Die Problematik mit der Belehrung über das Rücktrittsrecht ist aus juristischer Sicht sehr komplex und muss eingehend geprüft werden. Aktuell lässt sich daher nicht mit Sicherheit sagen, wer am Ende "recht" behält. "Als Vermittler sollten Sie jedenfalls Ruhe bewahren", rät René Hompasz, Geschäftsführer vom Haftpflichtversicherer Höher Insurance. "Warten Sie die Rechtsansichten der Versicherungswirtschaft und der Interessenvertretungen ab, bevor Sie zu voreiligen Handlungen ansetzen."

Österreichs Lebensversicherer sehen sich aktuell mit dem Vorwurf konfrontiert, bei Millionen von Polizzen die Rücktrittsbelehrung nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Konkret sollen anstatt der vorgeschriebenen 30 Tage nur zwei Wochen mitgeteilt worden sein. Dieses Fehlverhalten soll dem Vernehmen nach über einen Zeitraum von 1994 bis 2012 vorgefallen sein. Ob nun eine Rückabwicklung der Prämien möglich ist, sei laut Hompasz im Einzelfall und – wenn nötig – von ordentlichen Gerichten zu klären. "Wichtig ist dabei, dass jeder Gerichtsentscheid ein Einzelfall ist und somit auch separat und individuell auf den jeweiligen Rechtsfall abgestimmt zu prüfen ist."

Rückabwicklung von Provisionen möglich?
Für Vermittler stellt sich vor allem die Frage nach der Behandlung von Stornoprovisionen bei möglichen Beratungsfehlern. Hier sei zunächst zu klären, ob es überhaupt zu einem Beratungsfehler kam, und, wenn ja, ob der Vermittler nicht gemäß Paragraf 43a Versicherungsvertragsgesetz dem Versicherer zuzurechnen ist. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit könnte insofern vorliegen, als dass bei der Beratung die Formulare und Berechnungen der Versicherer genutzt wurden.

Ob es im Falle einer Rückabwicklung der Prämie auch zu einer Rückabwicklung der Provisionen kommt, bedarf zwar ebenfalls einer rechtlichen Klärung. "Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die angeblich falschen Unterlagen respektive die Berechnungen immer vom Versicherer erstellt wurden. Fraglich ist, ob die Provisionsrückforderung nicht einen Schadenersatzanspruch des Vermittlers auslöst, da dieser darauf vertrauen konnte, dass die von der Versicherung ausgegeben Beratungsunterlagen korrekt waren", so Hompasz.

Kampf um Vermittler: Vorsicht geboten!
Die Angebote von Anwälten und Prozessfinanzierern sollten in jedem Fall genau geprüft werden. Diese gehen zum Teil aktiv auf die Vermittler zu, um an Informationen der Kunden zu kommen (siehe auch: Fehlerhafte Rücktrittsbelehrung: Kampf um die Vermittler hat begonnen). Hier müsse aus Gründen des Datenschutzes mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden, generell ist die Zustimmung der Kunden einzuholen, wenn deren Daten weitergegeben werden, meint Hompasz. "Hinzu kommt, dass es durchaus passieren kann, dass sich die Unterstützer der Kunden am Ende gegen die Vermittler wenden". (dw)