Die bisherige Kursentwicklung im Jahr 2023 hatten wohl nur wenige Anleger vorausgesehen. Im Gegenteil: Zahlreiche Investoren hatten ihre Portfolios angesichts hoher Inflation, drohender Rezession und steigender Leitzinsen zu Jahresanfang vorsichtig ausgerichtet und ihre Aktienquoten eher reduziert. Doch gerade in der ersten Jahreshälfte haben sich die Aktienkurse hervorragend entwickelt – nicht zuletzt aufgrund der Kursfantasie rund um künstliche Intelligenz (KI). Nun stehen viele Anleger vor der Frage, ob sie ihre Portfolios offensiver aufstellen und den Aktienanteil erhöhen sollten. Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP Asset Management in Münster, rät davon dringend ab. Er sagt: "Es ist langfristig aus meiner Sicht klug, mit der aktuellen Underperformance zu leben und das Risiko jetzt nicht zu erhöhen."

"Beim Blick auf das eigene Depot fühlen sich viele Anleger als Verlierer", so Löschen. Das gelte sogar, wenn sich das Vermögen insgesamt positiv entwickelt habe, denn vielen Anlegern sei der Vergleich zum Gesamtmarkt wichtiger als die absolute Wertentwicklung der eigenen Anlage. Er empfiehlt aber, sich nicht von Momentaufnahmen aus dem Konzept bringen zu lassen, sondern langfristige Anlageziele auch mit einer entsprechenden Langfristperspektive zu verfolgen.

Vorschlag für ein ausgewogenes Depot
Volkswirtschaftliche Zusammenhänge bilden dabei für Löschen immer die Basis für fundierte Entscheidungen. Mit Blick auf die steil gestiegenen Bewertungen von Aktien des KI-Segments sagt er: "Diese Bewertungen müssen kontinuierlich immer aufs Neue gerechtfertigt werden." Die größte Gefahr lauert für ihn dabei in Sprüchen wie "dieses Mal ist alles anders".

Löschens Vorschlag für ein ausgewogenes Depot: "Auf jeden Fall sollte neben Basisinvestitionen in Value-Aktien auch in Aktien mit hervorragenden Zukunftsaussichten investiert werden. Aber immer in Maßen und in ausgewogener Gewichtung." Eine auch regional diversifizierte Mischung von Value- und Growth-Aktien trage durch jede Börsenphase und reduziere das Risiko deutlich. Ein kühler Kopf, eine Langfristperspektive und eine gesunde Mischung aus Beharrlichkeit und Gelassenheit seien zudem gute Ratgeber. 

Anlage gehört regelmäßig auf den Prüfstand
Besonders wichtig ist für Löschen die regelmäßige Überprüfung und gegenseitige Abstimmung von Anlagezielen und Anlagestrategie. Dies umfasst für ihn zwei Elemente. Zum einen den Vergleich von Strategie, Cash- und Aktienquoten mit dem wirtschaftlichen Umfeld. Ebenso gehören dazu aber Fragen wie: "Passt die grundsätzliche Langfriststrategie zum Leben und das Leben zur Strategie?" Denn, so Löschen: "Geldanlage ist kein 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathonlauf." (jh)