Die Erfolgsserie der ETFs reißt nicht ab: Allein im vergangenen Jahr pumpten Anleger europaweit gut 160 Milliarden Euro in diese Investmentvehikel, so viel wie nie zuvor. Sowohl bei professionellen Investoren als auch bei Privatanlegern werden ETFs immer beliebter – aus gutem Grund: Die Indexfolger sind nicht nur deutlich günstiger als aktiv gemanagte Fonds, häufig werfen sie auch noch eine höhere Performance ab.

Kein Wunder also, dass manchem etablierten Vermögensverwalter der Erfolg der passiven Konkurrenz unheimlich wird. Sie weisen zunehmend auf die Risiken hin, die sich Anleger mit ETFs einhandeln. Da ist zum einen die Tatsache, dass ihr Kapital dem Index eben nicht nur auf dem Weg nach oben eins zu eins folgt, sondern auch, wenn es mal abwärts geht. Der volatile Januar hat vielen Anlegern einmal mehr vor Augen geführt, dass in ETFs kein Risikomanagement stattfindet.

Zum anderen wird in letzter Zeit verstärkt auf die Unwucht vieler Indizes hingewiesen. Das prominenteste Beispiel: Auf dem MSCI World mag zwar "Welt" draufstehen, er besteht aber zu mehr als zwei Dritteln aus US-Aktien. Allein das halbe Dutzend der Tech-Riesen rund um Apple, Amazon und Tesla macht fast ein Fünftel der Marktkapitalisierung aus. Sie sind mehr oder weniger alleine dafür verantwortlich, dass der "Weltindex" im vergangenen Jahr um beinahe 30 Prozent zulegte – und dafür, dass er im Januar zeitweise gut acht Prozent nach unten rauschte.

Marktbarometer statt Anlagevehikel
Jeder Kritiker, der meint, ein solcher Index sei keine geeignete Basis für ein breit gestreutes Investment, hat Recht. Er sitzt allerdings auch einem großen Missverständnis auf, genau wie zahllose Anleger und Teile der Asset-Management-Branche: Die großen, etablierten Indizes wurden ursprünglich keineswegs dafür entwickelt, um von einem ETF nachgebildet zu werden. Sie sollten vielmehr als Barometer dienen, an denen sich die Marktentwicklung nachvollziehen lässt.

Genau dieser Aufgabe wird der MSCI World auch hervorragend gerecht. Die US-Unternehmen bringen nun mal mit Abstand das meiste Gewicht auf die Börsenwaage. Dass sie den Index dominieren, der das Geschehen an den Börsen der Industrieländer abbilden soll, ist da nur folgerichtig. Genau so konsequent ist es, dass in vielen Rentenindizes die Emittenten mit den meisten ausstehenden Anleihen den Ton angeben. Dass Anleger, die entsprechende Indizes via ETF spiegeln, sich ausgerechnet die Staaten mit den höchsten Schulden ins Depot holen, ist daher nicht dem Indexanbieter als "Konstruktionsfehler" anzulasten, sondern höchstens der Fondsgesellschaft.

Aktiv statt passiv
Die Branche hat natürlich längst reagiert. Mittlerweile gibt es unzählige Indizes, die nicht als Marktbarometer fungieren sollen, sondern als Basis für Investments. Sie räumen jeder Aktie das gleiche Gewicht ein, reihen Länder nach Wirtschaftskraft statt nach Marktkapitalisierung, schließen verruchte Branchen aus oder bilden gezielt angesagte Investmentthemen ab. Kurz: Sie wurden – ganz anders als die ersten Indizes – nach den Bedürfnissen der Anleger entwickelt.

Wer einen entsprechenden ETF kauft, muss allerdings sehr genau wissen, in was er eigentlich investieren will. Sprich: Er trifft eine aktive Anlageentscheidung. Mit passivem Investieren hat das wenig zu tun.