Zwei der führenden Anlagestrategen an der Wall Street sind sich uneinig über die weiteren Aussichten von US-Aktien. Michael Wilson von Morgan Stanley, der in der Szene als eingefleischter "Aktienbär" gilt, glaubt, dass sich die Stimmung wahrscheinlich weiter verschlechtern wird, wenn die Anleger beginnen, "die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit in Frage zu stellen", wie er es formuliert. Sein Kollege David Kostin von Goldman Sachs sieht indes Spielraum für Anleger, ihr Aktienengagement weiter auszubauen, sollte die Wirtschaft auf dem Weg zu einer weichen Landung bleiben.

Goldman Sachs berechnet einen Index, der die Stimmung am Aktienmarkt anhand von neun Positionierungsindikatoren misst, darunter das Engagement von Hedgefonds, die Nachfrage ausländischer Investoren und die Mittelzuflüsse. Dieser ist in der vergangenen Woche gesunken, nachdem er seit Dezember gestiegen war. In einer Analyse erläutert Kostin, er erwarte, dass der Rückgang nur von kurzer Dauer sei. Hedgefonds, Investmentfonds und Privatanleger würden "ihre Wetten auf steigende Kurse erhöhen", wenn sich das Marktumfeld weiter verbessere.

Sind die Anleger zu optimistisch?
Wilson hingegen vertritt die Ansicht, dass die Aktienanleger zu optimistisch sind, was eine weiche Landung der US-Wirtschaft angehe. Die Verlangsamung der Inflation habe die Fähigkeit der Unternehmen, die Preise zu erhöhen, beeinträchtigt. Dies werde sich im Laufe des Jahres noch verschlimmern, wenn die Verbrauchernachfrage nachlasse. Wilson hatte den Einbruch der Aktienmärkte im vergangenen Jahr richtig vorhergesagt. In diesem Jahr blieb er trotz der Markterholung bei seiner pessimistischen Einschätzung. Jüngst musste Wilson einräumen, sich "total geirrt" zu haben.

Angesichts von Anzeichen einer robusten Konjunktur und der Erwartung, dass die amerikanische Notenbank ihre Leitzinsen noch länger auf hohem Niveau belassen wird, hatten US-Aktien zuletzt drei Wochen nacheinander an Wert verloren. Das war die längste Verlustperiode seit Februar. Die nächsten Hinweise auf die geldpolitischen Pläne der Fed erwarten Marktteilnehmer noch diese Woche, wenn ihr Vorsitzender Jerome Powell auf dem jährlichen Notenbanker-Symposium in Jackson Hole spricht. (fp/Bloomberg)