Wie Branchenkenner gegenüber der Redaktion erklären, arbeiten Österreichs Banken im Hintergrund derzeit an neuen Gebührenmodellen für ihr Wertpapiergeschäft. Sie stellen sich die Frage: Wie Geld einnehmen, wenn die Fondsgesellschaften eventuell bald keine Rückvergütungen mehr zahlen dürfen? Ein Reizthema, wie die Redaktion bei einer Recherche erfuhr, deren Ergebnisse in voller Länge in FONDS professionell 4/2023 erschienen sind.

Fast alle Banken erhalten, genauso wie andere Vermittler, von den Fondsgesellschaften jährlich eine Zuwendung für jeden Fonds, den ein Anleger im Depot liegen hat. Die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) zahlt diese Bestandsprovision natürlich nicht aus der eigenen Tasche, sondern entnimmt sie der Verwaltungsgebühr, die der Anleger selbst davor für den Fonds berappt hat. Auf diese Weise schmälern solche "Kickbacks" das Fondsvermögen und letztlich die Performance. Die Praxis ist (die EU überlegt hier Änderungen) momentan noch legitim, solange den Kunden die Rückflüsse offengelegt werden. Das Problem: Oft sieht man die Bestandsprovisionen erst kurz vor Produktkauf (und später in den jährlichen Kostenausweisen). Hingegen scheinen diese Gebühren fast nie in den online allgemein zugänglichen Basisinformationen auf.

Keine Auskunft
Welche Bank von welcher KAG wie viel zurückbekommt, das ist im Vorhinein schwer herauszufinden. Und ein Institut zu suchen, das im Retail (auch) provisionsfrei berät, ist schier unmöglich: Das Thema ist den Banken so unangenehm, dass sie selbst bei konkreter Anfrage nicht verraten, ob sie Bestandsprovisionen vereinnahmen oder ob man als Kunde auch ein Depot haben könnte, wo Vergütungen gutgeschrieben werden oder wo man gleich Clean Shares kaufen könnte, also günstige Fonds ohne Bestandsprovision.

Bei der BTV (Bank für Tirol und Vorarlberg), die auf der Homepage ihre transparente Kommunikation lobt, sagen die Verantwortlichen nur, dass sie "keine Auskunft erteilen können". Ein Kontaktversuch beim BTV-Kundenservice ergibt: Wer etwas über Bestandsprovisionen wissen will, müsste in die Beratung. Komplett verschlossen reagieren die österreichischen Volksbanken. Ein Sprecher der VB-Wien sagt: "Wir beantworten interne Geschäftsüberlegungen nicht." Hingewiesen darauf, dass es eigentlich transparent sein sollte, ob Provisionen fließen, betont der Sprecher nur, er sei "kein Jurist". Undurchsichtig verhält sich die BKS (Bank für Kärnten und Steiermark), die konkrete Nachfragen zu Gebühren nicht beantwortet. Dabei bestehen durchaus unerfreuliche Grauzonen. So verspricht die Homepage etwa für das BKS-Start-Depot (bis auf Fremdspesen und gewisse Transaktionsgebühren), "kostenlos" zu sein. Freilich ist aber anzunehmen, dass der Kunde indirekt auch hier zur Kasse gebeten wird: Bei einem 3-Banken-Generali-Aktienfonds, den die BKS vertreibt, ist zu sehen, dass die KAG mehr als ein Prozent der vom Kunden bezahlten Managementgebühr an die Bank zurückleitet. Wie viel die BKS aus den Fonds anderer Gesellschaften erhält, sieht man indes nicht.

Wenige "Ausbrecher"
Während das Gros der Kreditinstitute seine Provisionsflüsse also geheim hält, ist erstaunlich, dass jene, die ihr System längst umgestellt haben, das auch nicht wirklich an die große Glocke hängen. Keine Werbung weist darauf hin, dass die Banken der beiden Raiffeisenlandesgruppen Niederösterreich-Wien und Salzburg flächendeckend seit etwa sechs Jahren ihre Retailkunden kickbackfrei beraten.

"Wir haben uns rund um Mifid II und WAG 2018 gefragt, wie wir transparenter sein können. Seit Juli 2017 verzichten wir nun auf Bestandsprovisionen", erklärt Roman Gracher, Produktmanager des Raiffeisenverbands Salzburg. Ebenso werden Kunden der RLB Niederösterreich-Wien komplett bestandsprovisionsfrei bedient. Man habe sich entschieden, den "Provisionsfrei-Standard", der bekanntlich seit dem WAG 2018 bereits für die Vermögensverwaltung gilt, ohne gesetzlichen Druck auch im Wertpapiergeschäft anzuwenden, heißt es dort. "Wir wollten mit diesem Schritt eine Vorreiterrolle einnehmen", sagt Markus Plank, Bereichsleiter Wertpapier-Center und Private Banking in der RLB NÖ-Wien.

