In der Causa um mögliche Falschbelehrungen beim Abschluss von Lebensversicherungen startet der Verein für Konsumenteninformation (VKI) nun eine Sammelaktion. Diese richtet sich an Personen, die nach dem 1. Jänner 1994 eine Lebensversicherung abgeschlossen haben und deren Wohnsitz zu diesem Zeitpunkt in Österreich lag. Die Verbraucherschutzorganisation bietet an, in Frage kommende Polizzen gegen einen Kostenbeitrag in Höhe von 95 Euro prüfen zu lassen.

Zu den Hintergründen: 2015 entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem Urteil gegen eine Luxemburger Lebensversicherung, dass Inhabern von Lebensversicherungen im Fall einer fehlerhaften Belehrung über die Dauer der Rücktrittsfrist ein unbefristetes Rücktrittsrecht zusteht. In dem speziellen Fall ging es um eine der umstrittenen "Nettopolizzen" des Anbieters Atlanticlux, deren Verbraucherinformation eine Belehrung über eine Rücktrittsfrist von zwei Wochen enthielt. Die Rechtslage sah zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses allerdings eine Rücktrittsfrist von 30 Tagen vor. 

Unbefristetes Rücktrittsrecht
Der Prozessfinanzierer Advofin sah sich durch die Entscheidung des OGH veranlasst, Verträge von verschiedenen Lebensversicherern zu überprüfen. Während man beim österreichischen Versicherungsverband um Beruhigung bemüht ist, glaubt man bei Advofin, dass bis zu zwölf Millionen Polizzen betroffen sein könnten (lesen Sie dazu auch den Kommentar von FONDS professionell-Chefredakteur Georg Pankl "Versicherer: Unbefristetes Rücktrittsrecht als fatales Signal").

Laut VKI seien bei rund der Hälfte der geprüften Verträge Mängel bei der Rücktrittsbelehrung festgestellt worden. "Nach dem entsprechenden OGH-Urteil ist eine fehlerhafte Rücktrittsbelehrung so zu behandeln, als hätte gar keine Belehrung stattgefunden", so VKI-Juristin Ulrike Wolf. "Den Betroffenen steht daher ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Das bedeutet aus unserer Sicht, dass Kundinnen und Kunden bei einer Rückabwicklung alle eingezahlten Beiträge inklusive Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Zinsen von den Versicherungsunternehmen zurückerhalten müssen."

Erfolg einer Klage mehr als fraglich
Der VKI will im Einzelfall prüfen, ob eine unvollständige oder fehlerhafte Rücktrittsbelehrung vorliegt und ob eine Rückabwicklung wirtschaftlich sinnvoll ist. In jenen Fällen, in denen ein Rücktritt aus seiner Sicht empfehlenswert ist, werde der VKI bei den jeweiligen Unternehmen intervenieren. "Lässt sich auf diesem Weg keine Einigung erzielen, sind mit Unterstützung eines Prozessfinanzierers auch Sammelklagen möglich", heißt es in einer Mitteilung des Vereins vom Mittwoch.

Ob so eine Klage erfolgversprechend wäre, ist allerdings mehr als fraglich. Denn der Fall "Atlanticlux" ist aufgrund der speziellen Produktkonstruktion ("Nettopolizzen") nicht eins zu eins mit potenziellen Fällen in Österreich vergleichbar. Daher ist auch davon auszugehen, dass österreichische Lebensversicherer ebenso jeden Einzelfall genau überprüfen und gegebenenfalls auch rechtliche Maßnahmen setzen werden. (dw)