Indexinvestments: Das große Missverständnis
FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch über den Trugschluss, dem viele Anleger mit ETFs aufsitzen.
Die Erfolgsserie der ETFs reißt nicht ab: Allein im vergangenen Jahr pumpten Anleger europaweit gut 160 Milliarden Euro in diese Investmentvehikel, so viel wie nie zuvor. Sowohl bei professionellen Investoren als auch bei Privatanlegern werden ETFs immer beliebter – aus gutem Grund: Die Indexfolger sind nicht nur deutlich günstiger als aktiv gemanagte Fonds, häufig werfen sie auch noch eine höhere Performance ab.
Kein Wunder also, dass manchem etablierten Vermögensverwalter der Erfolg der passiven Konkurrenz unheimlich wird. Sie weisen zunehmend auf die Risiken hin, die sich Anleger mit ETFs einhandeln. Da ist zum einen die Tatsache, dass ihr Kapital dem Index eben nicht nur auf dem Weg nach oben eins zu eins folgt, sondern auch, wenn es mal abwärts geht. Der volatile Januar hat vielen Anlegern einmal mehr vor Augen geführt, dass in ETFs kein Risikomanagement stattfindet.
Zum anderen wird in letzter Zeit verstärkt auf die Unwucht vieler Indizes hingewiesen. Das prominenteste Beispiel: Auf dem MSCI World mag zwar "Welt" draufstehen, er besteht aber zu mehr als zwei Dritteln aus US-Aktien. Allein das halbe Dutzend der Tech-Riesen rund um Apple, Amazon und Tesla macht fast ein Fünftel der Marktkapitalisierung aus. Sie sind mehr oder weniger alleine dafür verantwortlich, dass der "Weltindex" im vergangenen Jahr um beinahe 30 Prozent zulegte – und dafür, dass er im Januar zeitweise gut acht Prozent nach unten rauschte.
Marktbarometer statt Anlagevehikel
Jeder Kritiker, der meint, ein solcher Index sei keine geeignete Basis für ein breit gestreutes Investment, hat Recht. Er sitzt allerdings auch einem großen Missverständnis auf, genau wie zahllose Anleger und Teile der Asset-Management-Branche: Die großen, etablierten Indizes wurden ursprünglich keineswegs dafür entwickelt, um von einem ETF nachgebildet zu werden. Sie sollten vielmehr als Barometer dienen, an denen sich die Marktentwicklung nachvollziehen lässt.
Genau dieser Aufgabe wird der MSCI World auch hervorragend gerecht. Die US-Unternehmen bringen nun mal mit Abstand das meiste Gewicht auf die Börsenwaage. Dass sie den Index dominieren, der das Geschehen an den Börsen der Industrieländer abbilden soll, ist da nur folgerichtig. Genau so konsequent ist es, dass in vielen Rentenindizes die Emittenten mit den meisten ausstehenden Anleihen den Ton angeben. Dass Anleger, die entsprechende Indizes via ETF spiegeln, sich ausgerechnet die Staaten mit den höchsten Schulden ins Depot holen, ist daher nicht dem Indexanbieter als "Konstruktionsfehler" anzulasten, sondern höchstens der Fondsgesellschaft.
Aktiv statt passiv
Die Branche hat natürlich längst reagiert. Mittlerweile gibt es unzählige Indizes, die nicht als Marktbarometer fungieren sollen, sondern als Basis für Investments. Sie räumen jeder Aktie das gleiche Gewicht ein, reihen Länder nach Wirtschaftskraft statt nach Marktkapitalisierung, schließen verruchte Branchen aus oder bilden gezielt angesagte Investmentthemen ab. Kurz: Sie wurden – ganz anders als die ersten Indizes – nach den Bedürfnissen der Anleger entwickelt.
Wer einen entsprechenden ETF kauft, muss allerdings sehr genau wissen, in was er eigentlich investieren will. Sprich: Er trifft eine aktive Anlageentscheidung. Mit passivem Investieren hat das wenig zu tun.
Kommentare
So ist es! Aber welche/r Anleger/in kann diese Entscheidungen denn fachlich treffen??
AntwortenHerr Mikosch, ich gebe Ihnen weitgehend Recht mit Ihren Ausführungen. Bei einem Artikel habe ich als Kommentar eingefügt, wie leicht es ist, den MSCI World mit einem aktiv gemanagten Aktienfonds outzuperformen, ohne damit eine Anlageberatung oder -empfehlung ausgesprochen zu haben. Gewaltige Renditeunterschiede INKLUSIVE aller Kosten. Aber das wissen eben die Wenigsten. Und die wenigsten WISSEN, was sie mit einem bspw. DAX- oder MSCI-World ETF kaufen, schon gar nicht, was die Risiken angeht (DAX zweimal gut 70% verloren seit 2000, MSCI World gut 60%). Kein/e Anleger/in, die ich jemals gefragt habe in den letzten 30 Jahren hat auf die Frage, wieviel Risiko sie/er bereit ist einzugehen mit 60 oder 70% geantwortet. Aber blind werden Produkte mit genau diesem Risiko gekauft. Und so hatten denn auch die ETF-Anleger einen 40%igen Anteil an den jüngsten Verlusten, weil die zittrigen Hände, die nicht wissen/wussten, was sie tun, den Markt verlassen haben und vermutlich noch verlassen. Die von Ihnen hier genannte aktive Anlageentscheidung können -leider!- die allerwenigsten Menschen ohne Beratung treffen, wie auch / woher auch? Das wird in den Schulen nicht einmal ansatzweise gelehrt....Und so kommt es künftig zu vermutlich manch heftiger Reaktion schon aufgrund dieser Marktteilnehmer. Alleine in den USA sind in den letzten zwei Jahren mehr Neuaktionäre "zur Börse gekommen" als Baden-Württemberg und Bayern zusammen an Einwohnern haben. Und wenn die in Sachen Finanzbildung dem "typischen Durchschnitt" entsprechen, ist der Rest kein Wunder...Und das meine ich NICHT despektierlich, es ist gewissermaßen logisch. Aber auch: wenn überall nur noch trompetet wird "kauf ETF´s, 80% der Fondsmanager übertreffen den Index nicht", wird leider die Reaktion interessierter (Neu-)Anleger(innen) relativ klar sein, und sie wird wohl eher nicht darin bestehen, die 20 oder 30% der Fondsmanager zu identifizieren, die die Vergleichsindizes deutlich übertreffen...das bedarf entsprechender Vorkenntnisse und natürlich auch einigem an Arbeit.
schutzwürdig am 04.02.22 um 13:20