Die Wirtschaftskammerwahlen stehen vor der Tür. Anfang März 2020 können die Kammermitglieder ihre gesetzlichen Interessensvertreter nach fünf Jahren wieder neu bestimmen. FONDS professionell ONLINE hat alle wahlwerbenden Listen aus dem Fachbereich der Finanzdienstleister um ihre Programme gebeten. Als eines der heißesten Themen kristallisierte sich die Kammer-Struktur selbst heraus: zu Transparenz und Finanzierung wurden die schärfsten Positionen bezogen.  

Mit einer harten Transparenz-Kritik an der Konkurrenz startet das Unabhängige Wirtschaftsforum (UWF) in den Wahlkampf. "Wir sind gegen Einheitslisten" ist einem Wahlschreiben an oberster Stelle zu entnehmen. UWF-Obmann Rudolf Mittendorfer spielt damit darauf an, dass der schwarze Wirtschaftsbund (ÖWB) und der sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) dieses Jahr bei Finanzdienstleistern, Versicherungsmaklern und Versicherungsagenten in Wien gemeinsam als eine Liste antreten.

"Undemokratischer Deal"
Hintergrund sei ein "Deal" auf der Führungsebene, während die Fachgruppenbasis nicht informiert gewesen sei, kritisiert Mittendorfer, dessen Liste "Transparenz statt Geheimbündelei" fordert. Die schwarz-rote Einheitsliste sei "zutiefst undemokratisch", legt Mittendorfer gegenüber der Redaktion nach und stellt infrage, was die beiden politisch verschiedenen Listen verbindet. Überhaupt sei man gegen den "Einfluss von Parteipolitik" in der Kammer.

Die gemeinsame Liste tritt in Wien bei den Finanzdienstleistern mit 30 Listenplätzen an, während die Konkurrenz sich nur im einstelligen Bereich bewegt. Die geballte rot-schwarze Kraft stört das UWF. Denn bei der letzten Wahl im Jahr 2015 war es den Unabhängigen besonders bei den Versicherungsmaklern mit gut 17 Prozent der Stimmen gelungen, dem großen Wirtschaftsbund, der auf 27 Prozent kam, die Stirn zu bieten.

"Sinnvolle Zusammenarbeit" und Definitionsfragen
Der SWV-Wien rechtfertigt die Sammelliste mit der "jahrelangen guten Zusammenarbeit". Immerhin hätten die schwarzen und roten Finanzdienstleister in der Fachgruppe Wien gemeinsam die Senkung der Grundumlage umgesetzt, heißt es gegenüber FONDS professionell ONLINE. Auf die Frage, wer der WB-SWV-Kooperation tatsächlich zugestimmt habe, heißt es beim SWV-Wien – wohl kaum erstaunlich – dass alle Kandidaten dafür waren. Bei vielen Themen hätten SWV-Wien und WB-Wien weiter unterschiedliche Zugänge, beteuert eine Sprecherin des SWV-Wien. Der WB-Wien wiederum beantwortet die Kritik nicht inhaltlich, sondern begibt sich auf die semantische Ebene: Es gebe gar keine Einheitsliste, denn das "wäre definitionsgemäß eine Wahlliste, die Kandidaten aller Parteien enthält", erklärt ein Sprecher.


Eine vollständige Auflistung aller Gruppierungen inklusive Listenführer und Anzahl der Mandatare finden Sie hier.


Neben dem UWF tritt auch die Neos-Fraktion Unos äußerst Kammer-kritisch auf. Der jahrelangen Forderung nach einem Ende der Pflichtmitgliedschaft bleibt man bei den WKÖ-Wahlen treu. Die Einrichtung soll sparsamer werden, der Mitteleinsatz effizienter, fordert Bundeswahlkampfleiter Jonas Von Einem. Er will "ein starkes Mitspracherecht" der Mitglieder bei der Mittelverteilung. Die Höhe der Grundumlage – mit der die Fachorganisationen (Fachvertretung, -gruppen und –verbände) finanziert werden – soll sich an den nötigen und sinnvollen Ausgaben der Fachgruppe orientieren, so Von Einem.

Die Gestaltung der Grundumlage stört auch die Freiheitliche Wirtschaft (FW). "Wir stehen weiter gegen eine Erhöhung der Grundumlage und streben sogar eine weitere Senkung an", sagt Sascha Dastl, FW-Finanzdienstleisterspitzenkandidat in Wien. Außerdem sollen eventuelle Rücklagen nicht als "Sparbuch der WKÖ dienen, sondern sinnvoll für Aus- und Weiterbildung investiert werden", so Dastl.

Besseres Image – Neues Berufsbild für Vermögensberater?
Weit oben stehen bei einigen Listen Reputationsfragen. Die Unos wollen das Image des Berufstandes verbessern, sagt Bundeswahlkampfleiter Von Einem ohne genauere Angaben. UWF-Obmann Mittendorfer wird deutlicher: "Das Riesenkonglomerat unterschiedlichster Berufsgruppen verwässerte das Berufsbild", moniert er. "Wozu Zahlungsagenten und Tippgeber?", fragt Mittendorfer.  

