Die Geldströme an den Finanzmärkten gleichen den Gezeiten der Ozeane. Derzeit strömt mit der Flut das Wasser in die entlegensten Buchten, hebt dort die Pegel und macht bislang unerreichbare Winkel schiffbar. Immer mehr Fondsmanager navigieren ihre Boote in diese einst schmalen und seichten Förden. Sie hoffen, dort noch einen guten Fang zu machen. Denn die tiefen Meere sind weitgehend leergefischt, Zins und Rendite zu seltenen und mickrigen Spezies geschrumpft, die selbst durch engmaschige Netze entfleuchen.

Die aus der Niedrigzinswelt geborene Not treibt die Fondslenker in diese seichten, tückischen Gewässer. Die Gefahren dieser Gefilde sind eklatant, zeigte jüngst der Internationale Währungsfonds. Dessen Experten hatten weltweit die Portfolios von Anleihemanagern durchleuchtet und festgestellt, dass diese zunehmend Abstriche bei Liquidität und Bonität der Papiere in Kauf nehmen, in die sie investieren (FONDS professionell ONLINE berichtete). Zudem unterzogen die Experten die Portfolios einem Stresstest. Demnach weist bei der Simulation ein Sechstel aller Rentenfonds Liquiditätsdefizite auf, bei den Hochzinsvehikeln ist es sogar fast die Hälfte.

Fälle wie GAM und Woodford, bei denen Fonds in illiquide Titel investiert hatten und aussteigende Anleger nicht auszahlen konnten, schüren zudem Misstrauen. Noch mögen dies nur Einzelfälle sein, doch das könnte sich bei der nächsten Ebbe ändern – und das grundlegende Problem offenlegen. Das geben manche Fondsmanager auch zu, mal offen, mal unter der Hand.

Einige gehen diese Herausforderung an. Sie entwickeln hochtechnisierte Handelssysteme, um im Falle des Falles das letzte Quäntchen Liquidität aus dem Markt schöpfen zu können. Andere bauen die wechselnden Gezeiten des Geldes bewusst in ihre Strategie ein. Sie setzen darauf, durch ihre antizyklische Haltung zusätzliche Renditen herauszuschinden. Viele testen ihre Portfolios in Stress-Szenarien, entwerfen daraus Evakuierungspläne und üben – zumindest gedanklich – den Notausstieg.

Gefährlich, ja gar fahrlässig agieren jedoch die, die ohne jede Vorkehrung sorglos ihre Netze in entlegenen Buchten auswerfen und keinen Rettungskurs überlegt haben, falls die Liquidität schwindet. Gerade die entlegenen Meeresarme werden die ersten Flecken sein, aus denen sich bei der nächsten Ebbe das Wasser zurückziehen wird. Dann droht die Flotte der Fondsmanager, gefangen in engen Fjorden, auf Grund zu laufen – und die Anleger mit ihnen. Damit setzen sie den Ruf der gesamten Branche aufs Spiel.