Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hat sich optimistisch über die Wirtschaft in der Eurozone gezeigt – und damit einen Kursverfall an den Bondmärkten ausgelöst. In den Tagen nach Draghis Eröffnungsrede auf dem EZB-Forum in Portugal Ende Juni verteuerte sich der Euro gegenüber dem US-Dollar um mehr als zwei Prozent. Die Renditen europäischer Staatsanleihen verzeichneten den stärksten Anstieg seit sieben Monaten, entsprechend sackten die Kurse ab.

Draghi hatte angedeutet, dass er in Europa reflationäre Kräfte aktiv seien – und damit Spekulationen über ein Ende der lockeren Geldpolitik der EZB befeuert. Zuvor hatte die bereits die US-Notenbank Fed den Leitzins erhöht. "In den vergangenen Wochen haben wir wirklich einen Stimmungswechsel beobachtet", sagte Andrew Wilson, Chef von Goldman Sachs Asset Management in der Region Europa, Nahost und Afrika, dem Nachrichtensender Bloomberg TV. "Man kann argumentieren, dass Mario Draghi dies lostrat, indem er erstmals von der Notwendigkeit sprach, die Erleichterungen zurückzufahren."

Draghi macht Schluss…
Ähnlich beurteilt Felix Herrmann, Blackrock-Kapitalmarktstratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa, die Lage. Der Inflationsdruck in der Währungsunion sei und bleibe zwar zu niedrig. "Was wir in den letzten Tagen an den Rentenmärkten beobachten konnten, schmeckte dann aber doch ein wenig nach Zinswende", so Herrmann. Am Markt setze sich offenbar mehr und mehr die Erwartung durch, Draghi könnte trotz moderater Inflationsaussichten im nächsten Jahr mit der Beendigung des Anleihekaufprogramms ernst machen. "Wohl durchaus zu Recht", meint der Blackrock-Stratege. "Denn was für die EZB zählt, sind nicht die aktuellen gemessenen Inflationsraten, sondern die Inflationsaussichten."

Das heiße aber noch lange nicht, dass tatsächlich ein Ende der ultralockeren Geldpolitik in Sicht sei, meint hingegen Matthias Hoppe, Portfoliomanager und Senior Vice President bei Franklin Templeton Multi-Asset Solutions. "Wir sehen das kritischer und gehen davon aus, dass die Reaktion auf Draghis Äußerungen voreilig sein könnte", sagte er. Anleger waren zu optimistisch, ist Hoppe überzeugt. Er geht weder davon aus, dass sich bald etwas an den Zinssätzen ändern wird, noch davon, dass das Anleihekaufprogramm der EZB in nächster Zeit enden wird.

... oder vielleicht doch nicht?
Grund für den Pessimismus bei Franklin Templeton sind vor allem die jüngsten Inflationszahlen, die sowohl in der Eurozone als auch in den USA enttäuschend ausfielen. Der Markt dämpfte die Inflationserwartungen zuletzt weiter. "Daher dürften jegliche Maßnahmen der EZB schrittweise und behutsam erfolgen", sagt Hoppe. "Und in der Tat wird bei Betrachtung von Draghis Rede deutlich, dass er hinsichtlich der Inflation weit weniger optimistisch klang, als mancher Beobachter vermutete." (fp/ert)