Das Flaggschiff von Ethenea, der rund sechs Milliarden Euro schwere Ethna-Aktiv, musste eine Dürrephase durchstehen. Die Führung des Hauses rund um Luca Pesarini krempelte daraufhin die Strukturen um. Statt Einzelwetten steht nun die Wahl der Anlageklassen im Vordergrund, statt der Bedeutung der Gründungsmanager Pesarini und Arnoldo Valsangiacomo betont die Gesellschaft nun einen Team-Ansatz. Die Luxemburger heuerten dazu mehrere Experten an, darunter den ehemaligen Oddo-Meriten-Mann Thomas Herbert als Leiter des Portfoliomanagements. Im Interview mit FONDS professionell ONLINE erläutert Verwaltungsratschef Pesarini, welche Gefahren an den Märkten lauern – und wie das Flaggschiff des Hauses wieder auf die Erfolgsspur kommen soll.


Herr Pesarini, die Aussichten für 2018 schienen ungetrübt. Fast überall auf der Welt verzeichnen die Volkswirtschaften ein solides Wachstum. Doch dann kam die Korrektur. Hat Sie diese überrascht?

Luca Pesarini: Nein, die Korrektur kam nicht völlig unerwartet. Die Stimmung war zuvor überaus positiv. So eine perfekte konjunkturelle Konstellation hatte ich in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr gesehen. Das erinnerte mich ein bisschen an 1999. Diese Parallelen versuche ich zwar bewusst nicht zu ziehen, denn jede Phase ist anders, jede weist eine ganz andere Dimension auf. Doch das Bild schien schon so perfekt, dass es mir wiederum suspekt vorkam.

Hatten Sie Ihre Portfolios auf einen Einbruch ausgerichtet?

Pesarini: Ja, tatsächlich hatten mein Team und ich zu Beginn des Jahres unsere taktische Allokation in Aktien heruntergefahren. Der Markt war unserer Meinung nach zu heiß gelaufen und wir hatten uns entschlossen, auszusteigen. Damit hatten wir Recht bekommen. In der Woche des Einbruchs blieben beim Ethna-Aktiv die Verluste unter einem Prozent. Eine andere Frage ist dann, wann und wie wir wieder an der Börse investieren.

Sie verweisen auf den Crash von 1999 – und dennoch erwägen Sie, wieder in den Markt einzusteigen?

Pesarini: Es ist immer schwierig, Parallelen zur Geschichte zu ziehen. Die eine Konstellation lässt sich nicht mit der anderen vergleichen. Wir haben andere Rentenmärkte, ein anderes Zinsniveau, ein ganz anderes makroökonomisches Umfeld als damals. Grundsätzlich funktionieren die Aktienmärkte, die Lage ist gut. Daher streben wir aus strategischer Sicht einen Aktienanteil von 30 bis 35 Prozent an. Ich habe zwar aus eigener Erfahrung gelernt, dass es besser ist, die Party zu verlassen, wenn die Euphorie am größten ist. Doch eine Frage stellt sich dabei jedem Investor: Wann ist die Euphorie am größten? Und obendrein ist die letzte Phase der Party meist die beste. Hier lassen sich die höchsten Gewinne mitnehmen. Da wäre es zu schade, zu früh auszusteigen.

Was könnte die Party endgültig beenden?

Pesarini: Ein exogener Schock: die Inflation. Steigende Zinsen finde ich in einem normalen Tempo nicht übermäßig gefährlich. Wenn allerdings das Tempo stark zunimmt, wird die Lage bedrohlich. Die Gehaltsverhandlungen verlaufen immer hitziger. In den USA nimmt die Steigerung der Gehälter und damit der Lohnstückkosten Fahrt auf. Die Wirtschaft kann das bis zu einem gewissen Grad absorbieren. Aber irgendwann sind die Grenzen erreicht, dann kommt die wahre Inflation. Zu dieser Konstellation kam es 1987, als die Notenbanken einer stark anziehenden Teuerung große und rasche Zinsschritte entgegensetzten. Der Markt reagierte darauf, wie er reagiert: brutal. So etwas schließe ich auch heute nicht aus, auch wenn es wie gesagt schwierig ist, Parallelen zur Vergangenheit zu ziehen. Bislang funktioniert die Rhetorik der Notenbanken jedenfalls noch gut.


