunkte, schwankt aber tatsächlich zwischen 0,00 und 2,62 Prozentpunkten, so dass er bei einzelnen Fonds eine erhebliche Größenordnung ausmacht.
  • Die hinsichtlich realer TER teuersten drei der untersuchten 50 Fonds sind der Privatfonds: Kontrolliert pro mit einer realen TER von 5,08 Prozent im Geschäftsjahr 2015-2016, der Metzler Wachstum International mit 3,62 Prozent im Geschäftsjahr 2016-2017 und der Privatfonds: Kontrolliert mit 3,59 Prozent im Geschäftsjahr 2015-2016. Die günstigsten drei Fonds sind der iShares Pfandbriefe UCITS ETF mit einer realen TER von 0,11 Prozent in allen betrachteten Geschäftsjahren, der iShares Core Euro Stoxx 50 UCITS ETF mit 0,11 Prozent im Geschäftsjahr 2015-2016 und der Deka Dax UCITS ETF mit 0,15 Prozent im Geschäftsjahr 2015-2016.
  • Aktiv gemanagte Fonds haben – wenig überraschend – mit 1,42 Prozent nicht nur eine höhere ausgewiesene TER als passive Fonds mit 0,22 Prozent, sondern auch der Spread zwischen ausgewiesener und realer TER ist mit 0,20 Prozentpunkten deutlich höher als bei passiven mit 0,03 Prozentpunkten. Ebenso ist die Schwankungsbreite dieses Spreads bei aktiven Fonds viel größer. Einschränkend ist hier allerdings zu erwähnen, dass bei ETFs die sich aus den Zu- und Abflüssen von Investoren ergebenden Handelskosten außerhalb des Sondervermögens in Form der Geld-Brief-Spanne beim Handel der Instrumente anfallen, während sie bei aktiv gemanagten Fonds innerhalb des Fonds anfallen (siehe FONDS professionell: "Ein wenig beachteter Vorteil von ETFs"). Dies führt zu einer etwas zu günstigen Darstellung der ETFs.
  • Der Spread zwischen ausgewiesener und realer TER setzt sich sowohl bei aktiven als auch passiven Fonds vor allem aus sonstigen Aufwendungen (meist Depotgebühren) und Transaktionskosten zusammen. Bei den aktiven Fonds spielen auch erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile eine tragende Rolle.
  • Kleinere Fonds (unter fünf Milliarden Euro Volumen) haben mit 1,21 Prozent eine größere ausgewiesene TER als größere Fonds (über fünf Milliarden Euro Volumen). Hinsichtlich des Spreads zwischen ausgewiesener und realer TER gibt es jedoch keinen Unterschied.
  • Der maximale Spread zwischen ausgewiesener und realer TER schwankt deutlich zwischen den Jahren, mit einem höchsten Wert von 2,62 Prozentpunkten bei einem Fonds 2015-2016 und einem niedrigsten Wert mit 1,06 Prozentpunkten bei einem anderen Fonds 2019-2020. Der relativ hohe maximale Spread zwischen ausgewiesener und realer TER im Jahr 2017-2018 ist auf ein starkes Börsenjahr und eine damit einhergehende hohe erfolgsabhängige Vergütung zurückzuführen.

Fazit für Anleger und Anlageberater
Nicht in der ausgewiesenen TER enthaltene Kosten haben relevante Größenordnungen und verfügen somit über das Potenzial, Anlagerenditen merklich zu reduzieren. Zudem schwanken diese Kosten sehr stark zwischen einzelnen Produkten. Insofern lohnt sich vor Erwerb ein genauerer Blick auf die einzelnen Produkte, um festzustellen, ob die vergangene und die künftig zu erwartende reale TER, die Kaufinteressenten mittlerweile aufgrund von Mifid II in der Vorabkosteninformation mitgeteilt werden muss, zutreffend oder doch geschönt ist. Für die Bewertung dieses Aspekts bei einer konkreten Anlageentscheidung ergibt sich allerdings das Problem, dass die nicht ausgewiesenen Kosten immer erst im Rückblick feststehen.

Der Kostenunterschied zwischen aktiven und passiven Fonds vergrößert sich durch die Berücksichtigung des Spreads zwischen ausgewiesener und realer TER weiter, da dieser bei passiven Produkten nur etwa ein Siebtel des Wertes aktiver Produkte ausmacht. Dieser Unterschied ergibt sich unter anderem durch Performance-Fees, Zinsen für Kreditaufwendungen sowie Transaktionskosten.

Performance-Fees stellen aus Sicht des Anlegers durchaus ein zweischneidiges Schwert dar. Einerseits sollen sie einen Anreiz für Fondsmanager bieten, eine möglichst gute Performance zu erzielen. Andererseits ermutigen sie Fondsmanager zu einem höheren Risikoprofil, da diese zwar an einer guten Performance partizipieren, aber im Falle schlechter Performance keine negative erfolgsabhängige Vergütung in Kauf nehmen müssen. Zudem ermöglicht die Performance-Fee in Zeiten generell steigender Märkte ein zusätzliches anstrengungsloses Einkommen und sollte gerade bei sogenannten "Long only"-Produkten kritisch gesehen werden.

Transparenz liegt im Interesse der Branche
Der Gesetzgeber sollte erwägen, den Ausweis der TER im Sinne einer höheren Transparenz so zu modifizieren, dass ein größerer Teil der bisher nicht enthaltenen Kostenkomponenten darin enthalten ist. Eine einfach umzusetzende Möglichkeit ist die Veröffentlichung der realen TER der letzten zehn Jahre in den wesentlichen Anlegerinformationen, in denen auch die Ergebnisse der letzten zehn Jahre zu veröffentlichen sind. Dadurch hätten Anleger ein realistisches Bild über die Gesamtkosten und deren Entwicklung in guten und weniger guten Börsenjahren.

Die Herstellung von mehr Transparenz liegt auch im Interesse der aktiv gemanagten Fonds. Fatal für die Fondsindustrie wäre, wenn der Eindruck von Intransparenz wegen nicht in der ausgewiesenen TER enthaltenen Kostenpositionen zu einer (noch) stärkeren Bewegung von Anlagegeldern in Richtung passiver Fonds führen würde, wo dieses Problem naturgemäß viel kleiner ist.


Alexander Romanski arbeitet als Prokurist für die R.I. Vermögensbetreuung. Die konzernfreie Kapitalverwaltungsgesellschaft aus Ettlingen veröffentlicht für ihre drei Investmentfonds in den wesentlichen Anlegerinformationen auch die reale TER für die letzten zehn Geschäftsjahre. Bevor Romanski zur R.I. Vermögensbetreuung kam, arbeitete der gelernte Investmentfondskaufmann im Bereich Treasury und Devisenhandel für die Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser Privatbankiers sowie im Bereich Fondsadministration für die französische Großbank BNP Paribas und die amerikanische State Street Corporation.

Gösta Jamin ist Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. In früheren beruflichen Stationen arbeitete er als Leiter der Kundengruppe Geschäftskunden und kleine Firmen bei der Hypovereinsbank in München sowie als Berater in der Banking-Practice von McKinsey.


Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel samt Tabelle wurde am 22.11.2021 korrigiert. In der ursprünglichen Version war wegen eines Fehlers in der Auswertung berichtet worden, die reale TER des "Privatfonds: Kontrolliert pro" habe im Geschäftsjahr 2017-2018 9,50 Prozent betragen, was nicht zutrifft. Die Autoren bitten den Fehler zu entschuldigen.