Die Finanzmarktaufsicht beobachtet die Entwicklung bei Lebensversicherungen im Niedrigzinsumfeld mit Besorgnis: "Man muss sorgfältig beobachten was bei den Lebensversicherungen passiert", sagte FMA-Vorstand Helmut Ettl bei einer Diskussionsveranstaltung des Forum des Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) in Kooperation mit dem FJF Finanzjournalistenforum. So gebe es sowohl bei einem dramatischen Anstieg der Zinsen, aber auch bei langem Niedrigzinsumfeld Probleme. Falls dieses weiter anhalte, müsse in drei bis vier Jahren auf Reserven zurückgegriffen werden, wird Ettl in einem Papier des FMVÖ zitiert.

Die Versicherungsbranche richtet sich darauf ein, dass die Zinsen in der Eurozone noch "sehr lange sehr niedrig" bleiben, sagte Generali-Vorstandschef Alfred Leu. Er richtet die Geschäftspolitik auf dieses Szenario aus und sieht sich gut gewappnet. Allerdings appellierte Leu an den ebenfalls anwesenden OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny, der als EZB-Ratsmitglied die Beschlüsse der Zentralbank mitträgt: "Es ist für die gesamte Branche von enormer Bedeutung, dass hier sorgsam umgegangen wird", so Leu.

Der angesprochene Nowotny bestätigte, dass man noch länger mit niedrigeren Zinsen leben müsse, weil auch die Inflationsrate niedrig sei. Letztendlich seien zu hohe Zinsen und eine sehr hohe Inflation gefährlicher als zu niedrige.

Lebensversicherungs-Disput: "Rechtssicherheit für Versicherer"
Zum aktuellen Disput um die Rücktrittsrechte bei Lebensversicherungen sagte Nowotny, die Versicherer würden mehr Stabilität brauchen. Rückwirkend eingeführte Regelungen – wie das unbefristete Rücktrittsrecht von Lebensversicherungen bei mangelhafter Belehrung – seien abzulehnen. Er begrüßte das aktuelle Gesetzesänderungsvorhaben der Regierung in diesem Bereich: "Konsumentenschutz ist ein hohes Gut. Man muss aber schon aufpassen, hier nicht in Extreme zu kommen, die erhebliche gesamtwirtschaftliche Folgen haben." Auch in Sachen Sammelklagen gab sich Nowotny skeptisch und bezeichnete diese als "wunderbare Einnahmequelle für Großkanzleien".

Halbwegs zufrieden zeigte sich die FMA mit der Versicherungsrichtlinie Solvency II. Die Einführung sei gut erfolgt, allerdings habe man damit erst die Pflicht erfüllt und noch nicht die Kür, so Ettl. Punkto Innovationsfähigkeit gebe es hinsichtlich Produktgestaltung und marktökonomischer Veränderungen Luft nach oben.

Die Versicherer würden in gewissen Bereichen die Geschwindigkeit des Veränderungszuges unterschätzen und die Vorteile der Digitalisierung noch nicht ausgeschöpfen. Neue Regularien wie IDD führen zu einer Standardisierung der Produkte und die Digitalisierung verändert die Vertriebswege. Beides begünstigt laut Ettl Neueinsteiger: Konkurrenten aus einem günstigeren Branchenumfeld als Österreich könnten es künftig leichter haben, in den österreichischen Markt einzudringen, warnt Ettl.

"Solvency II zu komplex"
Der Präsident des Versicherungsverbandes Othmar Ederer begrüßte zwar das Prinzip von Solvency II grundsätzlich, allerdings: "Man hätte mit deutlich geringerem Aufwand weite Teile des gewünschten Ergebnisses auch erzielen können." Das neue System sei zu komplex und schwer durchschaubar. Der Digitalisierung sieht er selbstbewusst entgegen: "Dass wir Google einholen werden, wäre übertrieben. Aber wir sind nah bei den Kunden, verstehen ihre Bedürfnisse und kommunizieren mit ihnen auf jene Weise, die sie bevorzugen. Wir sind bereits in der Lage verschiedene Formen der Kommunikation ohne Brüche zu verarbeiten."

Die nächste große Regulierung, die mit der IDD ab kommendem Jahr ins Haus steht, nimmt man gelassen: Trotz aller Aufwände sei die IDD "für Versicherungen eine große Chance, an der Reputation der Branche zu arbeiten und Qualitätssicherung bei der Beratung herbeizuführen. Daher sehen wir diesen Aspekt der IDD sehr positiv“, so Leu. Die Digitalisierung ist auch in seinem Unternehmen im Gange: Man wickle über 90 Prozent des Neugeschäfts papierlos ab.

"Können heute Tarife feiner abstimmen"
Die Frage, ob bessere Mittel der Datenanalyse die Übernahme gewisser Risiken künftig verhindern könnte, verneinte Leu: "Es gibt keine unerwünschten Risiken, nur falsch bepreiste." Man könne heute viel feiner tarifieren und daher glaube er nicht, dass gewisse Risiken keine Deckung mehr finden.

Liane Hirner, Partnerin bei PwC Österreich, verwies darauf, dass Österreich ein "Gold Plating" bei den Regulierungen vermeiden sollte und so den Versicherungen das Leben erleichtern könnte. Außerdem könnten Regulierungen ihrer Einschätzung nach besser mit bestehenden Gesetzen verzahnt werden. (eml)