Kaum hat ein Börsenjahr begonnen, schon ist wieder die Rede davon: vom "Januar-Effekt". Dieser besagt, dass die in den ersten Tagen des neuen Jahres erzielte Rendite einen verlässlichen Indikator für das Gesamtjahr darstellt. Doch darauf sollten sich Anleger nicht verlassen, rät Thomas Grüner, Gründer und Vize-Chef von Grüner Fisher Investments. "Der Januar besitzt keine Vorhersagekraft für die nachfolgenden elf Monate des Jahres, egal welcher Zeitraum oder welche Anzahl an Handelstagen betrachtet werden", erklärt er.

Grüner erläutert es am Beispiel des US-Aktienindex S&P 500. Aufgrund der langen Historie des Börsenbarometers können 99 Jahre ausgewertet werden. Tatsächlich sei 52 Mal und damit am häufigsten zu beobachten, dass sowohl der Monat Januar als auch das Gesamtjahr von steigenden Kursen geprägt waren. Aber: Am zweithäufigsten (21 Mal) sei ein negativer Januar in ein positives Jahr gemündet. Die Kombination aus negativem Januar und negativem Jahr sei 17 Mal aufgetreten.

Keine wahrsagerischen Fähigkeiten
"Wenn ein negativer Januar das Jahr häufiger nicht vorhersagen konnte, dann können wir hier keine wahrsagerischen Fähigkeiten erkennen", so Grüner. Daraus lasse sich lediglich ableiten, dass Aktien sowohl in Monaten als auch in Kalenderjahren deutlich häufiger steigen als fallen. "Und das halten wir für eine ziemlich gut belegte Tatsache", sagt Grüner.

Es liege die Vermutung nahe, dass der Januar-Effekt aktuell aus zwei Gründen erhöhte Aufmerksamkeit erhalte. Erstens sei er in den vergangenen zwei Kalenderjahren tatsächlich eingetroffen. Zweitens sei die Diskussion um den Effekt verstärkt aufgetreten, nachdem ein paar Tage mit negativer Volatilität zu verzeichnen waren. Dies verdeutliche, dass viele Anleger mit einer negativen Grundstimmung ins Jahr 2024 gestartet seien, die zu einer Extrapolation kurzfristig negativer Entwicklungen verleite.

Normale Trends und Gegentrends
Aktienmärkte seien aber nun einmal volatil und würden keinen vorgefertigten Mustern folgen, so Grüner. "Normale Volatilität geht oft mit Gegentrends einher, bei denen die führenden Kategorien härter getroffen werden, wie beispielsweise in der Korrektur im vergangenen Jahr", erklärt er. Große Wachstumstitel waren während der Rally bis Juli 2023 führend, gerieten aber in der Korrekturbewegung ins Hintertreffen. Anschließend jedoch bewegte sich der Kurs in Richtung neuer Rekordstände.

"Wachstumstitel werden nicht immer auf der Gewinnerseite stehen, und eine Verschiebung hin zu Value-Titeln im Laufe dieses Jahres würde uns nicht schockieren", so Grüner. Diese Überlegungen könnten bei der Festlegung des Investmentstils im Jahr 2024 wichtig sein. Sie seien aber völlig unabhängig von der Rendite, die im Monat Januar erreicht wird. (am)