Flächendeckende Umstellung
Sowohl in Niederösterreich-Wien als auch in Salzburg machen alle eigenständigen Banken, die sich in der Gruppe mit den Landesbanken befinden, mit. Kunden erhalten entweder Clean Shares oder sie bekommen die Provision in voller Höhe retour, wenn Fondsgesellschaften solche "Netto-Klassen" nicht fürs Retail anbieten.

Das Modell sei auf jeden Fall ein Gewinn für die Kunden, meint RLB-NÖ-Wien-Manager Plank. Banken, die sich selbst und ihre Mitarbeiter darauf vorbereitet haben, hätten ihre Umsätze aus dem Produktvertrieb ebenfalls steigern können. Aber es brauche viel Erklärung, betont Plank. "Vielen Kunden ist nicht bewusst, was da im Hintergrund passiert", so der Experte. Etliche weitere Banken würden momentan an Konzepten für eine provisionsfreie Beratung arbeiten.

"Viel Denksport hinter den Kulissen"
Maximilian Biesenbach, Partner der Unternehmensberatung Simon-Kucher, hat international Banken bei solchen Umstellungen begleitet und ist auch in Österreich tätig. "Da wird hinter den Kulissen viel Denksport betrieben. Teilweise wurde bereits die Entscheidung getroffen, auf ein provisionsfreies Modell umzuschwenken, und die Frage ist nur noch, wann. Man muss in diesem Umfeld einen Plan B haben. Alles andere wäre fahrlässig", so der Bankenexperte. Denn europaweit missfallen immer mehr Regulatoren die ­intransparenten Bestandsprovisionen, von denen die Institute extrem abhängig sind.

Bei den heimischen Retailbanken stammen laut Biesenbach zwischen 30 und 50 Prozent der Erträge im Wertpapiergeschäft aus Rückvergütungen von Fondsgesellschaften. Hätte ein Vorstand da keine Alternative in der Lade, wäre das ein "grobes Versäumnis", so der Consultant.

Erfolg hängt vom Modell ab
Er widerspricht den Klagen der Industrie, wonach eine transparente kostenpflichtige, aber provisionsfreie Beratung von den Kunden nicht akzeptiert werde und es zu einer Unterversorgung mit Finanzprodukten komme. "Dass das Provisionsverbot ­automatisch zu einer Nichtberatung kleinerer Anleger führt, ist ein Mythos der Lobbyisten", so Biesenbach. Insbesondere in der Schweiz und in Liechtenstein hätten Banken, noch bevor der Regulator das Verbot aussprach, selbst proaktiv auf ein retrozessionsfreies Modell gewechselt. Dabei konnte man beobachten, dass jene Häuser, die laufende Beratungsgebühren einführten, ihre Margen stabil hielten. "Wenn man es wie in Großbritannien macht und 150 Pfund für die Beratungsstunde verrechnet, dann kommt natürlich kein Kleinanleger. Werden die Kosten aber anteilig als Prozentsatz an den Assets under Management berechnet, dann funktioniert das", so Biesenbach und ergänzt: "War der Kunde vorher in der Lage, die Gebühr zu zahlen, dann wird er es auch nachher sein."

RLB-Salzburg-Manager Gracher nennt ein weiteres Argument für eine frühzeitige Umstellung. Es mache beim Kunden keinen guten Eindruck, wenn man erst auf regulatorischen Druck hin bei den Kosten tätig wird. Als genossenschaftliche Regionalbank habe man Interesse an langfristig guten Kundenbeziehungen.

Nach Redaktionsschluss für die Heftausgabe meldete die RLB Vorarlberg zurück, dass auch sie seit Jahresbeginn im Wertpapiergeschäft ein provisionsfreies Angebot verfolgt. Es handelt sich jedoch um ein Teilmodell – Ausnahmen bestehen laut den Angaben bei den Onlinedepots und dem Modell "Kompakt". (eml)


Den gesamten Artikel lesen Sie in der Heftausgabe 4/2023 von FONDS professionell ab Seite 244 oder im E-Magazin (Anmeldung erforderlich). Darin erklären die Experten, was die Umsetzung für die Einnahmen bedeutet.