Weltweit steigen die Inflationsraten als Folge der breit angelegten Hausse der Rohstoffpreise. So resümiert Holger Sandte, Chefvolkswirt bei WestLB Mellon Asset Management, die jüngsten Entwicklungen globaler Verbraucherpreise. "Zwar sind die Teuerungsraten stärker und schneller gestiegen als erwartet, sie bewegen sich aber in einem für Konjunkturerholungen üblichen Rahmen." Insofern sei die zunehmende Teuerung zunächst nur die unvermeidliche zyklische - wenn auch lästige - Kehrseite der Erholung von der "Großen Rezession".

 

In vielen rasch wachsenden Schwellenländern komme zur Rohstoffhausse nachfrageseitiger

Inflationsdruck hinzu, erklärt Sandte weiter. "Dort haben die Notenbanken bereits mit Zinserhöhungen reagiert und dürften diesen Kurs angesichts noch niedriger Realzinsen fortsetzen. Mit Blick auf Konjunkturrisiken und feste Währungen werden sie dabei allerdings mit Augenmaß vorgehen müssen."

 

In den meisten Industrieländern sei die Situation anders. Dort haben die Verbraucher zwar mit unangenehmen Preissteigerungen bei Energie und Nahrungsmitteln zu kämpfen, "echte" Inflation im Sinne eines breit angelegten Preisanstiegs verhindert aber eine oft noch hohe Unterauslastung der Produktionskapazitäten, vor allem eine hohe Arbeitslosigkeit. Dementsprechend halten die meisten Notenbanken die Leitzinsen auf rekordtiefem Niveau

oder erhöhen sie nur zögerlich. "Im Euroraum kann die Teuerungsrate im Laufe der nächsten

Monate die Marke von drei Prozent durchaus überschreiten. Der absehbaren Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank im Juli dürften im weiteren Jahresverlauf ein bis zwei weitere Schritte folgen. Auch ein Leitzinssatz von zwei Prozent wäre immer noch niedrig und konjunkturstützend. Die US-Notenbank dürfte den Leitzins erst im kommenden Jahr anheben,

wenn nicht noch später," so der WestLB-Chefvolkswirt

 

Die Gefahr anhaltend höherer Inflation - im Sinne von Teuerungsraten, die drei Prozent nicht nur zyklisch bedingt und vorübergehend, sondern dauerhaft überschreiten - bestehe laut Sandte in den Industrieländern nur, wenn die Notenbanken bei fortgesetzter Konjunkturerholung ihre Aufgabe des Erhalts der Preisniveaustabilität vernachlässigen. "Die Zögerlichkeit der US-Notenbank birgt auf längere Sicht sicher ein Inflationsrisiko. Die vielen schon gelieferten und noch absehbaren Zinserhöhungen rund um den Globus zeigen aber, dass die Notenbanken insgesamt die Kontrolle über die Inflation nicht verloren haben. Zudem bremst die Rohstoffhausse das globale Wirtschaftswachstum und damit mittelfristig auch den Anstieg der Kernteuerungsraten", gibt sich Sandte zögerlich optimistisch.

 

Sandtes Fazit: "Die Gefahr dauerhaft erhöhter Inflation besteht, sie ist aber wirtschaftspolitisch beherrschbar. Die Rückkehr hoher Inflation ist keineswegs ausgemachte Sache." (dw)