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Sie erwähnten mal eine taktische, mal eine strategische Allokation bei Ihren Fonds. Was steckt dahinter?

Pesarini: Das ist eine der Lehren, die wir aus dem mageren Abschneiden unserer Portfolios 2015 und 2016 gezogen haben. Wir teilen die Portfolios jeweils in einen taktischen und einen strategischen Teil. Im taktischen Teil reagieren wir auf aktuelle Marktentwicklungen. Davon unberührt bleibt jedoch der strategische Teil, der unsere grundsätzliche Sicht zur Weltkonjunktur und zu Investmentchancen widerspiegelt. Zudem haben wir unsere Kommunikation klarer ausgerichtet. Jedes Produkt hat sein eigenes Gesicht. Der Ethna-Defensiv ist nicht mehr nur der Ethna-Aktiv ohne dessen Aktienkomponente, der Ethna-Dynamisch wiederum ist mehr als der Aktienteil des Ethna-Aktiv. Das hat sich komplett geändert. Zudem legen wir großen Wert auf die Asset Allocation – und darauf konzentriere ich mich selbst.

Wie meinen Sie das?

Pesarini: Ich bin falsch dabei aufgehoben, Einzeltitel auszuwählen. Das können andere besser, die dezidiert die Zeit dafür haben. Es ist nicht mein Auftrag, irgendwelche Aktien oder Renten zu kaufen, sondern strategische Anlageentscheidungen zu treffen. Denn grundsätzlich ist die Performance in den meisten Fällen von der Asset Allocation abhängig und nicht von den Einzelwerten. Nur 2016 wurde diese Regel von uns leider widerlegt. Ein ausgewogenes Portfolio ist am Ende alles. Darum betone ich die Bedeutung der Asset Allocation so sehr. Wenn wir viele Risiken mit dem Ethna-Defensiv eingehen, mache ich etwas falsch, und wenn wir gar keine mit dem Ethna-Dynamisch eingehen, dann machen wir auch etwas falsch.

Wo gehen Sie derzeit Risiken ein?

Pesarini: Nach wie vor sind wir in Hochzinsanleihen investiert. Diese werfen Renditen zwischen fünf und zehn Prozent ab. Unser Auftrag dabei ist aber, das Volumen überschaubar zu halten und die Liquidität sicherzustellen. Das vergangene Jahr war erneut gut für High Yields, und manche nutzen das Thema aggressiver als wir. Aber wenn ich verspreche, einen defensiven Mischfonds wie den Ethna-Defensiv anzubieten, und das Portfolio mit Hochzinsanleihen vollstopfe, dann gehe ich gewaltige Risiken ein. Andere nutzen das Thema Währungen aggressiver. Wieder andere gehen in den Bank- und Versicherungssektor. Natürlich kann man bestimmte Risiken absichern – aber eben nicht eins zu eins. Viele Gefahren lassen sich einfach nicht ausschalten. Stattdessen gehe ich lieber viele kleine und keine großen Risiken ein – das hat mich 2015 und 2016 Lehrgeld gekostet.

Was haben Sie noch gelernt?

Pesarini: Wir hatten es damals nicht geschafft, schnell genug die richtigen Konsequenzen zu ziehen und den richtigen Aufbau unseres Teams zu finden. Es dauert aber, die passenden Leute zu finden und in der richtigen Mischung zusammenzusetzen. Ich glaube, dass wir jetzt optimal aufgestellt sind.

Das gelingt Ihrer Meinung nach nun?

Pesarini: Meine Pflicht ist es, meine Arbeit anständig zu machen. In einem normalen Marktumfeld heißt das, dass der Ethna-Aktiv fünf Prozent pro Jahr abliefert, der Ethna-Defensiv weniger und der Ethna-Dynamisch eben mehr. Das ist die Quintessenz. Wenn ich einen Schritt zurücktrete und schaue, was wir versprochen und was wir letztendlich abgeliefert haben, bin ich mit dem vergangenen Jahr sehr zufrieden.

Vielen Dank für das Gespräch. (ert)