Die grüne Welle rollt mit erhöhtem Tempo weiter: Im vergangenen Jahr verzeichneten nachhaltige Fonds und börsengehandelte Indexfonds (ETFs), die europäischen Anlegern zur Verfügung stehen, Nettomittelzuflüsse in Höhe von 233 Milliarden Euro. Das ist fast doppelt so viel wie im Jahr 2019. Allein im vierten Quartal zählte Morningstar knapp 100 Milliarden Euro an Nettomittelzuflüssen für Fonds, die bei der Anlage Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG) berücksichtigen. Das verwaltete Vermögen nachhaltiger Investmentprodukte in Europa betrug Ende Dezember 2020 stolze 1,1 Billionen Euro, ein Plus von 52 Prozent im Vergleich zu Ende 2019. Das gesamte Fondsvermögen in Europa legte dagegen lediglich um drei Prozent zu.

Morningstar zufolge kamen im Zuge des allgemeinen Nachfragebooms nach ESG-Fonds 505 neue Portfolios mit nachhaltiger Ausrichtung auf den Markt. "Doch die Auflegung neuer Fonds ist nicht die einzige Art und Weise, wie Vermögensverwalter auf die gestiegene Anlegernachfrage nach ESG-Fonds reagiert haben. Sie widmen konventionelle Fonds um, indem sie das Anlageziel und/oder die Anlagepolitik ihrer Fonds ändern“, schreibt Morningstar-Analystin Hortense Bioy.

Rekordzahl von Produktumwidumgen
Die Zahl solcher "umverpackter" ESG-Portfolios erreichte im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand. "Wir identifizierten 253 solcher Fonds, von denen 87 Prozent die Änderung durch ein Rebranding widerspiegelten. Die Rekordzahl an Fondsauflegungen und umgewidmeten Fonds im Jahr 2020 brachte die Gesamtzahl der europäischen nachhaltigen Fonds auf 3.196 Fonds“, so die Expertin.

Dass bestehende Portfolios auf ESG-Kriterien "getrimmt" werden, ist nicht neu. Morningstar beobachtete das Phänomen bereits 2018. Damals wurden rund 80 Produkte mit einem neuen "grünen" Aufkleber versehen. Doch die Explosion bei der Anzahl von Umbenennungen in den vergangenen zwei Jahren macht die Branchenkenner mittlerweile misstrauisch.

"Es drängt sich der Verdacht auf, dass Greenwashing im Spiel ist", meinte Morningstar-Deutschland-Chefredakteur Ali Masarwah bereits vor rund neun Monaten. Er betont aber zugleich, dass man derart umgewidmete Fonds nicht von vorneherein in Bausch und Bogen verdammen und aus Prinzip ablehnen sollte. Wenn nachweisbar ist, dass die Gesellschaften etablierte Produkte tatsächlich rigoros auf ESG-Standards umstellen, gehe die Namens- und Strategieänderung absolut in Ordnung.

Spezielle Öko-Fonds und -ETFs neu am Markt
Breit angelegte ESG-Fonds machen laut Morningstar den Großteil der neuen Angebote aus. Allerdings entfielen 13 Prozent auf Portfolios mit ökologischem Schwerpunkt. Zwei Drittel von diesen wiederum zielen auf die Bekämpfung des Klimawandels ab. Auf der passiven Seite wurden neun Fonds aufgelegt, die sogenannte "Paris-Aligned-Indizes“ abbilden. Um diese Klassifizierung zu erreichen, muss ein Fonds in Unternehmen investieren, die ihre Emissionen um durchschnittlich sieben Prozent pro Jahr reduzieren. Insgesamt muss der Fonds einen CO2-Fußabdruck aufweisen, der 50 Prozent unter dem des Marktes liegt. (jb)