Über ein neues Berufsbild macht sich der Wirtschaftsbund Gedanken. Den ÖWB-Vertretern gefällt die aktuelle Prüfungsordnung für die Gewerbliche Vermögensberatung nicht – sie sei zugangsbeschränkend, heißt es gegenüber der Redaktion. Der Vorschlag: Neben dem ganzheitlichen Gewerblichen Vermögensberater soll es Berater geben, die auf einzelne Finanzprodukte spezialisiert sind. Gleichzeitig will der ÖWB, dass die Befähigungsprüfung "wie die Meisterprüfung auf ein mit einem Bachelorstudium vergleichbares Niveau angehoben" wird.

Weiterbildung – Harmonisierung und weniger persönliche Eitelkeiten
Apropos Bildung: Hier wollen sich die meisten Listen für Änderungen einsetzen. Die Fachgruppen müssten für die regelmäßige Weiterbildung selbst mehr qualitatives Angebot bereithalten, sagen die Unos. Der SWV fordert, dass die unabhängige Weiterbildung "nicht durch versteckte Werbeveranstaltungen verfälscht wird".

Christian Faulmann von der Grünen Wirtschaft stellt die Sinnhaftigkeit gewisser Verpflichtungen zur Diskussion: Für erfahrene Branchenkollegen sei es zum Beispiel nicht zielführend, wenn sie jährlich obligatorisch eine Compliance-Schulung absolvieren müssen, obwohl sich regulatorisch nichts geändert hat. Er besteht darüber hinaus "auf eine weitere Harmonisierung der Weiterbildungspflicht". Darin ist er sich einig mit der Freiheitlichen Wirtschaft: "Gesetzliche Weiterbildung im Versicherungsbereich soll mit Versicherungsagenten und Versicherungsmaklern noch besser abgestimmt werden", so Dastl. Er plädiert dafür, dass die Lehrpläne nach zwei Jahren geprüft und gegebenenfalls vereinfacht werden.

Generell findet Dastl, dass Finanzdienstleister mit Versicherungsmaklern und Versicherungsagenten intensiver zusammenarbeiten sollen. Funktionäre sollten ihre persönlichen Befindlichkeiten hintanstellen, um "gegenüber Gesetzgebung und der Banken- und Versicherungswirtschaft" mehr Wirkkraft zu haben.

Provisionen – Angst vor Verbot auf EU-Ebene
Dastl widmet sich darüber hinaus dem heiklen Thema Provisionsverbot. "Wir stehen eindeutig zu der Provisionsvergütung und sehen eine Honorarberatung sehr kritisch – ein Verbot von Provisionen gehört endgültig vom Tisch", sagt der Freiheitliche. Es bestehe die Sorge, dass "verschiedene Akteure auf EU-Ebene dieses Thema wieder bringen und wir wollen, dass die Diskussion darüber endgültig eingestellt wird und beide Varianten bestehen bleiben". Eine Forderung, die auch der ÖWB stellt: "Jeder Unternehmer soll die Möglichkeit haben, zu entscheiden, ob er als Entgelt für seine Dienstleistung an den Kunden ein Honorar oder eine Provision verlangt", heißt es.

Auch bei der Bürokratie ähneln sich die Agenden von FW und ÖWB – Stichwort Mifid, IDD oder DSGVO. Dastl will mit den Gesetzgebern über eine Reduktion reden. Dem ÖWB sind insbesondere überbordende Informationspflichten und aufwändige Berichtspflichten ein Dorn im Auge. Sie müssten geringer werden, "damit sich die Finanzdienstleister wieder stärker auf ihre unternehmerische Tätigkeit fokussieren können".

Monitoring gegen Green-Washing
Als einzige Liste hat sich im Bereich der Finanzdienstleister die Grüne Wirtschaft das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Man wolle die von der neuen Regierung angekündigte KESt-Befreiung für ökologische beziehungsweise ethische Investitionen als "Kernthema" vorantreiben. Finanzdienstleister Faulmann pocht auf eine EU-weit klare gesetzliche Regelung für die ESG-Norm, verbunden mit einem "Anti-Green-Washing-Monitoring". "Wenn man berücksichtigt, welche Aktienpositionen in so manchen ESG-Fonds liegen, muss man sehr skeptisch sein, ob damit tatsächlich der Wunsch nach nachhaltigem und ethnischem Investment der Kunden abgebildet wird", so Faulmann.

Beim sozialdemokratischen SWV wurden der Redaktion kaum Wahlkampfversprechen genannt, die sich spezifisch auf die Finanzdienstleister beziehen. Roland Hauer, SWV-Spartenobmann für Information und Consulting, hebt hingegen die soziale Absicherung insbesondere für Ein-Personen-Unternehmen und Klein- und Mittelbetriebe hervor. Selbstständige, die bis zu 1.000 Euro Gewinn im Monat machen, sollen von den SVA-Beiträgen befreit werden, fordert er. Der Selbstbehalt beim Arztbesuch müsse gestrichen und Krankengeld ab dem vierten Tag ausbezahlt werden (derzeit rückwirkend ab dem vierten Tag bei mindestens 42 Tagen Krankheit).

Die Parteifreie Fachliste der gewerblichen Wirtschaft hat der Redaktion trotz mehrmaliger Anfrage keine Positionen geliefert. (eml)