Börsengehandelte Fonds (ETFs) haben 2022 mit einem Anteil von 30 Prozent am US-Aktienhandel einen Höchststand erreicht. Dies zeigt eine Analyse des US-Fondsbranchenverbands Investment Company Institute (ICI). In den vergangenen zehn Jahren war der Anteil der Indexfolger am US-Aktienhandel im täglichen Durchschnitt zwischen den Marken von 25 und 27 Prozent gependelt.

ETFs haben in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Aufschwung erlebt. Das verwaltete Vermögen von US-Vehikeln kletterte von 2,1 Billionen US-Dollar im Jahr 2015 auf 6,5 Billionen Dollar per Ende 2022, zeigen die Daten von ICI. Einen Höchststand hatten ETFs allerdings 2021 mit einem Volumen von 7,2 Billionen Dollar erreicht. In den USA waren per Ende 2022 der ICI-Analyse zufolge 2.844 ETFs auf dem Parkett notiert.

"Risiken schnell und effizient absichern"
Der Anstieg des Handelsvolumens bei ETFs im Jahr 2022 dürfte angesichts des rapiden Wachstums, das das ETF-Geschäft in den vergangenen Jahre erlebte, einen Ausreißer darstellen. So führt Shelly Antoniewicz, Leiterin des Branchen- und Finanzmarktresearch bei ICI, die Entwicklung auf den starken Kursverfall an den Finanzmärkten im vergangenen Jahr zurück.

"In Zeiten von Marktturbulenzen steigt das Volumen des Sekundärmarkthandels von ETF-Anteilen – sowohl in absoluten Zahlen als auch als Anteil am gesamten Aktienmarkthandel", erläuterte Antoniewicz der Wirtschaftszeitung "Financial Times" zufolge. "Anleger, insbesondere institutionelle Investoren, wandten sich ETFs zu, um Risiken schnell und effizient zu übertragen und abzusichern."

"Minimaler Einfluss" auf den Aktienhandel
Die ICI-Analyse verweist zudem auf das Primärmarktvolumen von Aktien-ETFs. Dessen Anteil am US-Aktienhandel erreichte lediglich 5,2 Prozent. Der Höchststand war 2018 mit 5,4 Prozent markiert worden. Demzufolge hätten ETFs lediglich einen "minimalen Einfluss" auf den Aktienhandel, so der ICI-Report. ETF-Anteile werden im Primärhandel aufgelegt und liquidiert – meist für institutionelle Investoren. Private und semi-professionelle Anleger nutzen eher den Sekundärhandel an den Börsen.

Andere Stimmen sehen der "FT" zufolge die Entwicklung kritischer. Die Daten würden allenfalls bestätigen, "dass die Ansicht, ETFs seien einfach ein Instrument für den passiven Handel, nicht richtig ist", so Valentin Haddad, außerordentlicher Professor an der Universität von Kalifornien in Los Angeles. "Die Marktteilnehmer nutzen sie sehr dynamisch", sagte Haddad der "FT". Die Rolle von ETFs würde sich vom langfristigen Portfoliobaustein hin zu einem auch kurzfristig genutzten Handelsinstrument wandeln, so Haddad. Damit würden sie aber auch die Preisbildung beeinflussen.

Portfolios umgeschichtet
Bryan Armour, Researchleiter für passive Strategien bei der Ratinggesellschaft Morningstar, sieht eine steigende Bedeutung von ETFs hingegen gelassen und ebenfalls im Crash-Jahr 2022 begründet. "Die ETF-Handelsaktivität hat zugenommen, da die Anleger ihre Portfolios inmitten der Krise bei Aktien und Anleihen umgeschichtet haben", sagte er. "Sie sind ein Instrument zur Preisfindung und ermöglichen es den Anlegern, ihr Engagement schnell zu ändern", sagte Armour der "FT" zufolge. "Daher ist es logisch, dass die Anleger am Ende des mehr als zehnjährigen Bullenmarktes verstärkt auf ETFs zurückgriffen." (ert)